Wer in diesen Wochen an der Fleischtheke nach Flanksteak oder Entrecôte für die Grillparty sucht, könnte beim Blick aufs Preisschild ins Grübeln geraten. Gerade Rindfleisch ist deutlich teurer geworden – um 35 bis 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und ein Ende des Preisanstiegs ist nach Einschätzung der Fleischbranche nicht in Sicht.
Wird Fleisch generell teurer?
Das kann man so nicht sagen. „Man muss die Lage auf dem Fleischmarkt differenziert betrachten“, sagt Albert Hortmann-Scholten, Fachbereichsleiter Betriebswirtschaft und Markt bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Während die Erzeugerpreise beim Schweinefleisch im Vergleich zum Vorjahr voraussichtlich weiter sinken, erreichen die Rindfleischpreise gerade "historische Höchststände", erklärt Hortmann-Scholten. Jungbullen der Handelsklasse R3 etwa bringen ihren Mästern zurzeit rund sieben Euro pro Kilo ein, bei der Haltung im offenen Frischluftstall noch mal 30 bis 35 Cent extra. In den vergangenen Jahren lag der Durchschnittspreis dagegen unter fünf Euro. Auch Geflügel wird teurer, wenn auch nicht so deutlich wie Rindfleisch.
Warum sind die Preise so gestiegen?
Generell steigen in der Fleischproduktion laut Landwirtschaftskammer die Kosten „entlang der gesamten Prozesskette“: Baukosten für Ställe, Energiekosten für Heizung, Belüftung, Beleuchtung der Ställe, Lohnkosten des Personals, ebenso die Kosten zur Erfüllung von Umweltauflagen. Auch die Futtermittelpreise liegen immer noch über dem Niveau, das sie vor Beginn des Ukrainekrieges hatten – im Rinderland USA könne wegen regelmäßiger Dürren nicht mehr genug Futter angebaut werden, heißt es auf der Internetseite des Weidefleischanbieters Kauf ’ne Kuh. Selbst das Schlachten der Tiere wird teurer, seit die Schlachthöfe die Vergabe von Arbeiten per Werkvertrag – zu teilweise sehr niedrigen Löhnen – beenden mussten.
Und wie sind die "historischen Höchststände" beim Rindfleisch zu erklären?
Kurz gesagt: weil es zu wenige Rinder gibt – rein wirtschaftlich betrachtet. Dafür gibt es mehrere Gründe: „Milchkühe sind immer leistungsfähiger geworden“, sagt Landwirtschaftskammer-Experte Hortmann-Scholten, „deshalb braucht man weniger von ihnen.“ Weniger Kühe heißt: weniger Kälber, weniger Jungbullen. Dazu kommen gesetzliche Vorgaben, mit denen die Stickstoffemissionen der Landwirtschaft begrenzt werden sollen – und manchen Landwirt zur Verkleinerung seiner Herde zwingen. Der anhaltende Strukturwandel in der Landwirtschaft – einschließlich der Aufgabe ganzer Höfe – spiele ebenfalls eine Rolle, so die Landwirtschaftskammer. Außerdem grassierte 2024 bundesweit die Blauzungenkrankheit in den Rinderherden und schwächte die Bestände nachhaltig. Dem eingeschränkten Angebot steht eine stabile Nachfrage gegenüber – in Asien und im Nahen Osten wächst sie sogar deutlich: „Rindfleisch hat einen besseren Ruf beim Verbraucher“, sagt Hortmann-Scholten – für Burger-Patties etwa werde es bei vielen Jugendlichen „regelrecht gehypt“.
Warum kann das Schweinefleisch preislich nicht mithalten?
„Es gibt einen Trend weg vom Schweinefleisch“, stellt Hortmann-Scholten fest. Auch im ersten Halbjahr sei die Nachfrage „enttäuschend“ gewesen. In vielen Kantinen und Großküchen verschwinde Schweinefleisch ganz vom Speiseplan, weil ein Teil der Kundschaft es aus religiösen oder anderweitigen Gründen nicht esse. Und obwohl mehr und mehr Schweinezüchter aufgeben und das Angebot reduzieren, sinken zurzeit die Preise – aktuell auf unter zwei Euro pro Kilo Schlachtfleisch. „Das ist nicht kostendeckend“, sagt Hortmann-Scholten.
Was heißt das für die Verbraucher?
Fleischpreise gelten normalerweise als relativ stabil. Doch der starke Anstieg der Erzeugerpreise macht sich an der Fleischtheke im Supermarkt und beim Schlachter mittlerweile bemerkbar. „Preissteigerungen von 35 oder 40 Prozent im Einkauf müssen an der Theke kompensiert werden“, beteuert Herbert Dohrmann, Obermeister der Bremer Fleischerinnung und Präsident des Deutschen Fleischer-Verbandes. Sprich: Die Kosten werden eins zu eins auf die Preise draufgeschlagen. Und weil das aufgrund langfristiger Lieferverträge mit den Erzeugern oft erst nach einigen Wochen oder gar Monaten geschieht, ist ein Ende der Preisspirale noch nicht in Sicht. „Dass die Preise wieder sinken oder sich auch nur auf höherem Niveau einpendeln, ist zurzeit nicht absehbar“, so Dohrmann. Damit tritt ein, was Kritiker des „Billigfleischkonsums“ seit Langem fordern: Fleisch erhält eine „höhere Wertigkeit“, sagt Dohrmann. Bleibt abzuwarten, wie lange es den Kunden das wert ist.