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Digitale Selbstvermessung Wie das Messen der eigenen Daten der Gesundheit hilft

Das Erfassen der Schrittzahl, des Schlafrhythmus oder des Menstruationszyklus: Alles können Nutzer von digitalen Trackern auswerten und speichern. Aber die Selbstvermessung hat auch Nachteile.
08.06.2023, 05:00 Uhr
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Wie das Messen der eigenen Daten der Gesundheit hilft
Von Elias Fischer

Fast 80 Prozent der Deutschen erfassen gewohnheitsmäßig eigene Gesundheitsdaten. Zu diesem Ergebnis kam das Marktforschungsunternehmen "E-Patient Analytics" nach der jüngsten Befragung von 5000 Bürger und Bürgerinnen. Demnach nutzen die Befragten analoge Geräte oder – wie insgesamt 42 Prozent der Deutschen – digitale Tracker, also Programme, die gezielt bestimmte Daten erfassen. Dieses Self-Tracking kann das Wohlbefinden verbessern, aber auch verschlechtern.

Was bedeutet Self-Tracking?

Self-Tracking oder auch Selbstvermessung bezeichnet die systematische Dokumentation von Daten, die die eigene Person betreffen. Das geschieht beispielsweise analog mit Blutdruckmessgeräten oder einer Personenwaage und zunehmend digital mithilfe von Apps und Wearables: also elektronische Geräte, die am Körper getragen werden. Dazu gehören Smartwatches, Datenbrillen oder auch smarte Kleidung. Manche sind mit einem Smartphone verknüpft, manche mit Apps. Andere funktionieren ohne weiteres Gerät oder Software.

Was können Nutzer digital messen und dokumentieren?

Prinzipiell lässt sich alles aufzeichnen. In einem digitalen Logbuch können User eingeben, wann sie was gemacht haben, um Rückschlüsse daraus zu ziehen, wie sie ihre Zeit am Tag besser einteilen können. Digitale Tracker können auch aufzeichnen, wie lange Nutzer wie tief geschlafen haben. Dazu messen Sensoren im Smartphone oder in einer Smartwatch die nächtlichen Bewegungen und Geräusche.

Apps unterstützen Nutzerinnen dabei, ihren Menstruationszyklus im Blick zu behalten. Userinnen geben ein, wie stark und wie lange die Regelblutungen angedauert und welches Mittel sie dagegen eingesetzt haben. Anhand der Daten prognostiziert der Tracker, wie der nächste Zyklus samt Eisprung aussehen könnte. Eine sehr verbreitete Selbstvermessung ist die Zählung täglicher Schritte. Die meisten Endgeräte haben heutzutage einen solchen Tracker vorinstalliert.

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Warum erheben Nutzer Daten über sich selbst?

Ein gesünderes, bewegungsreicheres Leben geben Nutzer zumeist als Grund an, weshalb sie ihre Sport- und Schlafgewohnheiten tracken. "Es kann Nutzende befriedigen, wenn sie sehen, dass ihr Schlaf oder ihre Bewegung im grünen Bereich liegt", sagt Nektaria Tagalidou, Psychologin am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart. Es könne auch Spaß machen, seine eigene Performance zu beobachten und Bestätigung dafür zu erhalten.

Einige Studien belegen, dass Self-Tracking kurzfristig zu mehr Bewegung führt. Zudem spielt das Gefühl der Kontrolle eine Rolle: "Es ist ein menschliches Grundbedürfnis. Wir wollen strukturieren und ordnen", sagt Tagalidou. Self-Tracker könnten das unterstützen.

Was sagen die Daten über mich aus?

Hier gibt es einen Unterschied zwischen den freizugänglichen Self-Trackern und kassenärztlich zugelassenen Gesundheitsanwendungen. Letztere sind zertifiziert und werden hier nicht weiter betrachtet. Für die freien Self-Tracker gilt: "Die Sensorik ist mittlerweile sehr weit fortgeschritten. Es können aber auch mal Fehler vorkommen", sagt Tagalidou. Bedeutet für die Daten: Smartphones können die Schrittzahl ungenau erfassen, Smartwatches ausbleibende Bewegungen in der Nacht fehldeuten. Liegen User mit offenen Augen im Bett, könnte der Tracker trotzdem von einer Schlafphase ausgehen.

Die promovierte Psychologin rät daher allen Usern: "Sie sollten sich die Zeit nehmen, um sich einzulesen, welche Daten die App erhebt und was sie bedeuten." Bedingungsloses Vertrauen in die Messungen zu stecken, sei nicht förderlich, sagt Tagalidou. Wenn gesundheitliche Daten den Nutzer verunsicherten, sei der Gang zum Arzt ratsam.

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Welche Rolle spielt Selbstoptimierung?

"Es ist völlig nachvollziehbar, wenn sich Menschen verbessern wollen", sagt Tagalidou. Wenn die Selbstvermessung allerdings die User nachhaltig stresse oder in Zwang übergehe, sei das schlecht. "Alles, was Leid verursacht, ist ungesund", sagt die Psychologin. Damit das Self-Tracking nicht gesundheitsgefährdend wird, rät sie Nutzern dazu, sich zu fragen: "Warum erhebe ich die Daten? Welche Ziele will ich erreichen? Was passiert, wenn ich sie nicht erreiche? Und: Für wen will ich sie erreichen?", sagt Tagalidou. Self-Tracking sei immer auch eine Selbstreflexion: "Wenn User sich mit Daten über sich selbst beschäftigen, kann das auch das Bewusstsein für Vorgänge im Körper stärken."

Was sollten nutzerfreundliche Self-Tracker bieten?

Laut der Psychologin vom Fraunhofer-Institut sollten die Self-Tracker intuitiv bedienbar sein. "Eine Kategorisierung und Erklärung der Daten ist gut. Auch ein Verweis mit einem Link zur Erklärung kann nützlich sein", sagt Tagalidou. Andere Faktoren für das Nutzungserlebnis sind die Datensouveränität und Transparenz: "Was speichern die Tracker und vor allem wo?", fragt Nicole Bahn, Referentin für Verbraucherrecht der Verbraucherzentrale Bremen. Oft sei den Nutzern das nicht bewusst, sollte es aber. Dafür ist laut Bahn der unbeliebte Blick in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nötig. "Tracker müssen ausweisen, ob sie die Daten in Deutschland, Europa oder anderswo auf der Welt speichern", sagt sie.

Je nachdem, wo die Daten hinterlegt werden, greift ein anderes Recht. "Daten können so möglicherweise einfach weitergegeben oder für Bewegungsprofile genutzt werden. Wer nicht zum gläsernen Menschen werden möchte, sollte also in den Einstellungen die entsprechenden Häkchen setzen." Die Verbraucherrechtsexpertin fordert daher mehr Aufklärung über die Datennutzung. Self-Tracker könnten dann positiv die Gesundheit der User unterstützen, sagt Bahn.

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