Die Hansestadt steht vor der größten Warnstreik-Welle in der Metall- und Elektroindustrie seit mindestens zehn Jahren. Wenn sich Arbeitgeber und IG Metall an diesem Donnerstag in der Vahr im Best Western Hotel East zur nächsten Verhandlungsrunde treffen, sollen sich zuvor ein Demonstrationszug von Daimler und einer von Siemens an der Universität in Richtung Vahr auf den Weg machen. Volker Stahmann, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Bremen, sagt: „Wir rechnen mit mindestens 3500 Teilnehmern. Dass es so viele sein werden, hatten wir zuletzt 2008 bei der Kundgebung auf dem Marktplatz.“
Bei Mercedes sollen sich die Mitarbeiter am Donnerstagmorgen in Bewegung setzen. Sie werden von Kollegen des Autozulieferers Lear unterstützt. Bei Siemens an der Uni starten die Mitarbeiter dort und erhalten Unterstützung von Airbus-Kollegen sowie von Kollegen der Lürssen-Werft. Auch Mitarbeiter von Betrieben außerhalb Bremens sollen dort hinzukommen. Sie sollen um 10.30 Uhr zur Kundgebung am Best Western Hotel East in der Vahr sein. Dass die Metaller ihre Aktion so früh im Vorfeld bekanntgaben, ist eher die Ausnahme, wie Stahmann verdeutlicht: „Sonst kündigen wir Warnstreiks eher kurzfristig an, um einen Überraschungseffekt zu haben.“
Gegen elf Uhr beginnen im Hotel dann die Vertreter vom Arbeitgeberverband Nordmetall und die Vertreter der IG Metall mit ihrer dritten Verhandlungsrunde. Der Verhandlungsführer der IG Metall rechnet nicht damit, dass es bereits in dieser Runde ein Ergebnis geben wird. Abhängig davon, wie sehr sich die Arbeitgeber bewegen, sagt er auch: „Wir wären auch notfalls auf einen 24-Stunden-Streik vorbereitet. Doch lieber ist uns ein Ergebnis am Verhandlungstisch.“
Mehr als 1500 Mitarbeiter von Mercedes, Lear, Airbus und Lürssen hatten sich bereits in der Nacht zum vergangenen Donnerstag zur Kundgebung vor dem Werkstor 7 bei Daimler versammelt. Die IG Metall fordert zum einen sechs Prozent mehr Lohn und die Angleichung der Schichtzulage an die Höhe in Baden-Württemberg. Zum anderen soll es für Schichtarbeiter und Beschäftigte, die Kinder erziehen oder Angehörige pflegen, die Option geben, ihre Arbeitszeit befristet auf zwei Jahre von 35 auf 28 Wochenstunden zu reduzieren. Die Einkommensverluste sollen von den Arbeitgebern teilweise ausgeglichen werden. Der Südwestmetall-Präsident Stefan Wolf zeigte hier zumindest Bewegung. Er könne sich dies vorstellen, wenn gleichzeitig auch eine vorübergehende Ausweitung auf 42 Stunden möglich wäre.
Betriebsfrieden in Gefahr
Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer kritisiert das. „Ich kann doch nicht sagen: Wer weniger arbeitet, kriegt dafür auch noch vom Arbeitgeber einen finanziellen Ausgleich“, sagt der Bremerhavener Unternehmer der „Rheinischen Post“. „Es würde in einem Unternehmen den Betriebsfrieden stören, wenn einzelne Mitarbeiter ihre Arbeitszeit verkürzen können, dafür einen Lohnausgleich erhalten, während die Kollegen die Arbeit übernehmen müssen, aber nicht mehr Geld gezahlt bekommen“, sagt Kramer.
Um weiteren Druck auszuüben, soll an diesem Freitag auch in Kramers Betrieb gestreikt werden – sowie in Bremerhaven bei Germany Dry Docks, der Lloyd-Werft, der Mützelfeldtwerft, Powerblades und Senvion. In Brake ruft die IG Metall bei Leoni zur Arbeitsniederlegung auf, in Nordenham bei den Norddeutschen Seekabelwerken und in Rastede beim Heizungsbauer Brötje.