Die Europawahl hat einen starken Rechtsruck ergeben, nicht nur in anderen Ländern, sondern auch in Deutschland. Wie reagieren Sie als Wirtschaftsvertretung auf die Ergebnisse?
Eduard Dubbers-Albrecht: Man muss sich im Klaren sein, was der Rechtsruck bedeuten kann: Er kann bedeuten, dass sich die EU fragmentiert. Was wir jetzt mehr denn je brauchen, ist ein verstärkter europäischer Zusammenhalt. Wir müssen weltweit dafür werben, dass wir auf die Landkarte gehören. In die USA gehen ständig Delegationsreisen, umgekehrt aber nicht. Dass wir dort wieder auf den Plan kommen, müssen wir aus eigener Kraft schaffen. Eigeninitiative ist ein wichtiger Punkt für die Wirtschaft, aber auch für die Politik und Gesellschaft insgesamt.
Was müsste aus Ihrer Sicht ganz konkret passieren?
Andere Länder setzen enorme Anreize, um Unternehmen anzulocken und zu halten. Auch die bürokratischen Auflagen sind weiter ein schwieriges Thema, das vor allem kleine und mittlere Unternehmen betrifft. Wenn ich 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftige und zehn davon abstellen muss, nur, damit sie Formulare ausfüllen, dann stimmt etwas nicht. Und die andere Seite trifft es ja auch: Denn das, was ausgefüllt wird, muss gelesen, kontrolliert und verstanden werden. Ein Wahnsinn!
Manchmal beschleicht einen das Gefühl, die Wirtschaft würde immer nur meckern...
Das stimmt nicht, es jammern nicht alle, viele wollen mit anpacken – nur wird uns das in der vergangenen Zeit nicht ganz leicht gemacht. Eigentlich haben wir alle ähnliche Ziele, etwa beim Klimaschutz, nur der Weg dahin ist oft schwer und von Bürokratie gepflastert. Das betrifft die Wirtschaft genauso wie die Menschen auf der Straße.
Ist denn wirklich alles nur schlecht?
Nein, es gibt auch positive Tendenzen – und die werden hier in Bremen zum Beispiel durch Bausenatorin Özlem Ünsal verkörpert. Sie hat mit Sicherheit in der Vergangenheit einiges an Gegenwind bekommen, auch vom Koalitionspartner, und trotzdem schon vieles bewegt. Frau Ünsal hat etwa die Priorität auf die Sanierung der städtischen Verkehrsbrücken, ein Must-have, gelegt statt auf den Bau von Fahrradbrücken, die ein Nice-to-have sind. Oder nehmen wir die neue Landesbauordnung. Diese vereinfacht und beschleunigt das Bauen. Eine wichtige, mutige Maßnahme. Solch' einen Pragmatismus würde ich mir häufiger wünschen.
Kritik seitens der Kammer gab es zuletzt vor allem am Haushaltsentwurf der Regierung. War Ihnen der also nicht pragmatisch genug?
Wenn man ohne hohe Neuverschuldung mit dem Geld nicht auskommt, dann sollte vieles von dem, was in dem Entwurf steht, hinterfragt werden: Wo sind die wirklich notwendigen Ausgaben und wo sind die Prioritäten? Eigentlich selbstverständlich.
Wo kann aus Ihrer Sicht gespart werden?
Eine Priorität sollte sein, zu schauen, ob tatsächlich so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kernverwaltung nötig sind. Dort sind in den vergangenen Jahren circa 1200 neue Stellen – ohne Lehrer, Polizisten oder Feuerwehrleute – zusätzlich geschaffen worden. Ein positiver Ansatz: Die Landesbauordnung ist nun so gestaltet, dass sie weniger Kontrollen und damit auch weniger Menschen, die sich damit befassen, notwendig macht. Frei werdende Stellen muss man im Umkehrschluss nicht mehr besetzen und kann so Personal reduzieren. Auch durch die Digitalisierung von wiederkehrenden Vorgängen ließen sich immense Kosten einsparen. Wenn man alles zusammennimmt, gäbe es Einsparpotenzial im dreistelligen Millionenbereich.
Sie wollen, dass Bremen spart. Aber Digitalisierung kostet auch eine Menge Geld...
Erstmal ja, aber auf lange Sicht rentieren sich die Investitionen.
Im Haushalt sind viele Posten enthalten, die auch der Wirtschaft zugutekommen. Nehmen wir nur einmal die massiven Investitionen ins Stahlwerk, die auch vom Bund begleitet werden.
Wir haben in unseren Gremien intensiv diskutiert, ob wir uns positiv gegenüber der Investition des Landes Bremen von 250 Millionen Euro aussprechen. Und wir denken immer noch drüber nach, weil wir gewisse ordnungspolitische Prinzipien haben: Eigentlich wollen wir, dass der Staat die Rahmenbedingungen setzt und nicht lenkt und auch nicht in Form einer Industriepolitik eingreift. Beim Stahlwerke-Betreiber Arcelor-Mittal muss man sich immer wieder – auch nach der Investition – die Frage stellen: Kann der Konzern hier am Standort auch auf Dauer wettbewerbsfähig produzieren? Und diese zentrale Frage lässt sich im Moment aufgrund der energiepolitischen Rahmenbedingungen leider nicht eindeutig beantworten.
Massive Investitionen werden auch für die Kajensanierung in Bremerhaven benötigt.
Zuletzt habe ich eine Summe von 900 Millionen Euro gehört. Diese aus dem laufenden Haushalt zu finanzieren, ist sehr schwer. Andererseits aber zu sagen: "Dann müssen wir das eben über Verschuldung finanzieren", ist mir zu einfach gedacht. Diese Art von Investition erstreckt sich über viele Jahre. Wenn also wirklich ein dreistelliger Millionenbetrag im Haushalt eingespart werden kann, dann könnten die 900 Millionen Euro auch aus Teilen des Haushalts finanziert werden. Und selbstverständlich muss das Land Bremen auch weiterhin intensiv um Bundesmittel werben.
Geht ein Bremer Haushalt ohne Schulden?
Das ist eine schwierige Frage. Man müsste zumindest darauf hinarbeiten, denn die Schuldenbremse ist Bestandteil der Landesverfassung. Und das tut man aus meiner Sicht nicht konsequent genug.
Gerade beim Beispiel Häfenfinanzierung geht es auch um Bundesmittel. Zuletzt ist in den niedersächsischen Häfen viel passiert. Macht unser Nachbarbundesland eine bessere Lobbyarbeit?
Hamburg und Niedersachsen spielen, bei aller Zusammenarbeit mit den bremischen Häfen, ihre Karten geschickt. Wir im Land Bremen – damit meine ich den Bürgermeister, die Häfensenatorin, den Finanzsenator und auch uns als Handelskammer – müssen uns in der Sache auf jeden Fall deutlicher als bisher zu Wort melden. Wir bräuchten dringend ein gemeinsames Gremium, in dem es ausschließlich um Hafeninvestitionen geht und darüber gesprochen wird, wer an welcher Schraube drehen kann. Es geht schließlich um ein gemeinsames Thema: Die Bedeutung der Häfen für das Bundesland Bremen ist immens.