Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Bestatter-Branche Billig-Beerdigungen bedrohen Familienbetriebe

Bremen. Sie treffen sich auf Messen, senken ihre Kosten und feilen an ihrem Image: Bestatter sehen sich längst als normale Dienstleister. Die klassischen Familienbetriebe befinden sich derweil in Konkurrenz mit Bestattungskonzernen und sehen sich bedroht von Billig-Beerdigungen.
19.01.2011, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Christian Palm

Bremen. Sie treffen sich auf Messen, senken ihre Kosten und feilen an ihrem Image: Die Bestatter sehen sich längst als normale Dienstleister. Die klassischen Familienbetriebe befinden sich derweil in Konkurrenz mit Bestattungskonzernen und sehen sich bedroht von Billig-Beerdigungen.

Neulich hat sich Horst Kappmeyer wieder aufgeregt, denn schlechter Service geht ihm gegen den Strich. Vier Stunden habe er warten müssen, bis sein Arzt ihn endlich zurückrief. "So was könnten wir uns nicht leisten", sagt er. Von seinem Unternehmen werde schließlich eine perfekte Dienstleistung erwartet. Kappmeyer ist Geschäftsführer des GeBeIn, dem mit Abstand größten Bestatter in Bremen.

Rund 6000 Menschen sterben jedes Jahr in Bremen. Gut jeder Dritte davon wird vom GeBeIn unter die Erde gebracht. Zum Unternehmen gehört ein eigener Florist, ebenso wie ein Steinmetz. Dazu kommt eine Versicherung, bei der die Mitglieder für den Sterbefall vorsorgen können. Die werde immer beliebter, seit es bei gesetzlichen Krankenkassen kein Sterbegeld mehr gibt, berichtet Kappmeyer. Etwa 40.000 Mitglieder zahlen ihre Beiträge. Das GeBeIn ist mit Abstand der Bremer Marktführer. Solche Begriffe gehen dem Geschäftsführer leicht über die Lippen.

Im Mai wird in Bremen zum zweiten Mal die "Leben und Tod" stattfinden, eine Fachmesse rund um Themen wie Vorsorge, Abschiednehmen und Trauer. Und hätte es eines weiteren Zeichens bedurft, dass Beerdigungen auf dem Weg sind, ein Geschäft wie jedes andere zu werden, hat es der Stuttgarter Bestatter geliefert, der vor Kurzem ankündigte, sich Geld am Kapitalmarkt zu beschaffen und mit der Aussicht auf eine Rendite von bis zu zehn Prozent lockte. Schließlich bewege er sich in einem krisensicheren Geschäftsfeld.

Das GeBeIn hat dennoch schon schwere Zeiten überstehen müssen. In den 20er-Jahren wurde das Unternehmen unter dem Namen Gemeinwirtschaftliches Bestattungs-Institut in Gewerkschaftskreisen gegründet und später von den Nationalsozialisten unterdrückt.

Aufgekaufte Tradition

Von einer langen Tradition berichten auch die Webseiten von drei Bremer Firmen, die aber längst nicht mehr in Familienbesitz sind. Die SCI Beteiligungsgesellschaft hat sie aufgekauft. Die SCI wiederum gehört zum größten Bestattungsunternehmen der Welt, das seinen Sitz in den USA hat. "Die dachten, sie könnten den Markt revolutionieren," sagt Kappmeyer zum Einstieg von SCI. Konnten sie seiner Meinung nach aber nicht. Den Trend zum Bestattungskonzern sieht Kappmeyer längst gestoppt.

