Der Weihnachtsmann trägt heute gelb, zumindest meistens. Und er fährt Auto. Denn anno 2017 wird das Fest versandt und die Bescherung geliefert. Ob das in allen Fällen rechtzeitig gelingt, ist nicht längst sicher, auch in Bremen nicht. Pauschale Prognosen? Nicht in diesem Jahr, nicht zu diesem Fest. Nein, sagt Maike Wintjen, Garantien könne sie nicht auszusprechen. Die für Bremen zuständige Regionalsprecherin der Deutsche Post DHL Group sagt: „Ich kann nicht ausschließen, dass es Pakete nicht bis zum Fest schaffen.“
Nicht für jedes einzelne Bremer Paket könne sie eine vollkommen verlässliche Aussage treffen, sagt Wintjen. Das liegt natürlich in der Natur der Sache. Wer erst ein, zwei Tage vor Heiligabend im Netz bestellt, wird seine Geschenke in vielen Fällen wohl nicht unter den Baum legen können. Das war schon vor fünf Jahren so, und das wird auch in diesem Jahr so sein. Und doch ist etwas anders im Jahr 2017. Womöglich könnten auch Bremer leer ausgehen, deren Pakete schon seit einer Weile unterwegs sind. Das hat verschiedene Gründe.
Zweimal streikten die DHL-Zusteller in der Vorweihnachtszeit, zuletzt am 6. Dezember. Zweimal blieben etwa 15.000 Pakete in den beiden Bremer Depots des Subunternehmens DHL Delivery liegen. „An diesen beiden Tagen haben sich Pakete angestaut, die abgearbeitet werden mussten“, sagt Wintjen. Auch der Alarm, den das verdächtige Paket in Bremen-Vegesack ausgelöst hatte, habe für Verzögerungen gesorgt.
„Und obendrein haben wir einen Krankenstand, der so nicht vorsehbar war“, sagt Wintjen. Dabei sind die Gründe für die Bremer Bescherung im Wartestand nur kleine Teile eines großen Bildes. Das große Bild zeigt nicht nur ein Lieferunternehmen, es beschränkt sich nicht auf Bremen. Das große Bild zeigt: zu wenige Fahrer, zu viele Pakete, bundesweit. In ganz Deutschland steigt die Zahl der Pakete rasant. Immer mehr Geschenke werden online bestellt und von einem der fünf großen Paketzustelldienste an der Haustür abgeliefert.
Nicht mehr als der gesetzliche Mindestlohn
Für das diesjährige Weihnachtsgeschäft rechnet der Bundesverband Paket & Express Logistik (BIEK) mit einem Umsatzplus von etwa zehn Prozent im Vergleich zum Advent 2016. Die Zahl der Sendungen wird von 260 auf 290 Millionen zunehmen, an manchen Tagen erreichen bis zu 15 Millionen Pakete und Päckchen ihre Adressaten. Für die Kunden ist der Onlinekauf bequem. Für die Beschäftigten der Lieferanten ist der Advent die stressigste Zeit des Jahres.
Beim Weihnachtsmann im Lieferwagen handelt es sich oft um eine Arbeitskraft, die fürs Schleppen, Treppensteigen und fürs freundliche Lächeln an der Haustür nicht mehr als den gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde erhält. Nur die Post und ihr Logistikunternehmen DHL sowie der US-Zusteller UPS beschäftigen vorwiegend eigene Paketauslieferer und bezahlen diese nach Haustarifvertrag oder dem geltenden Branchenflächentarifvertrag. Die Stundenlöhne liegen, je nach Tarifbezirk und Eingruppierung, zwischen knapp elf und 19 Euro.
Der niedersächsische Flächentarif, über den aktuell gestritten wird und der auch für die Bremer DHL-Zusteller gilt, gehört zu den niedrigsten Tarifen. Bei Hermes und DPD gibt es zwar auch Betriebsräte und Tariflöhne – allerdings nicht für die Paketzusteller, wie die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisiert. „Diese beiden Unternehmen beschäftigen keine eigenen Zusteller, sondern beauftragen Sub- und Subsubunternehmen mit der Auslieferung“, sagt Verdi-Logistikexpertin Sigrun Rauch.
Diese Subunternehmen zahlten zumeist keine Tariflöhne, sondern eben nur das gesetzlich vorgeschriebene Minimum von 8,84 Euro pro Stunde. Auch an andere tarifvertragliche Regelungen – etwa zum Urlaubsgeld oder zur Vergütung von Überstunden – seien diese Subunternehmen nicht gebunden. Als „schwarzes Schaf“ der Branche bezeichnet Rauch die GLS.
Zu der Tochter der britischen Royal Mail existierten „keinerlei funktionierende Sozialbeziehungen“, auch ein Gesamtbetriebstrat fehle in dem Unternehmen. Hinzu kommen Missstände, wie sie aus der Fleischbranche bekannt sind: Oftmals in Osteuropa rekrutierte Auslieferer werden über verschachtelte Subunternehmerketten zu untragbaren Bedingungen beschäftigt.
Experimente mit autonomen Zustellfahrzeugen
Sie erhalten weniger als den Mindestlohn, sind zu überhöhten Mieten in Notunterkünften untergebracht, sind als Scheinselbstständige tätig, müssen Teile des Arbeitslohns an Auftraggeber in ihren Herkunftsländern abliefern – und trauen sich nicht, gegen solche ungesetzlichen Methoden vorzugehen. DPD-Chef Boris Winkelmann hat kürzlich mit einem Vorschlag für Aufregung gesorgt: Er will die letzte Meile verkürzen – um die Lärm- und Abgasbelastung durch die Lieferanten zu verringern.
Die Sendungen sollen in Paketshops zum Abholen deponiert werden. Die Lieferung nach Hause soll nur noch gegen Aufpreis möglich sein. Auch Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Einzelhändler-Dachverbandes HDE, argumentiert so. Zustell- und Abholkonzepte müssten weiterentwickelt werden. Etwa mit besagten Abholstationen, die von den Paketdiensten gemeinsam betrieben werden.
Die letzte Meile könnten womöglich bald kleine Roboterautos erledigen, die über die Gehsteige rollen. Experimente mit autonomen Zustellfahrzeugen auf sechs Rädern laufen bereits. Eine Alternative könnten auch Zustelldrohnen werden. Schon jetzt werden die Maschinen im britischen Cambridge getestet. Auch von Amazon. Der Konzern will die Belieferung massiv beschleunigen.