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Debatte in der Bürgerschaft Stahlgipfel – worum es für Bremen dabei geht

Die Stahlindustrie steckt in der Krise. Nun soll ein Stahlgipfel im Bundeskanzleramt die Probleme lösen. Worum es dabei für Bremen geht.
10.09.2025, 17:19 Uhr
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Stahlgipfel – worum es für Bremen dabei geht
Von Christoph Barth

Die Probleme der Stahl- und der Autoindustrie sollen zur Chefsache werden: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will beide Branchen in den kommenden Wochen nacheinander zum Gipfeltreffen ins Kanzleramt laden. "Die Lage ist ernst genug", meint Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD), der ein solches Treffen bereits mehrfach gefordert hat. In der Stadt hängen mehr als 20.000 Arbeitsplätze an der Stahl- und Autoproduktion – und beide Branchen stecken in der Krise.

Hohe Energiekosten in Deutschland

Während die Produktion im Bremer Mercedes-Werk noch weitgehend unberührt von den Absatzproblemen der Autoindustrie auf vollen Touren läuft, sind die Sorgen der Hüttenwerker von Arcelor-Mittal deutlich größer. Im Juni hatte sich die Leitung des internationalen Stahlkonzerns entschieden, die geplante Modernisierung der Bremer Hütte vorerst abzublasen. Für die Umrüstung der Produktion auf "grünen Stahl", der weitgehend klimaneutral hergestellt werden soll, wollten Bund und Land rund eine Milliarde Euro an Fördermitteln dazugeben. Doch selbst die massive Staatshilfe konnte Arcelor-Mittal nicht von der Wirtschaftlichkeit der Maßnahme überzeugen.

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Der Konzern beklagt vor allem die hohen Energiekosten in Deutschland. Weil Arcelor-Mittal Hüttenwerke in der ganzen Welt betreibt, haben die Stahlmanager eine gute Übersicht über die Strom- und Gaspreise. Anders als bei Thyssen-Krupp, Salzgitter und Saarstahl, die nur in Deutschland produzieren, habe die Bremer Hütte hier also sogar innerhalb des eigenen Konzerns einen Wettbewerbsnachteil, stellte Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde der Bürgerschaft fest. Während die Industrie in Deutschland 16 bis 18 Cent pro Kilowattstunde zahle, liege der Preis in den USA nur bei acht Cent. "So werden die Werke dort profitabel, obwohl sie eigentlich teurer produzieren als in Bremen", rechnete die Senatorin vor.

Stahl und Automobilbau stehen seit Jahrzehnten für den Industriestandort Bremen. Diese industrielle Basis müssen wir hegen und pflegen.
Andreas Bovenschulte, Bürgermeister

Thema Nummer eins auf dem geplanten Stahlgipfel also: ein vergünstigter Industriestrompreis. "Es ist einiges gemacht worden, aber wir sind da noch nicht auf einem konkurrenzfähigen Niveau", stellte Bürgermeister Bovenschulte fest, der das Thema in Bremen zur Chefsache gemacht hat. Den Unternehmen aus der Stahl- und Chemieindustrie, die "in einem extrem scharfen internationalen Wettbewerb stehen und bei denen die Stromkosten einen hohen Anteil an der Wertschöpfung ausmachen", müsse vorübergehend mit einem vergünstigten Strompreis geholfen werden, so seine Forderung.

Thema Nummer zwei: die hohen Importe von deutlich billigerem Stahl, vor allem aus China. Die europäische Stahlindustrie beklagt, dass ein Drittel des hierzulande verkauften Stahls importiert werde. Während die USA ihren Markt konsequent abschotten würden, lande ein großer Teil der weltweiten Überproduktion in Europa, oft zu Billigpreisen. Die Industrie fordert eine Halbierung der Stahlimporte nach Europa.

Autoindustrie hat andere Interessen

An dieser Stelle gehen die Interessen der Stahl- und der Autoindustrie deutlich auseinander, weshalb die Bundesregierung nicht umsonst zu zwei getrennten Veranstaltungen einladen hat. Denn die Autobauer profitieren durchaus von den preisgünstigen Stahlimporten aus Fernost und sind deshalb gegen eine Beschränkung der Einfuhren. "Es wird eine hohe Kunst sein, diese verschiedenen Interessen zusammenzubringen", bemerkte der grüne Abgeordnete Emanuel Herold in der Bürgerschaftsdebatte.

Der grüne Wirtschaftsexperte war es auch, der ein mögliches Zukunftsszenario für die Bremer Stahlkocher skizzierte, wie es von einigen Experten und Brancheninsidern bereits diskutiert wird: Energieintensive Vorprodukte wie das bislang im Hochofen gewonnene Roheisen könnten künftig in Form von Eisenschwamm importiert werden; in Bremen würde das Material dann weiterverarbeitet – bis hin zum fertig verzinkten Blech für die Autoindustrie. Um möglichst viele Arbeitsschritte in Bremen zu behalten, wäre jedoch auch in diesem Szenario ein günstiger Strompreis unerlässlich: Ein Elektrolichtbogenofen, in dem der Eisenschwamm zu hochwertigem Stahl veredelt wird, hat den Stromverbrauch einer mittleren Kleinstadt.

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