Um die Folgen der Pandemie einzudämmen, sollen Geschäfte künftig auch ohne Auflagen am Sonntag öffnen dürfen. Das wünscht sich der Handelsverband HDE. „Kurzfristig sollte es gerade mit dem Blick auf einen kraftvollen Neustart nach der Pandemie allen Einzelhändlern offenstehen, zumindest die restlichen Sonntage in diesem Jahr ihre Türen für alle Kunden zu öffnen“, fordert HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)“. Für die Händler sei das eine Chance, „wenigstens ein bisschen des während der Lockdowns verlorenen Umsatzes nachzuholen“.
Unterstützung bekommt Genth unter anderem vom Shoppingcenter-Betreiber Dodenhof in Posthausen. Eine Sprecherin sagte auf Nachfrage: „Eine Liberalisierung der verkaufsoffenen Sonntage würden wir für dieses Jahr ausdrücklich begrüßen, um den entstandenen Umsatzausfall aus vielen Monaten der Pandemie zumindest ein Stück weit kompensieren zu können.“
Welche Effekte eine regelmäßige Sonntagsöffnung haben könnte, rechnet HDE-Chef Genth in der „FAZ“ vor. Demnach könnten an einem geöffneten Sonntag im Einzelhandel bundesweit rund eine Milliarde Euro Umsatz erzielt werden. „Natürlich verlagern sich dabei dann auch Umsätze aus dem Onlinehandel, der an einem durchschnittlichen Sonntag rund 200 Millionen Euro umsetzt, und von anderen Wochentagen auf den Sonntag“, sagt er.
Jan König, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Nordwest, ist etwas zurückhaltender als der HDE-Chef. „Wir hoffen, dass die derzeit gute Corona-Lage es ermöglicht, möglichst viele Sonntagsöffnungen durchzuführen“, sagt er. König betont aber, dass sie „rechtssicher“ sein müssten. Denn der Gesetzgeber hat einer Öffnung an Sonn- und Feiertage hohe Hürden gestellt. In Bremen werden diese speziellen Öffnungszeiten durch das bremische Ladenschlussgesetz geregelt. Es ermöglicht maximal neun verkaufsoffene Sonntage im Jahr – wenn spezielle Kriterien erfüllt werden. So dürfen Geschäfte nur öffnen, wenn gleichzeitig eine Veranstaltung stattfindet, die eine überregionale Bedeutung hat und durch die ein großer Besucherstrom erwartet wird. Dazu gehören etwa Freimarkt und Osterwiese, aber auch die Breminale. In diesem Jahr könnte die geplante Sommerwiese ein solcher Anlass sein.
Der Lockdown als Begründungen für einen verkaufsoffenen Sonntag reicht nicht. Das zeigen auch mehrere Beispiele aus dem vergangenen Jahr. So waren in Oldenburg für September und Oktober drei Sonderöffnungen geplant, um die Händler vom Lockdown zu entlasten. Dagegen hatte die Gewerkschaft Verdi geklagt – und vor dem Verwaltungsgericht Recht bekommen. Das Gericht sah die nötigen Anforderungen nicht erfüllt.
Auch in Bremen stellt sich Verdi gegen den Vorschlag von HDE-Chef Genth. „Die Beschäftigten im Einzelhandel sind schon von Montag bis Sonnabend im Einsatz“, sagt Tobias Uelschen, Gewerkschaftssekretär bei Verdi. Der Sonntag als Ruhetag sei daher besonders wichtig. In der Hansestadt habe das bislang auch sehr gut funktioniert. „Wir hatten bislang immer klare und faire Absprachen mit den anderen Akteuren“, sagt Uelschen. Daran wolle man festhalten.
Das betont auch Stefan Storch, stellvertretender Vorsitzender der Cityinitiative Bremen, Vizepräsident des Handelsverbands Nordwest und Geschäftsführer von D. F. Rabe. „Wir gehen in Bremen einen pragmatischen Weg und stimmen uns frühzeitig mit Arbeitnehmer, Gewerkschaften und der Kirche ab. Das wollen wir beibehalten“, sagt er. So einfach, wie HDE-Chef Genth es vorschlage, seien verkaufsoffene Sonntage nicht zu realisieren.
Von den rechtlichen Hürden abgesehen verweist Uelschen von Verdi auch auf die Geschäftslage. Die Pandemie sei eine Belastung für den Einzelhandel gewesen, dennoch habe die Branche ein deutliches Umsatzplus verzeichnet – allem voran die großen Ketten, die über ihren Onlineshop und Click & Collect Umsatz gemacht hätten. Schwieriger hätten es die mittelständischen Unternehmen, gibt Uelschen zu. Doch auch ihnen, glaubt er, würden verkaufsoffene Sonntage nur wenig helfen. „Den Euro, den ich am Sonntag ausgebe“, sagt der Gewerkschafter, „gebe ich nicht noch einmal am Montag aus.“ Da viele Geschäfte in Bremen unterhalb der Woche ihre Öffnungszeiten einfach ausweiten könnten, hält er zusätzliche verkaufsoffene Sonntage nicht für sinnvoll.
Wie sich der Wegfall der strengen Corona-Auflagen auf die Bremer Innenstadt ausgewirkt hat, zeigen die Daten des Unternehmens Hystreet, das bundesweit die Passantenfrequenz in Einkaufsstraßen misst. In Bremen waren am vergangenen Sonnabend rund 25.000 Menschen in der Obernstraße unterwegs. Einen Monat zuvor waren es rund 9300.