Gerade am Abend zwischen 20 und 22 Uhr scheint es so, als ob die Weser Bremen bei den Benzinpreisen in zwei Gebiete aufteilt: Links vom Fluss kann der Sprit an Tankstellen fünf Cent günstiger sein als rechts davon. Der Check per Benzinpreis-App hat ergeben: Die Tankstelle beim Einkaufszentrum Duckwitzstraße sowie die Tankstelle bei Metro an der Neuenlander Straße gehörten zuletzt immer mit zu den günstigsten. Ein Liter Diesel kostete zeitweise 1,079 Euro und ein Liter Super 1,239 Euro. Gerade in diesen Abendstunden lagen rechts der Weser die Spritpreise mehrheitlich um fünf Cent höher. Denn ab 20 Uhr haben dort die günstigeren Tankstellen bei Supermärkten, die meist zu den Preisbrechern gehören, bereits geschlossen.
Stefan Kaemena, Leiter der Technik-Abteilung beim ADAC Weser-Ems, sieht hier einen möglichen Grund: „Wenn die günstigen Tankstellen am Abend nicht mehr geöffnet haben, beobachten wir einen Preisanstieg bei den anderen Tankstellen. Denn eine Tankstelle orientiert sich ja an lokalen Anbietern im Umfeld.“ Kaemena verweist gleichzeitig auf die Kapriolen, die die Spritpreise jeden Tag von morgens bis abends nehmen: „Diese Schwankungen kommen ja nicht durch höhere Bezugspreise oder einer plötzlichen Steuererhöhung am Mittag. Hier geht es nur um die größtmögliche Gewinnmaximierung der Tankstelle.“
Seitdem beim Bundeskartellamt die Meldestelle für Benzinpreise im Jahr 2013 ins Leben gerufen wurde, müssen die Tankstellen ihre Preisänderungen dort aktuell angeben. Auf diese Daten haben wiederum die Spritpreis-Apps Zugriff, wie beispielsweise die kostenlose App des ADAC. Doch dieses Programm macht es nicht nur den Verbrauchern einfacher, die aktuellen Preise abzurufen – ebenso wird es für die Tankstellen einfacher, die Preise der Mitbewerber im direkten Umfeld zu verfolgen.
Auch wenn es kurz vor Weihnachten den Eindruck machte, als hätten die Spritpreise leicht angezogen, lässt sich laut Kaemena dieses „Ferienphänomen“ so nicht mehr beobachten wie vielleicht noch vor zehn Jahren: „Coronabedingt wird momentan ja weniger gereist. Aber diese Feiertagserhöhungen wie vor Ostern oder vor Pfingsten finden nicht mehr so stark statt, wie unsere Jahresbeobachtungen zeigen. Höchstens an den Tankstellen direkt an der Autobahn lässt sich das noch ein wenig beobachten.“ Zumindest dort merke man einen Unterschied.
Spritpreise 2021 voraussichtlich höher
Unabhängig davon lohnt es sich an diesem Silvestertag, nochmals den Tank aufzufüllen. Denn in der Nacht zum 1. Januar 2021 werden die Spritpreise aller Voraussicht nach einen kräftigen Sprung machen. Wer noch im alten Jahr tankt, kann also einige Euro sparen. Langfristig ist nicht mehr damit zu rechnen, dass Sprit wieder so billig wird wie im abgelaufenen Jahr.
Für den erwarteten Preissprung in der Nacht zum 1. Januar sind zwei Effekte verantwortlich: Zum einen kehrt die Mehrwertsteuer wieder auf ihr altes Niveau zurück, und zum anderen verteuert auch die neue CO2-Bepreisung die Treibstoffe. Zusammen macht das zehn bis elf Cent pro Liter aus, wie sowohl der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) als auch der ADAC errechnet haben. Wie viel davon letztlich beim Kunden ankomme, entscheide sich aber im Wettbewerb, heißt es vom MWV. Einen großen Ansturm auf die Tankstellen vor der Erhöhung erwartet der ADAC nicht. Dafür sei das Verkehrsaufkommen aktuell zu gering.
So gut sich der Preissprung zum Jahresbeginn beziffern lässt, so schwierig ist die weitere Entwicklung vorherzusagen. Beim ADAC erwartet man tendenziell eine Steigerung. „Aber das muss nicht so kommen“, sagt ein Experte des Verkehrsclubs. Die Entwicklung hänge vor allem vom Ölpreis ab. Wie viel gefahren wird – und wie hoch damit die Nachfrage nach Benzin und Diesel ist – spiele im Vergleich eine untergeordnete Rolle.
Der MWV betont, dass die Spritpreise nicht direkt am Ölpreis hängen. Doch wie werden sich die Ölpreise entwickeln? Experten erwarten, dass sie von der Aussicht auf eine schnelle Einführung wirksamer Corona-Impfstoffe gestützt werden. In seltener Einmütigkeit erwarten Ökonomen eine starke Konjunkturerholung. Einige sprechen bereits von einem „Nach-Corona-Boom“. Zudem dürfte auch die starke Konjunkturerholung in Asien für eine stärkere Nachfrage nach Rohöl und Auftrieb bei den Weltmarktpreisen sorgen.