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Siemens-Turbinenfabrik in Cuxhaven Das Vorbild an der Elbe

Der Windenergie-Standort Cuxhaven steuert ohne Zweifel auf eine erfolgreiche Zukunft zu. Der Erfolg hängt vor allem mit einem Namen zusammen: Siemens.
08.02.2017, 16:04 Uhr
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Das Vorbild an der Elbe
Von Maren Beneke

Der Windenergie-Standort Cuxhaven steuert ohne Zweifel auf eine erfolgreiche Zukunft zu. Der Erfolg hängt vor allem mit einem Namen zusammen: Siemens.

Zunächst einmal war da ein großes Nichts. Viel freie Fläche, ein bisschen Rasen, später dann noch Sand und Schotter. Mit diesem Nichts beginnt sie, die Erfolgsgeschichte. Hier, auf einer Brachfläche direkt an der Hafenkante, baut der Münchner Technologiekonzern seine Fabrik. Schon in diesem Jahr soll das Werk seinen Betrieb aufnehmen und hier Sieben-Megawatt-Turbinen produzieren. Etwa 1000 Menschen werden dann auf dem Werkgelände arbeiten, viele weitere Jobs dürften bei Zulieferern entstehen, die sich rund um die Fabrik ansiedeln.

Für Cuxhaven war es ein großartiger Tag, als Siemens seine Entscheidung im August 2015 öffentlich machte. Im 40 Kilometer entfernten Bremerhaven war die Enttäuschung dagegen groß. Dort hatte man sich ebenfalls Hoffnungen gemacht, die Münchner überzeugen zu können – aber ohne Infrastruktur kein Siemens.

Dabei waren die Voraussetzungen an beiden Standorten noch zu Beginn der 2000er-Jahre ganz ähnlich: Jahrelang hatten Cuxhaven und Bremerhaven unter dem Niedergang der Hochseefischerei und dem Sterben der Werften gelitten. Die Folge waren Arbeitslosenquoten im zweistelligen Bereich. Alle Hoffnungen wurden auf die Jobmaschine Windkraft gesetzt, der Wettkampf zwischen den Standorten war eröffnet.

Zunächst sah es so aus, als könnte Bremerhaven seinen Vorsprung ausbauen. Mit Repower (heute Senvion), Weserwind und Areva hatten sich drei große Windanlagenbauer in der Seestadt angesiedelt. Dazu kamen ein Institut der Fraunhofer-Gesellschaft, die Interessensvertretung WAB – und natürlich die Pläne für den Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB).

Parallel entstand in Cuxhaven ein „Masterplan Offshore“. Die niedersächsische Landesregierung nahm viel Geld in die Hand, investierte in ein Offshore-Competence-Centrum (OCC) und ließ einen Teil des Hafens zum Schwerlastterminal umbauen. Bis 2012 gaben der öffentliche Sektor und die Privatwirtschaft gut 450 Millionen Euro für neue Terminals und die angeschlossenen Gewerbeflächen aus.

Was dann folgte, war eine Hiobsbotschaft nach der anderen: Wegen fehlender Anschlussaufträge schloss der in Cuxhaven ansässige Fundamente-Hersteller Bard 2013 seine Fertigung; im selben Jahr kippte Strabag seine Pläne für den Bau eines 300 Millionen Euro teuren Werks für Spezialschiffe und Stahlfundamente. Cuxhaven hatte zwar einen ausgebauten Umschlaghafen für die Offshore-Windindustrie, aber kaum noch große Unternehmen aus der Branche, die diesen auch nutzen wollten.

Doch in der Stadt an der Elbmündung ließ man sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Politiker und Wirtschaftsförderer arbeiteten unermüdlich, führten zahllose Gespräche – und überzeugten Siemens von den Qualitäten des Standorts.

