Wenn die Stadt Bremen Geld in nagelneue Schulen steckt, ist das eigentlich ein Grund zur Freude. Doch bei Kreishandwerksmeister Matthias Winter hält sich die Begeisterung über das geplante Berufsschulzentrum für angehende Bauhandwerker in Grenzen. Denn die künftigen Tischler, Maler und Maurer sollen ab 2026 ganz im Norden der Stadt unterrichtet werden: Der Senat will einen Teil der ehemaligen Bremer Wollkämmerei (BWK) in Blumenthal in einen Berufsschulcampus umbauen. "Das Handwerk fühlt sich an den Rand gedrängt", klagt Winter.
Das geplante Berufsschulzentrum in Bremen-Nord ist Teil des neuen Konzepts, mit dem das Ressort von Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) die berufsbildenden Schulen in Bremen neu aufstellen will. Aus 16 Standorten, deren Gebäude sich nach Meinung aller Beteiligten in einem teilweise schlechten Zustand befinden, sollen bis 2035 vier Schulzentren werden. Nach dem "Campus-Konzept" sollen sie Unterrichtsräume, Labore und Werkstätten für benachbarte Fachberufe mit Gemeinschaftseinrichtungen wie Mensa, Sporthalle und Betreuungsdiensten zusammenfassen.
Als erster Neubau steht der "Campus West" in Walle kur vor der Inbetriebnahme. Hier sollen künftig Groß- und Außenhandel, Einzelhandel, Wirtschaft, Verkehr und Logistik unterrichtet werden. Verhandelt wird zurzeit mit den Entwicklern des Tabakquartiers in Woltmershausen über Mietverträge für einen "Campus Süd", auf dem in technischen Berufen ausgebildet werden soll, einschließlich Kfz-Handwerk. Für den "Campus Ost" ist das Könnecke-Gelände in Sebaldsbrück vorgesehen. Hier sollen die Berufe aus den Bereichen Hauswirtschaft, Gesundheit, Pflege und Erziehung untergebracht werden.
Springender Punkt für die Handwerkerschaft ist der "Campus Nord" auf dem Gelände der 2009 geschlossenen Wollkämmerei in Blumenthal. Hier soll neben einem zweiten Standort für Erzieherinnen und Pfleger die zentrale Ausbildungsstätte für das Bau-, Metall- und Elektrohandwerk entstehen. Zurzeit werden die Bauberufe am Schulzentrum Alwin-Lonke-Straße in Burg-Grambke unterrichtet, wo bereits der heutige Kreishandwerksmeister Winter während seiner Tischlerlehre in den 1980er Jahren zur Schule ging. "Die Gebäude waren damals schon abgängig", erinnert er sich. Deshalb freut er sich, dass die Stadt nun endlich Geld in neue Berufsschulen steckt.
Handwerk bevorzugt zentralen Standort
Aber wenn schon zentrale Campus-Schulen geschaffen werden, dann sollten diese auch an zentralen Standorten stehen, meinen die Handwerker – und nicht am nördlichen Stadtrand. "Für Berufsschüler aus Verden oder Achim sind das Anfahrtswege von 40, 50 Kilometern", rechnet Winter vor. "Und wie soll ein 16-Jähriger aus Arbergen mit Bus und Bahn nach Blumenthal kommen?" Zur Attraktivität der Ausbildung trage das nicht bei – und das zu einer Zeit, in der Handwerker händeringend gesucht würden.
Auch in der Handwerkskammer, wo man von Amts wegen zu einer gewissen Neutralität verpflichtet ist, sorgen die Pläne des Senats für Ärger. "Ich hätte mir mehr Gesprächsbereitschaft gewünscht", sagt Kammerpräses Thomas Kurzke. "Wir haben ein eigenes Konzept vorgelegt, das keine Beachtung gefunden hat." Die Kammer hätte die Berufsschule der Handwerker gerne neben das eigene Bildungszentrum, die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU) im Gewerbegebiet Bayernstraße in Walle, platziert. Dort absolvieren die Azubis einen Teil ihrer praktischen Ausbildung – in topmodern ausgestatteten Werkstätten, betont Kurzke. "Die Berufsschule baut jetzt in Blumenthal ihre eigenen Werkstätten – das sind Doppelstrukturen, die einfach unnötig sind."
Im Bildungsressort ist man dennoch vom Standort Blumenthal überzeugt. Die Entscheidung soll den Stadtteil voranbringen: „Der Berufsschulcampus Blumenthal sendet nicht nur für die wirtschaftliche Entwicklung unseres nördlichsten Stadtteils wichtige Impulse aus, er ist auch entscheidender Bestandteil der stadtentwicklungspolitischen Strategie des Senats", betont Bildungssenatorin Aulepp. Neben dem Campus solle dort kleinteiliges Gewerbe angesiedelt werden, für das sich "vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten" böten.
Das Argument der weiten Anfahrtswege überzeugt die Senatorin nicht: "In Niedersachsen ist es üblich, 100, 150 Kilometer bis zur nächsten Berufsschule zurückzulegen", rechnet sie vor. "Es ist schon einigermaßen erstaunlich, dass ein Anfahrtsweg von deutlich unter einer Stunde zu einem Riesenproblem gemacht wird." Eine "kleine Bahnfahrt" sollte für Berufsschülerinnen und Berufsschüler kein Problem darstellen.
Am Mittwoch befasst sich die Bildungsdeputation mit dem Berufsschulkonzept des Senats. Gerechnet wird trotz des Widerstands der Handwerker mit einem breiten Konsens – auch für den Campus im hohen Norden der Stadt.