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Statt Folie und Papier Discounter prägt sein Bio-Gemüse mit Laser

Nach Rewe beginnt nun auch Netto, das Bio-Gemüse per Laser mit einem Label zu versehen. Warum das nicht nur Verpackungsmüll einspart, sondern auch Kunden mit krimineller Energie abschreckt.
14.05.2018, 19:51 Uhr
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Discounter prägt sein Bio-Gemüse mit Laser
Von Florian Schwiegershausen

Es ist nur einige Wochen her, da hat im Internet eine Anfrage an Aldi Süd auf Facebook für Aufruhr gesorgt. Die Kundin fragte, warum einige ihrer beim Discounter gekauften Heidelbeeren eine Nummer trügen. Die Früchte hatte sie bei Aldi in Köln gekauft. Da war selbst Aldi überfragt. Ein anderer Kunde konnte die Sache aber aufklären: „Die Verpackung der Heidelbeeren wird mit einem Laser beschriftet. Und manchmal bekommen die Früchte etwas davon ab, ist aber ungiftig und kann bedenkenlos verzehrt werden.“

Und weil es ungiftig sein soll, lassen es einige Supermarkt-Ketten gleich mit der Verpackung sein und lasern die Ware direkt. Aktuellstes Beispiel ist der Discounter Netto. Bei dem tragen die Bio-Gurken und der Bio-Ingwer ab sofort ein Tattoo. Nach Angaben von Netto spart das Unternehmen dadurch pro Jahr mehr als 50 Tonnen an Verpackung. Die Discounter-Kette, die eine Unternehmenstochter von Edeka ist, testet das sogenannte „Smart-Labeling-Verfahren“ aktuell in Teilen Bayerns auch mit Honigmelonen. Netto-Sprecherin Christina Stylianou sagte dem WESER-KURIER: „Weitere Tests dieser nachhaltigen Kennzeichnung von sowohl biologisch als auch konventionell erzeugten Obst- und Gemüseprodukten werden folgen.“

"Natural Branding" ist ungefährlich

Die Supermarktkette Rewe hat bereits vor einem Jahr mit ersten Tests begonnen. Für das Pilotprojekt wurden damals Avocados und Süßkartoffeln per Laser bedruckt. Rewe spricht vom „natürlichen“ Labeling – oder auch auf Englisch von "Natural Branding". Damit soll dem Verbraucher klar gemacht werden, dass diese Art des Tattoos ungefährlich ist. "Ohne den Einsatz von Plastik, Papier, Farben oder Klebstoff, sondern mit einem gebündelten Lichtstrahl können die Produkte mit einem Logo und weiteren Informationen versehen werden", erläuterte dies das Unternehmen. Das funktioniert so: Es werden lediglich Pigmente der äußersten Schalenschicht abgetragen. Das Labeling findet Rewe zufolge nur an der Oberfläche statt, ist völlig kontaktlos und hat keinen Einfluss auf Geschmack und Qualität. Daher eigne sich die Technik sowohl für Früchte, bei denen die Schale entfernt wird, als auch bei Früchten, bei denen sie mitgegessen wird.

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Der aktuelle Testbetrieb von Rewe in ausgesuchten Filialen in Nordrhein-Westfalen läuft auch mit Wassermelonen. Die bisherigen Ergebnisse zeigten, dass das Lasern nicht für jedes Obst oder Gemüse funktioniert. Rewe-Sprecherin Kristina Schütz sagte: "Bei manchen Produkten wirkt sich das Branding auf die Haltbarkeit aus, sodass eine Fortführung keinen Sinn macht." Für die Süßkartoffeln werde Rewe das Branding jedoch schrittweise auf weitere Regionen in Deutschland ausweiten. "Bei den Süßkartoffeln ist die Beschaffenheit der Schale optimal für das Natural Labeling." Allein durch den Verzicht von Verpackungen bei Süßkartoffeln spare Rewe pro Jahr eine Tonne Plastik und sechs Tonnen Papier ein.

