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Schiffskollision vor Helgoland Bremer Seemannsmission: "Das war ein Schock für uns"

Die Frachter-Kollision sorgt auch in Bremen für Bestürzung. Da die gesunkene "Verity" im Neustädter Hafen vor Anker lag, wurden die Seeleute von der dortigen Mission betreut.
26.10.2023, 14:17 Uhr
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Bremer Seemannsmission:
Von Jan-Felix Jasch

Für Magnus Deppe, Leiter der Bremer Seemannsmission, war die Kollision zweier Frachter in der Nordsee am Dienstagmorgen eine schlimme Nachricht. "Das war ein Schock für uns und unsere Mitarbeiter", sagt er dem WESER-KURIER. Auf der "Verity", die auf dem Weg von Bremen nach Immingham in Großbritannien war und bei dem Unglück sank, befanden sich sieben Seeleute. Zwei von ihnen wurden aus der Nordsee gerettet, für einen kam jede Hilfe zu spät – er konnte nur noch tot geborgen werden. Die vier weiteren Seeleute gelten nach dem Unglück als vermisst, die Suche wurde eingestellt – Hoffnung besteht für sie nicht mehr. Die Besatzung des zweiten Frachters, der "Polesie", blieb unverletzt und konnte Cuxhaven ansteuern. 

Kurz zuvor war die Besatzung der "Verity" noch in Bremen von der Seemannsmission betreut worden. Das Schiff lag vier Tage im Neustädter Hafen, in dieser Zeit habe man die Seeleute regelmäßig besucht, berichtet Deppe. "Zeitungen gebracht, Gespräche geführt." Auch am Montag, kurz bevor das Schiff Richtung England auslief, seien noch Mitarbeiter an Bord des Frachters gewesen. Zwei der Seeleute hätten berichtete, wie sehr sie sich auf Weihnachten und den damit verbundenen Urlaub in der Heimat freuen. 

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Wie werden die beiden überlebenden Seeleute betreut?

Die Überlebenden wurden in einem Krankenhaus medizinisch versorgt und von der Seemannsmission Wilhelmshaven betreut. Das Hospital stellte auch einen Seelsorger. Die Missionsmitarbeiter haben Kleidung, Toilettenartikel und Telefonkarten vorbeigebracht, damit die Überlebenden mit ihren Verwandten sprechen können. Doch auch für die Seemannsmission Wilhelmshaven war dies kein alltäglicher Fall, berichtet eine Mitarbeiterin. Die Nachricht sei erschütternd gewesen, "doch man schaltet schnell auf eine Art Autopilot, um die Überlebenden zu versorgen". Die beiden Seeleute wurden entlassen und von der Reederei weiter versorgt – außerdem werden die Männer als Zeugen von der Staatsanwaltschaft befragt.

Was bedeutet die eingestellte Suche für die Vermissten?

Die Suche wurde eingestellt, das Havariekommando geht vom Tod der Seeleute aus. Wann eine Person für tot erklärt werden kann, ist abhängig von den Umständen ihres Verschwindens. Grundsätzlich gilt, dass Personen erst für tot erklärt werden dürfen, wenn sie ihr 25. Lebensjahr vollendet haben und mindestens zehn Jahre lang verschwunden sind. Ab dem 80. Lebensjahr verkürzt sich diese Frist auf fünf Jahre. Auf See gelten andere Regeln: Ein verschwundener Seereisender kann nach sechs Monaten für tot erklärt werden. Ein Flugreisender darf bereits nach drei Monaten für tot erklärt werden. In allen anderen Unglücksfällen, bei denen keine Leiche gefunden wird, beträgt die Frist ein Jahr.

Wie geht es nach dem Unglück nun weiter?

Viele Fragen rund um das Unglück sind noch offen. Sowohl die deutsche Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) in Hamburg als auch die Staatsanwaltschaft Hamburg nahmen Untersuchungen auf. „Unser Fokus liegt darauf, die Unfallursache zu klären unter Einbeziehung sämtlicher Faktoren“, sagte BSU-Direktor Ulf Kaspera. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in einem weiteren Verfahren wegen fahrlässiger Tötung und Gefährdung des Schiffsverkehrs. Die deutschen Experten der BSU arbeiten mit Ermittlungsbehörden der Flaggenstaaten der beiden Schiffe, Bahamas und Großbritannien, zusammen. Sie wollen etwa Verkehrs- und Kommunikationsdaten sichern und auswerten sowie die Schiffsbesatzungen befragen. Auch die Verkehrssituation soll analysiert werden. Der Unfall ereignete sich an einer Stelle, an der sich zwei Schifffahrtsrouten kreuzen – in einem der meistbefahrenen Seegebiete weltweit. „Wir gucken natürlich nach, welche Vorfahrtsregeln da gelten oder ob sich die Schiffe gegebenenfalls anders abgesprochen haben“, sagte Kaspera. Noch könnten dazu keine Angaben gemacht werden.

Warum kam es zu dem Unglück?

Die Ursache für die Kollision in der Deutschen Bucht ist noch nicht klar. Bekannt ist, dass das kleinere Küstenmotorschiff „Verity“ beladen mit Stahlblechen auf dem Weg von Bremen nach Immingham in Großbritannien war. Der mit 190 Metern Länge größere Frachter „Polesie“ wollte von Hamburg nach La Coruña in Spanien – bis die beiden rund 22 Kilometer südwestlich von Helgoland zusammenstießen. Die „Verity“ sank daraufhin schnell.

Wie geht es an der Unglücksstelle weiter?

Der Einsatz dort läuft weiter. Das Havariekommando übertrug die Leitung dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Weser-Jade-Nordsee. Offen ist noch, wie es mit dem Wrack weitergeht. Am Mittwoch wurde eine kleinere Menge Dieseltreibstoff, der ausgetreten war, an der Wasseroberfläche registriert.

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So arbeiten Seemannsmissionen

An sieben Tagen in der Woche besuchen Ehrenamtliche der Bremer Seemannsmission die Schiffsbesatzungen im Neustädter Hafen, bringen eine kleine Warenauswahl, Zeitungen, manchmal Geschenke und immer Zeit für Gespräche mit. Teilweise werden die Seeleute auch von den Schiffen abgeholt, um gemeinsam Zeit im Seemannsklub zu verbringen. Während der Corona-Pandemie haben Seemannsmission und DRK über 1500 Seeleute in Bremen kostenlos an Bord geimpft. 

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