Um flotte Sprüche ist Viktoria Theoharova von Berufs wegen nicht verlegen: Ihre T-Shirts, Kapuzenpullis und Pullover bedruckt die Bremer Modedesignerin mit dem Bekenntnis „Home is where the Moin is“ oder „Liebe Digga, Liebe“. Mit ihrem Geschäft an der Bischofsnadel und einem schwunghaften Online-Handel gehört Theoharova zu den erfolgreichen Vertreterinnen der Bremer Gründerszene. Doch jetzt sieht sie sich in einen ungleichen Kampf mit einem Weltkonzern verwickelt: dem Online-Versandhändler Amazon.
„Huddy“ heißt der Laden, den Viktoria Theoharova Anfang 2019 eröffnet hat. Ihre T-Shirts und Kapuzenpullis gibt es von der Stange oder maßgeschneidert, auf Wunsch individuell gestaltet nach dem Baukastenprinzip. Ganz billig ist das nicht, trotzdem erfreut sich die Modedesignerin einer treuen Fangemeinde, auch in den sozialen Medien.
An sie hat sie sich mit einem Hilferuf auf Instagram gewandt. Denn vor einem halben Jahr musste Theoharova feststellen, dass bei Amazon ein anderer Modehersteller seine Ware mit dem Aufdruck „Liebe Digga, Liebe“ vertreibt – zwar nicht in den Regenbogenfarben ihres eigenen Labels gestickt, aber mit demselben Wortlaut. Und den hat sie sich als sogenannte Wortmarke beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) in München 2021 schützen lassen. „Wir fanden das so schön norddeutsch, und in der Coronazeit brauchten wir doch alle irgendwie viel Liebe“, erklärt Theoharova. „Ich war natürlich schockiert, als ich entdeckt habe, dass uns das jemand geklaut hat.“
Das Label ist ihr eine Herzensangelegenheit. 19,93 Prozent aus jedem Verkauf gehen an das Obdachlosenprojekt „Tasse“ in Walle, das 1993 gegründet wurde – auch das Jahr, in dem die gebürtige Bulgarin nach Deutschland kam. Kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wurde das Label um eine Variante mit Friedenstaube ergänzt.
Die Modedesignerin sieht sich um die exklusiven Nutzungsrechte an ihrer Marke betrogen. „Es geht mir dabei auch um die generelle Frage, ob man als Start-up-Unternehmen in diesem Land nichts mehr machen kann, weil andere einem einfach die Marke klauen“, sagt sie. Ihr Gegner ist allerdings keine kleine Fälscherwerkstatt, sondern der Internetriese Amazon. Im Dezember hatte der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass Amazon auch für Markenrechtsverletzungen haftbar gemacht werden kann, die andere Anbieter auf seiner Online-Plattform begehen. Geklagt hatte der französische Schuhdesigner Christian Louboutin.
„Natürlich sollte man sich in solchen Fällen immer überlegen, ob man gegen den Anbieter direkt oder gegen Amazon vorgeht“, empfiehlt Lieselotte Riegger, Geschäftsführerin des Bremer Patent- und Markenzentrums Innowi, das Unternehmen in Schutzrechtsfragen berät. Markenrechtsverletzungen kämen sehr häufig vor – auch unwissentlich, weil sich Existenzgründer nicht darüber informierten, ob ihre Idee schon ein anderer hatte. Schätzungen zufolge verstoßen sieben Prozent der weltweit gehandelten Waren gegen Patent- oder Markenrechte. „Ich kann wirklich nur empfehlen, sich da beraten zu lassen“, so Riegger.
Komplexe Rechtsfragen
Ohne Anwalt geht dabei in den meisten Fällen nichts. Denn das Patent- und Markenrecht ist kompliziert. So verlor im vergangenen Jahr ein Frankfurter Gastronom gegen den Sportartikelhersteller Puma. Der Gastronom verkaufte Hoodies mit dem Aufdruck „Blessed“ (Gesegnet), die er sich als Wort-Bild-Marke hatte schützen lassen. Puma seinerseits legte eine Kollektion mit dem brasilianischen Fußballstar Neymar als Werbeträger auf, die ebenfalls den Aufdruck „Blessed“ nutzt, allerdings in einem anderen Design. Das Oberlandesgericht Frankfurt urteilte, dass „insbesondere Wörter der deutschen Sprache, einer geläufigen Fremdsprache oder sogenannte Fun-Sprüche auch lediglich als dekorative Elemente aufgefasst werden“ könnten und somit nicht geschützt seien.
Ähnlich argumentiert Amazon im Fall „Liebe Digga, Liebe“: Der Spruch komme aus der Jugendsprache und sei Deko, keine Marke. Auf Nachfrage des WESER-KURIER teilte Amazon mit, man äußere sich grundsätzlich nicht zu laufenden Verfahren. Viktoria Theoharova ist davon überzeugt, dass sie sich mit dem Eintrag im Markenregister genau diese Wortfolge hat schützen lassen – und bekam im ersten Anlauf vor Gericht recht: Ende November erließ das Landgericht Frankfurt eine einstweilige Verfügung, die Amazon die Nutzung der Wortmarke untersagte, bestätigte ein Gerichtssprecher. Der Konzern legte Widerspruch ein.
Viktoria Theoharova bleibt also einstweilen nur die Ungewissheit. „Es ist, als schwebte die ganze Zeit eine schwarze Wolke über einem“, sagt sie. Der Fall wird am 21. April vor der 10. Kammer für Handelssachen am Frankfurter Landgericht verhandelt.