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Schütz ergänzte: "Das ,natürliche' Labeling von Bio-Obst und Bio-Gemüse kann in der Tat Umverpackungen überflüssig machen, die lediglich dazu dienen, Verwechslungen zwischen Bio- und konventioneller Ware zu vermeiden." Denn neben dem Umweltaspekt gibt es für die Supermärkte und Discounter einen weiteren wichtigen Grund für die Kennzeichnung: die Unverwechselbarkeit der Ware. Wo Bio-Gemüse bisher Aufkleber getragen hat, hat der Laser das Bio-Label nun auf die Gurke gebrannt. Das lässt sich nicht abmachen. Denn auch damit haben die Supermarkt-Ketten zu kämpfen, reden aber nicht so gern darüber: Es soll Kunden geben, die während des Einkaufs heimlich die Bio-Aufkleber oder die Bio-Verpackung entfernen, um an der Kasse den günstigeren Preis für das herkömmliche Produkt zu zahlen. Wenn eine Bio-Gurke 99 Cent kostet, die herkömmliche Gurke aber nur die Hälfte, ist klar, welcher Schaden für die Supermarkt-Ketten dadurch entstehen kann. Rechtlich gesehen wäre das Betrug – aber erst, nachdem der Kunde die Ware erworben hat, denn vorher ist er ja noch nicht Eigentümer.

Kunden mit krimineller Energie

In der Vergangenheit gab es mal einen konkreten Fall, ebenfalls in Köln, bei dem ein Rentner bei einem Netto-Markt Hausverbot bekommen hatte, weil er vor dem Bezahlen die Umverpackung bei den Bio-Bananen entfernt hatte. Diese waren dann nicht mehr als Bio-Bananen zu erkennen. Da dem älteren Herren eine Mutwilligkeit nicht nachzuweisen war, durfte er am Ende doch weiterhin bei seinem bevorzugten Discounter einkaufen.

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Laut Rewe-Sprecherin Schütz will das Unternehmen während der Saisonplanung zukünftig regelmäßig alle Obst- und Gemüsesorten auf Natural-Branding-Fähigkeit prüfen, und wo es entlang der Lieferkette sinnvoll erscheint, testen und dann umstellen. "Dies wird einige Zeit in Anspruch nehmen", so Schütz.

Wer sich mit Logos auf Äpfeln bereits seit Jahren eine Nische gefunden hat, ist der Obstbauer Hein Lühs in Jork im Alten Land. Der Name "Herzapfelhof" für sein Anwesen stammt von seinen Äpfeln, die mit Hilfe von Schablonen seit mehr als 30 Jahren ein Herz tragen. Einige Wochen, noch bevor die Äpfel ihre Farbe erhalten, bringt Lühs per Schablone das Herz auf den Äpfeln an. Dort, wo kein Licht auf den Apfel kommt, bleibt er hell. Die Technik präsentierte Lühs zum ersten Mal vor 15 Jahren. Die Äpfel mit Herz sind vor allem bei Firmen beliebt, die ihren Kunden ein gesundes Werbegeschenk geben wollen.

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Für die Supermarktketten soll das Branding dagegen ein nächster Schritt sein, um weitere Verpackungen zu vermeiden. Dass sie in Zukunft auf Einweg-Plastiktüten verzichten wollen, hatten sie ja bereits im vergangenen Jahr mitgeteilt. So soll beispielsweise auch bei Aldi bis Jahresende die herkömmliche Plastiktüte aus den Märkten verschwinden. Die neuen Mehrwegtaschen sollen langlebiger sein und zu mehr als 80 Prozent aus Recycling-Material bestehen. Wer allerdings in diverse Aldi-Märkte in Bremen und umzu guckt, findet dort immer noch die herkömmliche Plastiktüte. Aber bis zum Jahresende sind es ja noch mehr als sieben Monate – Zeit genug, bis die alten Vorräte verkauft sind.

Mitarbeiter müssen in Zukunft genauer hinschauen

Und die Mitarbeiter in den Netto- und den Rewe-Märkten müssen sich nun daran gewöhnen, dass die Bio-Produkte nicht mehr die herkömmliche Verpackung haben. Beim Testkauf in einer Bremer Netto-Filiale wurde das deutlich. Die Verkäuferin bongte dort auf die Schnelle die Bio-Gurke als gewöhnliche Gurke ein – denn das Label auf der Rückseite nahm sie nicht wahr. In Zukunft müssen sie bei Gurke und Ingwer genauer hinschauen.

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