Thomas Amm, der Chef der Beteiligungsgesellschaft, sieht das anders. Er schwärmt von den Synergie-Effekten des Verbunds aus mehr als zehn Unternehmen. Nicht mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt er in Bremen. An jedem der Standorte, die über Deutschland verstreut sind, könnten so auch Spezialwünsche erfüllt werden. Im Programm hat SCI auch eine Themenbestattung mit dem Titel "Schlusspfiff". Dazu gehört ein Sarg in den Farben des Hamburger SV und eine Ruhestätte in Stadionnähe. Es werde immer wichtiger, den individuellen Wünschen der Menschen zu folgen, sagt Amm. Auf den Webseiten seiner Bestatter kann gleich die passende Trauermusik ausgesucht werden - Pop, Rock, Klassik oder Oldies/Schlager. "Jeder Bestatter sollte auch ein guter Kaufmann sein", sagt Amm. Die Ansprüche der Kundschaft hätten sich verändert. Heute zähle in allen Preissegmenten die beste Qualität. Die Leute würden die Angebote gründlicher vergleichen.

Davon profitiert auch Stefan Grawe. Vor drei Jahren eröffnete der frühere Werber in der Westerstraße seine Firma mit dem Kunstnamen Vialdie. Sein Konzept ist einfach: Er spart sich die meisten Fixkosten wie einen Fuhrpark, Fahrer und einen Außendienst. Wird er mit einer Bestattung beauftragt, erledigen Kooperationspartner die meiste Arbeit für ihn, den Transport zum Beispiel ein Bestatter aus Worpswede. Weil für Grawe die meisten Kosten nur anfallen, wenn er einen Sterbefall betreut, ist er günstiger als viele Konkurrenten. Eine Feuerbestattung bietet er für 888 Euro an, zuzüglich Trauerfeier, falls sie gewünscht wird, plus die kommunalen Gebühren.

"Ich bin ein moderner Bestatter", sagt Grawe über sich. Anders als die "Institute mit den Lamellen am Fenster", setze er auf Transparenz und Offenheit im Umgang mit dem Tod. Das Gleiche sagt der Unternehmer Amm von sich. Regelmäßig lädt er zu Informationsveranstaltungen ein oder zu Führungen über Friedhöfe. So will er das Image der Bestatter verbessern.

"Sofabestatter" in der Kritik

Gerade durch die günstigen Bestatter sei das Ansehen der Branche gefährdet, findet hingegen Kappmeyer vom GeBeIn: "Die Bestatter, die mit solchen Unternehmen kooperieren, merken gar nicht, dass sie ihren eigenen Markt kaputt machen." Vialdie habe immerhin noch eigene Geschäftsräume. Andere, er nennt sie "Sofabestatter", besäßen nicht mehr als einen Laptop, mit dem sie ihr Geschäft organisierten. Seit Kurzem ist in Bremen ein solches Unternehmen aktiv.

Doch es gibt sie noch, die echten Familienunternehmer in der Bestattungsbranche. Zum Beispiel Musa Aydin, der mit Sohn, Frau und Tochter der erste muslimische Bestatter Bremens ist. Noch überführt er die meisten Toten zurück in deren Heimat, meist in die Türkei. Doch mit der Zeit werde sich das sicher ändern, erwartet er.

Auf Wandel ist auch Christian Stubbe eingestellt. Der Mitinhaber des ältesten Bremer Instituts, das noch im Familienbesitz ist, muss heute viel mehr selbst erledigen wie das Drucken von Trauerkarten. "Wer stehen bleibt, verliert", sagt er. Die persönliche Betreuung der Trauernden werde aber niemals aus der Mode kommen. Seine Branche sieht er auf dem richtigen Weg. Seit 2003 gibt es eine duale Ausbildung zum Bestatter. Das habe mehr engagierte junge Leute in die Unternehmen gebracht. Auch Kappmeyer lobt die Ausbildung - weil so die Qualität im Gewerbe gesichert werden könne.

Womit der GeBeIn-Chef wieder beim schlechten Service angekommen ist: Die Arbeit der billigsten Discount-Bestatter habe nichts mit einem fachgerechten Umgang mit den Verstorbenen zu tun. "Das ist reine Entsorgung."

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)