Seit rund 15 Jahren steht das denkmalgeschützte Sortiergebäude der früheren Bremer Woll-Kämmerei (BWK) leer, jetzt wachsen Bäume auf dem Dach. Der Wildwuchs bereitet den Denkmalpflegern Sorgen. Entfernen will die Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) das Grün aber nicht: Beim Herausreißen der Wurzeln würde das Mauerwerk beschädigt, das Dach ist zudem einsturzgefährdet. Die Behörde will nun prüfen lassen, ob und wie das Gebäude überhaupt noch zu sanieren ist – auch mit Blick auf den geplanten Berufsschulcampus.
Mehrere Tausend Berufsschüler sollen in Zukunft auf dem Gelände der früheren BWK unterrichtet werden. Bremen will auf dem neuen Campus Ausbildung mit Gewerbe und Handwerk verzahnen. Im Dezember 2019 hieß es noch, dass die ersten Klassen der Blumenthaler Berufsschule 2023 in das Sortiergebäude ziehen sollen. Was Angaben zum Zeitplan angeht, sind die Behörden inzwischen vorsichtig geworden. Das Mammut-Projekt wird nach Angaben des Nord-Beauftragten des Senats Martin Prange zwar voraussichtlich 2022 starten, sich aber über viele Jahre hinziehen.
Als Fakt galt bisher: Sowohl das jüngere Sortiergebäude mit der Nummer 43 der Woll-Kämmerei, das bisherige Verwaltungsgebäude, als auch der sogenannte Hochbau sollen stehen bleiben. Unterdessen haben sich jetzt die Denkmalpfleger wegen des unübersehbaren Wildwuchses an dem älteren Sortiergebäude mit der Nummer 56 an die Wirtschaftsförderung Bremen als Verwalterin des städtischen Eigentums gewandt.
Denkmalpfleger: Sondermittel sind beantragt
„Wildwuchs an Bauwerken ist nicht gut und sollte entfernt werden. Deshalb haben wir die WFB als Eigentümerin und damit als allein Verantwortliche gebeten, dort tätig zu werden“, berichtet der Bremer Landesdenkmalpfleger Georg Skalecki. Die WFB habe zugesagt, das Grün zu entfernen. Allerdings sei dies mittlerweile nicht mehr mit Mitteln aus der normalen Baupflege zu finanzieren. Es bedürfe Sondermittel, die gerade beschafft würden. Georg Skalecki: „Die genaue Höhe steht aber noch nicht fest." Georg Skalecki geht davon aus, dass die WFB bald ein geeignetes Unternehmen beauftragen wird, "entsprechende Säuberungs- und Reparaturmaßnahmen durchzuführen.“ Dies sei mit der Landesdenkmalpflege abzustimmen. „Aber mein Team muss da auch nicht daneben stehen.“
Doch so einfach ist es offenbar nicht und vor allem geht es nicht schnell. Zur Debatte steht, ob das frühere Sortiergebäude 56 überhaupt noch zu retten ist. Derzeit darf es aus Sicherheitsgründen nicht betreten werden. „Da wir das Gebäude 56 ganzheitlich betrachten, gerade im Rahmen der Planung für den Berufsschulcampus, bereiten wir hier eine Machbarkeitsstudie zur weiteren Nutzung vor“, berichtet Juliane Scholz von der WFB. „Die Studie soll ergeben, ob und wie man das Gebäude sanieren könnte und welche weiteren Nutzungsmöglichkeiten es geben kann.“ Die Antwort wird auf sich warten lassen: „Diese Machbarkeitsstudie wird Zeit brauchen, in diesem Jahr können voraussichtlich noch keine Ergebnisse mitgeteilt werden“, heißt es bei der WFB.
Zuletzt waren Gärtner im vergangenen Jahr damit beauftragt worden, Grün vom Gebäude 56 zu entfernen. Derzeit finden Grünpflegearbeiten nur rund um das Gebäude statt. "Das Problem ist, dass man das Dach nicht betreten kann aufgrund der Einsturzgefährdung des Gebäudes. Daher können die Bäume im Inneren nicht entfernt werden, ohne das Gebäude zu beschädigen“, erklärt Juliane Scholz. Sie stellt auch klar: „An den Pflanzen, die auf dem Gebäude 56 wachsen, werden wir voraussichtlich vorerst keine weiteren Maßnahmen durchführen. Hier würden wir aufgrund des Wurzelwerkes Teile des Gebäudes zerstören."
Pflicht zur Erhaltung angemahnt
Detlef Gorn von der Initiative Kämmerei-Quartier kommentiert den Wildwuchs mit zwei Worten: „Ein Jammer.“ Er hat die Stadt bereits an ihre Pflicht zur Erhaltung des Sortiergebäudes erinnert. „Das Kämmerei-Quartier ist seit Schließung der BWK 2009 im städtischen Besitz, verwaltet von der WFB. Nicht plötzlich und unverhofft; nein, bewusst erworben. Es gehört den Bürgern Bremens und ist ein kulturhistorisches Industrieensemble. Wenn Bäume aus den Dächern wachsen und Äste aus den Mauern sprießen, spätestens dann ist es offensichtlich, dass einige der unter Denkmalschutz gestellten Gebäude, die zwei Weltkriege unbeschadet überstanden haben, langsam verfallen und dadurch nach und nach ihren einstigen Charme unwiederbringlich verlieren. Eine Katastrophe für die Nachwelt.“
Detlef Gorn betont, dass es Aufgabe der WFB gewesen wäre, rechtzeitig für Rücklagen für den Erhalt des Gebäudes zu sorgen. Er geht offenbar vom Schlimmsten aus: „Wenn auch das Gebäude zukünftig nicht mehr in Gänze einer sinnvollen Funktion zugeführt werden kann, so ist doch zumindest die Klinkerfassade erhaltenswert.“