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Gastkommentar Mut zur Wahrheit statt oberflächlicher Haltung in Debatten

Mut zur Wahrheit statt oberflächlicher Haltung: Christoph S. Peper hinterfragt in seinem Gastkommentar die Qualität unserer Debattenkultur.
04.01.2025, 05:00 Uhr
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Von Christoph Peper

Es reicht mit einer Haltung, die darin zu bestehen scheint, in sozialen Netzwerken oder der eigenen Blase das auszusprechen, was andere dort ohnehin erwarten. Gefolgt von der Selbstzufriedenheit, sobald das eigene Umfeld applaudiert. Dieses Modell öffentlicher „Diskussion“ ist zu eindimensional. Es reduziert komplexe Themen auf schwarz-weiß, gut oder böse. Dabei werden die meisten Fragen entweder gar nicht oder viel zu oberflächlich diskutiert.

Ein solches Denken mag bei Kindern ausreichen, wenn sie entscheiden müssen, ob etwas brav oder böse ist. Für eine demokratische Gesellschaft, die Verantwortung für ihre Zukunft übernehmen will, reicht es nicht. Differenzierung ist nötig – auch dann, wenn sie unbequem ist.

Ob Elon Musk oder Javier Milei, Donald Trump oder Giorgia Meloni, Robert Habeck oder Christian Lindner – die öffentliche Diskussion über solche Personen folgt oft einem Muster: Heilige oder Sünder. Dabei lohnt es sich, genauer hinzusehen. Selbst die, deren Ansichten man vehement ablehnt, könnten in einigen Punkten recht haben.

Nur die richtige Seite zu wählen und Haltung zu demonstrieren, genügt nicht. Es braucht echte Auseinandersetzung, den Willen, Meinungen zu hinterfragen und aus jedem Argument das Beste herauszuholen – sei es eine treffende Problembeschreibung, eine geniale Idee oder ein abschreckendes Beispiel.

Haltung wird oft wie ein Glaubensbekenntnis behandelt – und das ohne die Freiheit, davon abzuweichen. Aber Haltung ist nicht dasselbe wie Anstand, fundierte Meinung oder Ehrlichkeit. Was wir wirklich brauchen, ist Mut: den Mut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Den Mut, echte Gefühle zu artikulieren, auch wenn sie nicht in den Zeitgeist passen. Den Mut, zu sagen, was wir instinktiv für richtig halten – für uns als Gesellschaft, nicht nur für uns selbst.

Wir müssen wieder lernen, sachlich und kontrovers zu streiten, Diskurse zu wagen, Flagge zu zeigen – und danach gemeinsam ein Bier zu trinken. Denn ohne ehrliche Auseinandersetzungen verstummen wir. Und mit Totschweigen werden wir genau das als Gesellschaft tun: uns zu Tode schweigen.

Der „Economist“ beschrieb Deutschland kürzlich mit dem Begriff „muddling through“ – etwa: orientierungsloses Durchwursteln. Diese Beschreibung ist so treffend wie erschütternd. Es braucht Veränderungen, mitunter schmerzliche. Und dazu gehört der Mut, Wahrheiten auszusprechen, auch wenn sie wehtun. Es wird nicht immer leicht sein, aber es ist der einzige Weg, als Gesellschaft wieder voranzukommen.

Zur Person

Christoph Peper 

ist Geschäftsführer des Bremer Immobilienentwicklers Peper & Söhne.

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