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Bremer Energieberaterin "Es müssen nicht alle jedes Detail kennen"

Wenn es um die Energie geht? Da verweisen viele Frauen an ihre Männer. Das beobachtet die Bremer Energieberaterin Inse Ewen in ihrem Alltag öfter. Warum eigentlich?
26.04.2023, 05:00 Uhr
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Von Lisa Schröder

Frau Ewen, als Energieberaterin bekommen Sie Einblick in die Haushalte dieser Stadt. Dabei haben Sie eine Beobachtung gemacht: Frauen verweisen bei Energiefragen oft auf ihre Männer. Wie äußert sich das?

Inse Ewen: Wir bekommen diesen Eindruck öfter bei unserer Beratung. Die Verbraucherinnen und Verbraucher melden sich bei uns für einen Termin. Erstaunlicherweise machen das noch meistens die Frauen. Zum Termin selbst kommen dann aber doch relativ häufig nur die Männer mit den Kostenvoranschlägen für die neue Heizungsanlage. Wir erleben bei Hausbesuchen, dass die Frauen bei einigen Themen zunächst sicher sind, wenn es zum Beispiel um einen unerklärlich hohen Strombedarf geht. In dem Moment aber, wo technische Details gefragt sind zum Dämmstandard oder zur Heizung, wird manchmal die Luft ganz dünn.

Das heißt?

Die Frauen geben dann ab und sagen: Da kommt jetzt mein Mann, und der hat die Unterlagen. Das ist schon sehr auffällig und häufig so. Unterschiede beim Alter gibt es da nicht. Ich selbst höre in den Gesprächen außerdem öfter: Wann kommt denn DER Berater zu uns? Es wird mir als Frau also gar nicht unbedingt zugetraut, dass ich mich bei der Dämmung oder Heizung auskenne. Gerade bei diesen Fragestellungen ist es immer noch ein Aha-Erlebnis, dass ein Energieberater auch eine Frau sein kann.

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Was denken Sie, woran liegt das?

Ich glaube, das hängt zum Teil an der natürlich logischen Arbeitsteilung in einer Beziehung. Der eine weiß besser bei den Versicherungen Bescheid, der andere zahlt lieber die Schornsteinfegerrechnung. Das ist per se gar nichts Schlimmes. Das darf so sein. Wenn ein Partner für eine Zeit aber ausfällt, wird die strikte Aufgabentrennung zum Problem. Dann wird es kompliziert. Ich kenne übrigens durchaus auch Fälle, wo die Frauen sagen: Da kennt sich mein Mann nicht aus. Das mache immer ich.

Wie läuft es denn besser?

Es müssen nicht alle jedes Details kennen. Das Grundlegende im Haushalt sollten jedoch alle wissen – ob Mann oder Frau. Was muss ich tun, wenn die Heizung ausfällt? Wer wartet die eigentlich? Wer ist mein Schornsteinfeger? Was habe ich für einen Energievertrag? Das wissen längst nicht alle Partner gemeinsam. Manchmal fehlt es schon am Log-in für den Kundenbereich beim Energieversorger. Wenn die Rechnungen nie ausgedruckt werden, kann das nicht mal im Ordner nachgeschlagen werden.

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Was können Verbraucher konkret tun, um sich das Wissen anzueignen?

Wenn es bei der Heizung zum Beispiel eine Wartung gibt, dann kann ich mir die Einstellungen durchaus vom Experten erklären lassen. Das kann jeder tun. So können die Einstellungen auch nach meinem Nutzungsverhalten angepasst werden. Den Schornsteinfeger kann ich durchaus einfach fragen: Was messen Sie gerade? Was sollte ich tun? Im Moment spielt außerdem eine große Rolle, sich beim Strom und Gas gut auszukennen. Wie hoch ist mein Verbrauch? Was zahle ich dafür? Wegen der Strom- und Gaspreisbremsen sind die Abschläge noch schwerer zu verstehen. Ich empfehle, sich mit anderen auszutauschen, wie sie vorgehen, um Selbstvertrauen zu gewinnen, und natürlich eine kostenfreie Energieberatung in Anspruch zu nehmen.

