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Bremer Hütte Will Arcelor-Mittal den grünen Stahl?

Der Jubel war groß, als Bundeswirtschaftsminister Habeck den Bremer Stahlarbeitern im Februar das Geld für den Umbau ihrer Hütte zusicherte. Doch es bleiben Zweifel, ob Arcelor-Mittal den Umbau wirklich will.
08.03.2024, 05:00 Uhr
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Will Arcelor-Mittal den grünen Stahl?
Von Christoph Barth

Der Bürgermeister lehnte sich weit aus dem Fenster: Er werde das Geld für den Umbau ihrer Hütte auftreiben, versicherte Andreas Bovenschulte (SPD) vor einem Monat den Bremer Stahlarbeitern – "egal, was passiert". In dieser Woche hat der Bürgermeister "geliefert": Nach drei Verhandlungsrunden mit der CDU-Opposition steht das Geld für die Umrüstung des Arcelor-Mittal-Werks auf die Produktion von "grünem Stahl" bereit. Doch unklar bleibt weiterhin, ob der Hüttenkonzern das Bremer Werk überhaupt umrüsten will. Jüngste Äußerungen von Arcelor-Mittal-Europachef Geert van Poelvoorde haben in der Belegschaft die Zweifel daran wachsen lassen.

In einem Interview mit dem belgischen Wirtschaftsmagazin "Trends" sagte van Poelvoorde kürzlich, der für die Produktion von grünem Stahl benötigte Wasserstoff sei in Europa zu teuer. "Wir werden ihn nicht nutzen können, denn er würde uns komplett aus dem Markt katapultieren", so der Stahlmanager. Um konkurrenzfähig zu bleiben, brauche man für die geplanten Direktreduktionsanlagen Wasserstoffpreise von zwei Euro pro Kilogramm. Zurzeit lägen die Preise bei sechs bis sieben Euro, mit einigen Optimierungen vielleicht bei fünf. Auch Importe seien zu teuer: Die Transportkosten aus Afrika etwa schlügen allein mit 1,50 Euro pro Kilogramm zu Buche.

"Wir nutzen gerne Wasserstoff, aber nur, wenn unsere Öfen wettbewerbsfähig bleiben", so van Poelvoorde. "Es wäre sicherlich absurd, sich Wasserstoff zu beschaffen – aber zu einem so hohen Preis, dass ich damit keinen Stahl mehr produzieren kann."

Staat gibt 1,1 Milliarden dazu

Dass der "grüne", mit Wasserstoff produzierte Stahl teurer werden würde, war allen Beteiligten von Anfang an klar. Deshalb wollen die Regierungen der europäischen Länder, in denen Arcelor-Mittal Stahl produziert, den Bau der neuen Anlagen mit Steuergeldern unterstützen. In Bremen haben Bund und Land 1,1 Milliarden Euro für den Umbau der Hütte zugesagt. Anfang Februar war Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eigens nach Bremen gereist, um sich zusammen mit dem Bürgermeister vor die Stahlarbeiter zu stellen und die gute Nachricht zu verkünden.

Nach den Äußerungen van Poelvoordes wachsen in der Belegschaft jedoch die Zweifel, ob es der Konzern ernst meint mit der grünen Transformation. Auf den Betriebsversammlungen in dieser Woche war das Interview jedenfalls ein großes Thema. Ursprünglich hatte Arcelor-Mittal geplant, für seine europäischen Hüttenwerke drei Direktreduktionsanlagen (DRI) zu beschaffen. Sie sollen die Hochöfen ersetzen, die mit Koks betrieben werden und große Mengen CO2 ausstoßen. Um die Investitionen in die klimafreundliche DRI-Technologie konkurriert das Werk in Bremen mit Arcelor-Mittal-Standorten in Belgien, Frankreich, Spanien und Polen.

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Als führendes Werk in Europa gilt Gent in Belgien. Doch selbst für den Vorzeigestandort des Konzerns steht der Bau einer DRI-Anlage zurzeit infrage. Priorität hätten die Elektrolichtbogenöfen, sagte van Poelvoorde in dem Interview. Diese sollen die Eisenbriketts der DRI-Anlage zusammen mit Schrott zu Stahl einschmelzen. Das Material könne jedoch auch außerhalb Europas produziert und dann eingeführt werden, deutete van Poelvoorde an. Spekuliert wird jetzt darüber, dass der weltweit tätige Arcelor-Mittal-Konzern die Eisenbrikett-Produktion in Länder verlagern könnte, in denen die Energie günstiger ist.

"Die Menge muss deutlich steigen"

Arne Langner, Sprecher von Arcelor-Mittal Deutschland, versicherte, die Planung für den Einsatz der neuen Produktionstechnologie finde weiterhin statt, "so dass die Arcelor-Mittal-Gruppe danach eine Investitionsentscheidung treffen kann". Dabei sei die Versorgung mit erneuerbaren Energien ein wichtiger Faktor. "Damit wir in Zukunft ausreichende Mengen zu wettbewerbsfähigen Preisen haben, müssen Mengen und Verfügbarkeit noch deutlich steigen", so Langner.

Bei der Gewerkschaft IG Metall ist man nicht überrascht von den Äußerungen aus der Arelor-Mittal-Führung. "Das passt zu der Zurückhaltung, die wir seitens des Vorstands hier in Bremen wahrnehmen", sagt Ute Buggeln, Geschäftsführerin der IG Metall Bremen und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Hütte. Als der Bundeswirtschaftsminister die Förderzusage überbrachte, habe der Vorstand bereits angekündigt, die "Feinplanung" des Projekts werde weitere zwölf Monate in Anspruch nehmen. "Das dauert zu lange. Wir geraten gegenüber den Mitbewerbern immer mehr ins Hintertreffen", kritisiert Buggeln.

Das Poelvoorde-Interview sei möglicherweise "auch ein Schachzug gegenüber der Politik", so die Gewerkschaftschefin. "Denn das Problem mit den Energiepreisen besteht ja in der Tat." Die IG Metall fordert seit langem einen günstigen "Brückenstrompreis" für die Stahlindustrie, damit die Produktion nicht in andere Länder verlagert wird. "Wir müssen dem Konzern Argumente geben, die Investition hierher zu holen", so Buggeln. "Sonst beginnt hier der Existenzkampf pur."

Im Senat und in der Wirtschaftsbehörde hält man sich mit einer öffentlichen Bewertung der Äußerungen van Poelvoordes zurück. "Der Senat hat seine Hausaufgaben gemacht, auch die öffentliche Finanzierung steht", stellt Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) klar. "Wir erwarten, dass die Zusage von Arcelor-Mittal, die Planung am Standort in Bremen weiterzuführen, umgesetzt wird.“

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