Die Landwirtschaft ist seit Jahrzehnten ein krisenhaftes Geschäft. Jedes Jahr sterben in Deutschland Tausende Bauernhöfe, unter anderem weil der Einzelhandel die Preise für Lebensmittel möglichst niedrig hält. Um die 22 Cent sind es noch, die Landwirte anteilig an einem Euro bekommen, den die Verbraucher im Handel für deren Produkte ausgeben. Hier liegt der Ansatz des Bremer Startups "Friedhold", das die Brüder Moritz und Carl Armbrust 2019 gegründet haben.
„Wir wollen dafür sorgen, dass Landwirte wieder unabhängiger vom Handel werden und mehr Geld verdienen“, sagt Moritz Armbrust in einem Erklärvideo auf der Homepage des Unternehmens. Dahinter steckt die Idee der Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte über das Internet. „Immer mehr Menschen wollen regional kaufen, viele Landwirte wissen aber nicht, wie sie ihre Kunden direkt erreichen können“, erklärt der Jungunternehmer.
Deshalb haben er und sein Bruder Carl einen Online-Hofladen entwickelt, der einen normalen, stationären Hofladen nachahmen soll. Über den Button „Hofladen erstellen“ auf der Homepage registriert man sich und gibt die Produkte ein, die man verkaufen will: Fleisch, Kartoffeln, Eier, Brot. Nur zehn Minuten soll das laut "Friedhold" dauern. Fünf Prozent des Nettoumsatzes aus den verkauften Produkten behält das Unternehmen. Weitere Kosten gibt es nicht. „Wir schlagen die Brücke zwischen Landwirten und Kunden. Bei uns Ware zu ordern, soll so einfach werden, wie ein Buch online zu bestellen“, formuliert Moritz Armbrust den Anspruch des Unternehmens.
Rund 200 Landwirte vermarkten ihre Produkte über Friedhold
Knapp 200 Landwirte vermarkten aktuell ihre Produkte regelmäßig online über "Friedhold". Der Name geht auf den Großvater der Brüder, Friedhold Armbrust, zurück, der selber bis in die 1980er Jahre einen Hof hatte und dann auf den Bau von Frontlader-Schaufeln für die Landwirtschaft umsattelte.
Ein Treffen mit Carl Armbrust von Friedhold und Landwirt Jan Geerken auf dessen Hof im Blockland. Tech-Unternehmer trifft Landwirt, eine Zusammenarbeit, die erstmal ungewöhnlich wirkt, aber für beide Seiten fruchtbar sein kann und vielleicht die Zukunft der Landwirtschaft prägen wird. 190 Angusrinder hat Geerken auf seinem Hof in Bio-Haltung. Nach dem Studium der Landwirtschaft in Osnabrück ist er 2019 auf den elterlichen Hof zurückgekehrt und hat den Betrieb von Milchwirtschaft auf Rinderzucht umgestellt. Er betreibt einen stationären, klassischen Hofladen und seit etwa drei Jahren verkauft er sein Rindfleisch und einige andere Produkte auch über "Friedhold".
„60 bis 70 Prozent der Umsätze mache ich über Friedhold“, sagt Geerken, 28 Jahre jung, Baseball-Cap, rötlicher Vollbart. 800 bis 900 Kunden sind im Verteiler seines Betriebes namens „hemmlisch“. Das Firmenlogo mit dem Namen, der auf die ehemalige Ortschaft Hemm und die Findorffer Hemmstraße zurückgeht, trägt er auf seiner Flanelljacke. Über dem Schriftzug schwebt ein blaues Wölkchen, darunter sattes Weidengrün.
Bauernidylle wie vor hundert Jahren? Wohl kaum. Das Tablet im Stall, E-Commerce und Social-Media-Vermarktung sind sicherlich nicht für jeden Landwirt geeignet. Aber kann ein Unternehmen wie "Friedhold" zumindest etwas dazu beitragen, dass die Landwirtschaft wieder nachhaltiger, „grüner“ und auch rentabler wird?
Beim Interview in der Küche des alten Bauernhauses der Familie sagt Jan Geerken, dass man mit der Direktvermarktung in echten und virtuellen Hofläden schon ein wenig zur ursprünglichen Form der Landwirtschaft zurückkehren könne. „Wir können einen großen Teil dessen, was wir produzieren, auch vermarkten“, betont er. Keine Selbstverständlichkeit angesichts von hohen Produktionsüberschüssen auf deutschen Höfen gerade bei Fleisch, Milch und Kartoffeln. Erst durch den Einzelhandel sei der Bauer zum reinen Produzenten geworden und war kein direkter Verkäufer mehr, erklärt Geerken. „Die Landwirtschaft hat sich zu sehr darauf reduziert, nur zu produzieren“. So sei man zum reinen Preisnehmer geworden.
Auch in Bremen ist die Anzahl der Bauernhöfe seit Mitte der 1970er Jahre von gut 700 auf 150 gesunken, Tendenz weiter fallend. „Dagegen wollen wir angehen. Wir wollen, dass kleine Höfe wirtschaftlicher arbeiten können, in einer Zeit, in der ja viele Menschen nachhaltiger leben wollen“, sagt Carl Armbrust.
Bei "Friedhold" ist es keine festgeschriebene Bedingung für die Landwirte, nach Bio-Kriterien zu produzieren. „Aber wir versuchen schon sie davon zu überzeugen. Denn konventionelles Fleisch kriegen die Verbraucher auch im Supermarkt, aber für weniger Geld“, erklärt der Unternehmensgründer.
Um einen bewussteren Fleischkonsum bei den Menschen zu bewirken, setzt man im Verkaufssystem von "Friedhold" auf das Prinzip der Verknappung. „Wenn jemand etwas in den Warenkorb legt, wird das für alle anderen User ebenfalls angezeigt“, erklärt Armbrust. Ein Balken auf der Friedhold-Webseite des Landwirts zeigt die schwindende Menge an. „Im Idealfall ist Fleisch eben nicht immer erhältlich“, sagt Carl Armbrust ganz offen.
30.0000 Besucher sind im Schnitt monatlich auf den Friedhold-Seiten der Landwirte. „Was man auf unserer Website sieht, ist nur die Spitze des Eisberges, darunter verbirgt sich noch viel mehr“, erläutert Armbrust. Ein Kunden- und Warenmanagementsystem, Marketing- und Statistik-Tools für die Auswertungen von Besucherzahlen und Kaufquoten, von Neukunden oder Bewertungen. „Dadurch können wir klar sagen, was wann und wie verkauft wurde“.
Ziel des Start-ups sind 300 regionale Neukunden pro Landwirt im Jahr. So könnten auch die Verbraucher ihren Teil zum Tierwohl und zur nachhaltigen Landwirtschaft beitragen. Und dazu, dass nicht noch mehr Bauernhöfe sterben müssen.