Russlands Krieg gegen die Ukraine hat die Frage nach der Energie omnipräsent werden lassen. Hat das nicht etwas verändert in der Wahrnehmung?

Da hat sich richtig was gedreht. Es hat mit dem Stichtag 24. Februar 2022 ein komplettes Umdenken eingesetzt. Es gab sofort die Anrufe bei uns: Ich möchte energieautark werden. Ich möchte eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach haben. Und das muss jetzt passieren! Viele Verbraucher sorgen sich seither: Oje! Was kommt nur auf mich zu?

Haben Frauen und Männer unterschiedlich reagiert?

Grundsätzlich haben die Haushalte ab Kriegsbeginn zunächst von neuen Gasheizungen nichts mehr hören wollen. Das war vorher ganz anders, obwohl wir immer alle Heizsysteme vorgestellt haben. Die Empfehlung einer Gasheizung war zu dem Zeitpunkt undenkbar. Da wären wir als Energieberater rausgewesen. Was in den Gesprächen noch aufgefallen ist: Der Vorsorgegedanke war vor allem bei den Frauen plötzlich präsent. Wie werde ich es zukünftig warm haben? Woher kommen Strom oder Gas fürs Kochen? Die Frauen haben sofort Heizlüfter angeschafft und sich über Notstromaggregate informiert.

Gibt es heute ein stärkeres Bewusstsein der Verbraucher, dass Energie nicht selbstverständlich ist?

Auf jeden Fall. Es ist jetzt in allen Köpfen angekommen, dass Ressourcen knapp werden können. Und auch die Abhängigkeit von den Lieferketten haben viele gespürt – schon infolge des Schiffsunglücks auf dem Suezkanal. Fotovoltaikanlagen konnten über lange Zeit nicht in Betrieb gesetzt werden, weil einfach die Wechselrichter nicht zur Verfügung standen.

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Ist es überhaupt berechtigt, dass die Männer bei der Energie öfter zuständig sind? Haben sie womöglich nicht meist genauso wenig oder viel Ahnung und die Frauen nur einen höheren Anspruch?

Definitiv. Frauen gehen ganz anders in die Gespräche – akkurat vorbereitet. Die haben sich den Werbeprospekt zur neuen Heizungsanlage genau durchgelesen und Markierungen gemacht. Männer legen öfter einen Stapel an Unterlagen auf den Tisch, den sie nur kurz überflogen haben, dann bitten sie uns: Sagen Sie mal was dazu.

Ist der Umgang mit Handwerkern ein Thema?

Frauen fühlen sich manchmal von ihnen nicht ernst genommen. Das ist ein Problem. Andererseits spricht das Verhandlungsgeschick viel mehr für die Frauen. Einige Männer regen sich gegenüber Monteuren tierisch auf, wenn der gewünschte Termin nicht klappt. Damit hinterlassen sie ziemlich verbrannte Erde. Frauen sind definitiv diplomatischer und im Endergebnis erfolgreicher. Es geht mit der Dämmung oder dem Termin dann doch schneller, weil die Frauen taktisch klüger agiert haben.

Was sollte ich selbst an Fähigkeiten draufhaben?

Ich will nicht propergieren, dass jeder an seiner Heizungsanlage rumschrauben können muss. Jeder sollte aber um die Heizkurve wissen oder den hydraulischen Abgleich mit einem Unternehmen besprechen können. Ich kann die Heizkörper entlüften oder Wasser bei der Heizungsanlage nachfüllen. Und wenn ich mir das nicht zutraue, zunächst vom Fachmann erklären lassen. Es dann später allein zu können, das ist goldwert.

Das Gespräch führte Lisa Schröder.

Zur Person

Inse Ewen

ist seit vielen Jahren als Energieberaterin bei der Verbraucherzentrale Bremen tätig. Zunächst studierte die Expertin Ökotrophologie. Ewen arbeitete im Anschluss bei einer damals noch neuen Umweltberatungsstelle. Es folgte eine Ausbildung zur Energieberaterin – und zwar eine für Frauen von Frauen.

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