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Serie: Made in Niedersachsen Schwere Maschinen für leichtes Metall 

Aluminium ist aus der täglichen Warenwelt nicht mehr wegzudenken. Die Firma Hydro in Achim-Uphusen beliefert über 700 Kunden. 2022 war eines der besten Jahre des Unternehmens. Das hat seine Gründe.
23.01.2023, 08:01 Uhr
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Von York Schaefer

Stickig-warme Luft und ein durchgängig schleifender Maschinenlärm herrschen in der langgezogenen Produktionshalle des Aluminiumwerkes Hydro Extrusion in Achim-Uphusen. Geschäftsführer Ralf Liedtke, ein Mann Anfang 50 mit freundlich-ruhiger Ausstrahlung, steht an der Strangpresse und erklärt, wie dieses komplexe industrielle Kraftmonster mit 2200 Tonnen Presspower massive Aluminiumbolzen in filigrane Profilteile umformt.

„Die Bolzen werden in unserem gasbefeuerten Ofen auf 460 bis 500 Grad aufgeheizt, auf die richtige Länge abgesägt und dann in die Presse eingebracht“, erklärt Maschinenbauingenieur Liedtke den energieaufwändigen Produktionsprozess. Um die gewünschte Form zu bekommen, werden die Bolzen dafür durch eine entsprechende Querschnittsöffnung einer Matrize gepresst, auch Werkzeug genannt. Neben der lärmenden Strangpresse liegen einige dieser massiven Stahlscheiben mit einem Gewicht zwischen 15 und 50 Kilogramm und zirka 30 Zentimetern Durchmesser, die in ihrer Form ein wenig an übergroße Hantelgewichte erinnern. 

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6000 verschiedene und insgesamt stattliche 11.000 dieser Werkzeuge habe man im Lager, die ausschließlich für Industriekunden verwendet würden, antwortet Liedtke auf die Frage nach den Anwendungsbereichen der in Uphusen produzierten Strangprofile. Die etwa 700 verschiedenen Kunden des Unternehmens kommen aus den Bereichen Maschinenbau, Elektro-, Solar- und Medizintechnik sowie viel aus dem Bauwesen. „Da sind wir sehr breit aufgestellt“, sagt der Geschäftsführer, der seit fast 24 Jahren bei der Hydro arbeitet und beim Termin mit dem WESER-KURIER von Marketingmann Torsten Wenzlaff begleitet wird.  

Aluminium ist aus unserer alltäglichen Warenwelt nicht mehr wegzudenken. Es ist leicht, stabil, hitzebeständig und rostet nicht. Es steckt in Verpackungen, in Autos, Handys und in manchen Kosmetikartikeln. Bei Hydro zum Beispiel werden Alu-Profile für Fenster, Türen, Markisen und Terrassenüberdachungen produziert. Liedtke zeigt das Musterstück eines verschachtelten Profils mit mehreren präzise gearbeiteten Ecken und Winkeln. „Das ist für einen Kunden, der Verdunklungssysteme wie Rolläden baut“, erklärt er.  

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Nachdem sie aus der Strangpresse kommen, liegen die Profile auf einem 50 Meter langen Tisch in der Werkshalle, an dem sie gesägt werden und abkühlen. Einen weiteren Arbeitsschritt übernimmt eine Mitarbeiterin, die an der sogenannten Reckbank am Anfang des langen Tisches direkt hinter der Strangpresse steht. Hier werden die Werkstücke eingespannt und gereckt, also grade gezogen. Auch die Qualität wird ein erstes Mal kontrolliert. Gibt es Schadstellen, stimmen die Maße und die Form? „Wir können Profile zwischen drei und 8,50 Meter fertigen“, berichtet Ralf Liedtke, bevor er und Torsten Wenzlaff weiter durch die weitläufigen Hallen des Unternehmens führen. Im vollautomatisierten Auslagerungsbereich härten die Profile aus, in der Strahlanlage und im Eloxalwerk werden die Oberflächen mit Hinblick auf Optik und Haltbarkeit bearbeitet.