Und nun rollen die Bagger, dort auf dem Gelände an der Hafenkante. Und nicht nur da: Zeitgleich hat der Hafenbetreiber Niedersachsenports den Bau an Liegeplatz 9.3 begonnen. Dort entsteht unter anderem eine Rampe für die Abwicklung von Schwerlasten. An Liegeplatz 4 gibt es demnächst einen Multi-Purpose-Hafen, der ebenfalls für die Offshore-Windindustrie genutzt werden kann. Und die Vorbereitungen für weitere Liegeplätze laufen: Bis Ende des Jahres will Cuxhaven eine Kajenlänge von 2,2 Kilometern Länge erreicht haben. Zum Vergleich: Allein das Container-Terminal in Bremerhaven ist knapp fünf Kilometer lang.

Siemens investiert nach eigenen Angaben 200 Millionen Euro in seine erste deutsche Offshore-Produktionsstätte. Das Land Niedersachsen beteiligt sich mit einem zusätzlichen zweistelligen Millionenbetrag. Der Auftragsbestand von Siemens sieht vor, so hat es das Bremer Marktforschungsinstitut Windresearch berechnet, dass in den kommenden Jahren über Cuxhaven mehr als 600 Anlagen ausgeliefert werden. Dann wird die Stadt Deutschlands größter Offshore-Standort sein.

Doch damit nicht genug: Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) hatte im Oktober angekündigt, den Ausbau Cuxhavens konsequent vorantreiben zu wollen. „Wir in Niedersachsen konzentrieren uns darauf, das Deutsche Offshore-Industrie-Zentrum in Cuxhaven so attraktiv wie möglich zu gestalten“, sagte er im Gespräch mit der „Nordsee-Zeitung“. „Deswegen müssen wir natürlich auch Umschlagkapazitäten schaffen.“ Den Ausbau in Cuxhaven zu bremsen, weil möglicherweise anderswo Entwicklungen stattfänden, sagte er mit Hinblick auf die Konkurrenz in Bremerhaven, „das können wir nun wirklich nicht machen“.

Welche Dimension eine Ansiedlung in der Größenordnung von Siemens für einen Standort wie Cuxhaven in Zukunft mit sich bringt, das lässt sich derzeit nur erahnen. Die Agentur für Wirtschaftsförderung beziffert die Jobs, die mit der Offshore-Windindustrie zusammenhängen, auf aktuell 300. Nach ihren Berechnungen könnten es einmal 1700 sein. In Bremerhaven gab es zuletzt eine umgekehrte Entwicklung: Noch vor einigen Jahren waren hier 4000 Beschäftigte für Betriebe der Branche tätig, derzeit sind es noch etwa 1700.

Tatsächlich hat das Siemens-Werk seine Sogwirkung bereits entfaltet: Im April hatte der Fundamente-Hersteller Ambau angekündigt, seine Produktion komplett von Bremen nach Cuxhaven zu verlagern. Und auch die ersten Zulieferer-Unternehmen der neuen Fabrik stehen fest: Der Bremer Logistiker Stute wird die Werklogistik für Siemens übernehmen und am Standort einhundert neue Stellen schaffen. Ebenso hatte der dänische Metallbetrieb Nordmark angekündigt, sich in Cuxhaven ansiedeln zu wollen. Die Firma will die Naben für die Windturbinen bearbeiten.

Ende November gab es in Cuxhaven wieder etwas zu feiern: Zum Richtfest der Siemens-Fabrik erschien allerlei Politprominenz, aus Hannover reiste Wirtschaftsstaatssekretärin Daniela Behrens (SPD) an. Sie wollte sich versichern, dass es vorangeht in Cuxhaven. Mittlerweile ist ein Großteil des Ständerbauwerks fertig, eine Infotafel informiert Besucher über den Fortgang auf der Baustelle. Dort, wo noch vor kurzer Zeit nicht mehr war als ein bisschen Rasen auf viel freier Fläche – und demnächst das Zentrum der deutschen Offshore-Industrie sein wird.

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