Rehgulasch und Rinderfilet, Rosé-Champagner und Lachs im Blätterteig: Trotz der gedrückten Konsumstimmung locken die Discounter in Deutschland auch in diesem Jahr ihre Kunden vor dem Weihnachtsfest wieder mit einem Hauch von Luxus. Ihre Chancen, gegen die sonst im Weihnachtsgeschäft bei Kunden beliebteren Supermärkte zu bestehen, sind so gut wie lange nicht. Schließlich müssen wegen der Inflation immer mehr Menschen auf jeden Cent achten.
„Viele Haushalte kommen inzwischen echt an ihre finanziellen Grenzen und können schlichtweg nicht mehr so einkaufen wie früher“, berichtet der Handelsexperte Robert Kecskes vom Marktforschungsunternehmen GfK. Bei einer GfK-Umfrage gaben im Herbst knapp 23 Prozent der Befragten an, sich fast nichts mehr leisten zu können.
Menschen wollen zum Fest weniger ausgeben
„Ungefähr ein Drittel der Menschen planen in diesem Jahr, für das Weihnachtsfest deutlich weniger Geld auszugeben“, weiß Handelsexperte Frank Küver von Marktforschungsunternehmen Nielsen IQ. Auch die meisten anderen machten sich Sorgen. Nur ein ganz kleiner Teil der Bevölkerung fühlt sich nach seinen Worten überhaupt nicht von den Preiserhöhungen betroffen und macht weiter wie früher.
Kein Wunder also, dass die Discounter in ihrer Werbung zum Fest den Preisjoker spielen. Aldi Nord verspricht: „Große Freude zum kleinen Preis“. Der ewige Rivale Lidl stellt seinen Kunden beim Kauf von Produkten seiner Edel-Eigenmarke Sansibar Deluxe auch in Zeiten der Geldknappheit eine „entspannte Weihnachtszeit“ in Aussicht. Für weniger als zehn Euro könne man sich bei ihm ein festliches Gourmetmenü mit Ente, Rotkohl, Klößen, Dessert und Rotwein leisten, rechnet einer der Discounter vor.
"Premium"-Nudeln doppelt so teuer
Die Verbraucher können inzwischen die Uhr danach stellen, dass in den Discountern vor Ostern und Weihnachten die Produkte in einer hochwertig anmutenden Verpackung mit etwas mehr Bling-Bling zu haben sind. Ob sie auch wirklich besser sind? Auf alle Fälle kosten sie mehr als die herkömmlichen Produkte.
Ein Beispiel: Lidl verkauft in diesem Jahr unter seinem Label "Deluxe" ein halbes Kilo dicke größere Fusilloni für 1,99 Euro. Für 99 Cent gibt es dagegen die herkömmlichen Fussili aus dem Standardprogramm. Die sind allerdings in der üblichen schnöden funktionalen Tüte, während die Deluxe-Nudeln im schwarzen Pappkarton daherkommen. Die dicken Nudeln kommen aus Dortmund, die herkömmlichen kleineren aus Erfurt. Und welch Überraschung: Beide Nudeln sind aus Hartweizengrieß.
Das NDR-Verbrauchermagazin "Markt" ließ erst neulich den Sterne-Koch Jens Rittmeyer aus dem Alten Land Fertigsoßen und Desserts der discountereigenen Delikatessen-Eigenmarken testen. Ihn konnte keines der Discounter-Produkte überzeugen. So sind in der Thymian-Rosmarin-Festtagssoße von Aldi für 1,29 Euro nur 0,06 Prozent Thymian und 0,06 Prozent Rosmarin enthalten. Bei der Deluxe-Premium-Festtagssoße á L'Orange für 99 Cent war Rittmeyers Urteil: "Das würde mir die schöne Ente oder Gans versauen."
Discounter-Desserts kommen besser weg
Etwas anders war es bei den Desserts in Hochglanzverpackung: Da gab es für Sternekoch Rittmeyer an den Gourmet-Schokoladenküchlein mit flüssiger Schokofüllung von Aldi für 1,99 Euro nichts auszusetzen.
Fakt ist: Schon in den vergangenen Monaten konnten die Discounter ihren Marktanteil zulasten der Supermärkte spürbar vergrößern. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres steigerten die Billiganbieter ihre Umsätze laut GfK vor allem inflationsbedingt um 6,1 Prozent. Die Supermärkte büßten dagegen 0,5 Prozent ein. Die Schere zwischen den Vertriebsschienen hat sich zuletzt eher weiter geöffnet.
"Weihnachten ist ein Ankerpunkt für die Menschen"
Ob diese Erfolgssträhne auch in den umsatzstarken Wochen vor dem Fest anhält, muss sich erweisen. Nielsen-Experte Küver ist eher skeptisch. „Die Mehrheit der deutschen Verbraucher ist in hohem Maße weihnachtsbegeistert.“ Das Fest habe einen sehr hohen emotionalen Wert. „Es ist gerade in diesen Zeiten für ganz viele Menschen ein Ankerpunkt, wo sie keine oder nur wenig Abstriche machen möchten“, gibt er zu Bedenken.
Doch schon vor Jahren kritisierte die Verbraucherzentrale Hamburg, dass manchmal hinter dem Premium-Etikett schlicht eine Preissteigerung stecke. Dann werde zum Beispiel ein qualitativ eher durchschnittliches Produkt als hochwertig beworben und zu einem vergleichsweise hohen Preis verkauft. In jedem Fall mache es Sinn, einen kritischen Blick auf die Zutatenliste zu werfen. Je länger diese Liste ist und je mehr künstliche Aromen enthalten sind, desto fraglicher sei es, ob die Premium-Etikette hier berechtigt sei. Auf der anderen Seite bedeute ein kleiner Preis nicht automatisch schlechte Qualität.
Verbraucher werden zu Premium-Discount-Produkten greifen
Der GfK-Experte Kecskes rechnet damit, das etliche Verbraucherinnen und Verbraucher angesichts der Preissteigerungen von den bislang zu Weihnachten bevorzugten Markenartikeln zu etwas günstigeren Premium-Handelsmarken von Rewe, Edeka, Lidl oder Aldi wechseln werden. Eine erste Entwicklung in diese Richtung sei bereits beim Osterfest zu beobachten gewesen. „Die Discounter könnten von diesem Trend profitieren, wenn sie dieses Thema klug spielen“, ist der Branchenkenner überzeugt.
Und eines war bereits in den vergangenen Jahren auch zu beobachten: Nach Weihnachten und Silvester reduzieren die Discounter ihre vermeintlichen Premium-Artikel recht schnell um 30 oder 50 Prozent. Denn sie brauchen den Platz für andere Aktionsware. Je näher das Mindesthaltbarkeitsdatum rückt, desto größer die Schnäppchenchance.