275 Menschen arbeiten heute bei Hydro in Achim-Uphusen. Das Werksgelände wurde 1961 vom ehemaligen Automobilbauer Borgward für die Produktion von Motorblöcken erschlossen. 1986 zog die Hydro dort ein. Im deutschsprachigen Raum gibt es noch vier weitere Strangpressenwerke des Unternehmens. Weltweit hat der 1905 in Norwegen gegründete Konzern 30.000 Mitarbeiter an 140 Standorten in 40 Ländern. Bei den Strangprofilen ist das Unternehmen Weltmarktführer. Die Jahresproduktion in Uphusen lag 2022 bei 19.400 Tonnen.

Der Jahresumsatz betrug zuletzt 120 Millionen Euro. „2022 war nach anfänglicher Zurückhaltung eines der besten Jahre der Firmengeschichte. Wir hatten volle Auftragsbücher und haben um die 35 neue Mitarbeiter eingestellt“, berichtet Geschäftsführer Liedtke, der allerdings auch den massiven Mangel an Fachkräften im gesamten Produktionsbereich beklagt. Werkzeug- und Industriemechaniker zum Beispiel will man bei Hydro deshalb ab diesem Jahr selber ausbilden. 

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Die Gründe für die hohe Nachfrage nach Aluminiumprofilen in den vergangenen zwei Jahren hat natürlich mit Corona und der Energiekrise zu tun: „In 2021 haben viele Menschen wegen der Beschränkungen in ihr Haus oder ihre Wohnung investiert“, berichtet Ralf Liedtke bei einer Unternehmenspräsentation in seinem Büro. Statt der Urlaubsreise gab es neue Fenster, neue Türen, Wintergärten und Überdachungen – Produkte, in denen überall die Alu-Profile von Hydro stecken.   

Den Grund für das gesteigerte Absatzvolumen in 2022 sieht der Geschäftsführer im Zusammenwirken aus Corona, einer Angst vor Mangel und dem Krieg in der Ukraine. „Viele Kunden hatten das Gefühl, sie müssten ihre Lager voll machen, damit sie lieferfähig bleiben." Für das erste halbe Jahr 2023 erwartet Liedtke zwar vorerst eine rückläufige Nachfrage, die sich aber ab Jahresmitte wieder normalisieren soll.

Trotz der zuletzt sehr positiven Unternehmensbilanz hat auch Hydro Extrusion mit den besonderen Herausforderungen durch die Entwicklungen der letzten zwei Jahre zu tun. Dazu gehören vor allem die hohen Kosten für Rohstoffe und Energie. Für Holz oder für Chemikalien wie Natronlauge zum Beizen der Profile wurden laut Ralf Liedtke zuletzt fast zehnfache Preise fällig. Auch die hohen Kosten für Gas für die Öfen und für die elektrische Energie der Pressen mussten größtenteils an die Kunden weitergegeben werden.

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„Wir sind bewusst nicht in eine Dumpingspirale eingestiegen“, betont der Geschäftsführer. Für die mittelständischen oder kleineren Kunden von Hydro Uphusen wären aber auch Faktoren wie Qualität, Service, Flexibilität und regionale Anbindung noch wichtiger als der Preis. So ist die Zusammenarbeit im Bereich Montage mit den örtlichen Waldheim-Werkstätten für behinderte Menschen für Ralf Liedtke eine Herzensangelegenheit. 

Auch eine nachhaltige Produktion hat man sich bei Hydro groß auf die Fahnen geschrieben. Da passt es gut, dass „Aluminium beliebig oft wiederverwendbar ist“, wie Firmenchef Liedtke erklärt. Alle Schrotte werden gesammelt und wieder eingeschmolzen: Schadhafte Profile, Stanzabfälle, sogar Sägespäne. Noch werde viel Primäraluminium für den weltweiten Bedarf benötigt, das aus dem Rohstoff Bauxit hergestellt wird, den Hydro vor allem in Minen in Brasilien selber abbaut oder von dort bezieht. 

„Der Anteil an Post-Consumer-Schrott aber, also Schrott, der schon ein Leben als Alu-Felge oder Fenster hinter sich hatte und dann wieder verwendet werden kann, der wird im Laufe der Zeit immer mehr werden“, erklärt Ralf Liedtke den zukünftig enger werdenden Kreislaufprozess rund um Aluminium.

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