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Zu früh gebuddelt? Gericht verbietet Glasfaser Nordwest

Nicht nur durch Bremen buddelt sich die Glasfaser Nordwest und bringt schnelle Internetanschlüsse in die Erde. Doch ein Gericht hat die Aktivitäten der gemeinsamen Tochter von EWE und Telekom untersagt.
22.09.2021, 21:14 Uhr
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Gericht verbietet Glasfaser Nordwest
Von Florian Schwiegershausen

Fast wöchentlich kündigt das Unternehmen Glasfaser Nordwest an, welche Ortschaft umzu von Bremen sie als Nächstes mit schnellem Internet versorgen will. In Bremen selbst halfen vor mehr als einem Jahr Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) beim ersten Spatenstich für 5100 Glasfaseranschlüsse im Stadtteil Schwachhausen. Doch das Oberlandesgericht Düsseldorf hat diesen Ausbau de facto am Mittwoch verboten.

Bei der Glasfaser Nordwest handelt es sich um ein gemeinsames Tochterunternehmen des Oldenburger Energieversorgers EWE, zu dem die Bremer SWB gehört, und der Deutschen Telekom. Hier bündelt man den gemeinsamen Ausbau des Glasfasernetzes in Bremen und Umgebung und im restlichen Nordwesten. Aufgrund der Marktmacht bedurfte es allerdings einer Genehmigung durch das Bundeskartellamt. Die Behörde schob die Entscheidung immer wieder auf und gab schließlich im Dezember 2019 das Okay. Doch das Oberlandesgericht Düsseldorf als zuständige Klageinstanz hat die Freigabe des Kartellamts nun aufgehoben. Aus Sicht des Gerichts war die damalige Begründung für die Freigabe „nicht tragfähig“. (Aktenzeichen: VI-Kart 5/20 V) Diese Entscheidung fiel nach einer Beschwerde von Vodafone und dem Unternehmen Deutsche Glasfaser.

Zusammenarbeit mit Modellcharakter für andere Regionen

Im internationalen Vergleich steht Deutschland in Sachen flächendeckendes schnelles Internet nur mittelprächtig da. Die Netzbetreiber – vor allem die Telekom - verstärkten zuletzt ihre Investitionen in Glasfaser-Verbindungen. Vor allem auf dem Land ist das eine teure Sache. Um die Kosten stemmen zu können, taten sich der Bonner Konzern und der Oldenburger Anbieter EWE zusammen – als das Joint Venture Glasfaser Nordwest aus der Taufe gehoben wurde, sprachen Branchenexperten davon, dass dieser Zusammenschluss Modellcharakter für andere Regionen haben könnte. Nun bekommt der bereits laufende gemeinsame Ausbau einen Dämpfer.

Für die Telekom und EWE ist das zwar eine schlechte Nachricht, aber nicht das Aus für das Gemeinschaftsunternehmen. Denn als sicher gilt, dass der Fall vor dem Bundesgerichtshof landet: in Form einer sogenannten Nichtzulassungsbeschwerde. Sollte diese Beschwerde scheitern und das Urteil rechtskräftig werden, hätte das Kartellamt fünf Monate Zeit, eine neue Entscheidung zu fällen. Möglich wäre, dass die Bonner Behörde auch im zweiten Anlauf zustimmt, hierfür aber stärkere Verpflichtungen von EWE und der Telekom verlangt. Möglich wäre aber auch, dass doch noch ein "Nein" aus Bonn kommt.

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Die Auflagen des Kartellamts von 2019 sehen vor, dass das Gemeinschaftsunternehmen Glasfaser Nordwest Wettbewerber in sein Netz lässt. Außerdem müssen recht hohe Investitionen gestemmt werden. Diese Zugeständnisse konnten die Konkurrenten aber nicht besänftigen - sie zogen vor Gericht und setzten sich dort vorerst durch. Ein Sprecher des Kartellamts erklärte, man nehme den Beschluss „mit Bedauern zur Kenntnis“. Nach Einschätzung seiner Behörde komme es durch die Verpflichtungszusagen und die wettbewerblichen Leitplanken „zu Verbesserungen auf den Telekommunikationsmärkten in der betroffenen Region und auch im ländlichen Raum“. Der Sprecher sagte dem WESER-KURIER: "Wir werden den heutigen Beschluss sorgfältig analysieren und prüfen, ob wir ein Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof einlegen."

Glasfaser Nordwest will Ausbau fortsetzen

EWE und Telekom wollen an dem Gemeinschaftsunternehmen festhalten. Die Firma Glasfaser Nordwest verschickte am Mittwoch einen Brief an Kommunen, in dem es heißt: „Der Beschluss hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Bestand der Glasfaser Nordwest oder den Glasfaserausbau vor Ort.“ EWE-Sprecher Mathias Radowski sagte: "Glasfaser Nordwest und EWE sowie die Telekom stehen weiterhin vollumfänglich zu den Ausbauzusagen und zu der freien Anbieterauswahl.“ Auch garantiere man den Endkunden die freie Anbieterwahl.

Für Erleichterung sorgte das Urteil hingegen bei Vodafone. Man begrüße den Gerichtsbeschluss, sagte ein Vodafone-Sprecher. Die Auflagen des Kartellamts von 2019 reichten nicht aus, „um die dadurch entstehenden Wettbewerbseinschränkungen auszugleichen“. „Die Kooperation in seiner jetzigen Form bremst den Glasfaserausbau im Nordwesten aus, anstatt ihn zu beschleunigen.“ Andere Firmen, die eigentlich investieren sollten, würden abgeschreckt.

EWE und Telekom können den Ausbau der kostenintensiven Glasfaserleitungen nun gemeinsam angehen. Als eine der Kartellamts-Auflagen müssen sie Wettbewerbern die Nutzung der Leitungen ermöglichen. Das Vorhaben könnte als Vorbild dienen, denn die Deutsche Telekom plant, auch in anderen Regionen Deutschlands mit Wettbewerbern zu kooperieren.

Zur Sache

Das Unternehmen Glasfaser Nordwest

Der Oldenburger Energieversorger EWE, zu dem die Bremer SWB gehört, und die Deutsche Telekom wollen zusammen zwei Milliarden Euro ins Glasfasernetz investieren und 1,5 Millionen Haushalte und Unternehmen im Weser-Ems-Gebiet und in Teilen Nordrhein-Westfalens mit schnellem Internet versorgen. Geschwindigkeiten von bis zu einem Gigabit sollen möglich sein. Den Plan für die Zusammenarbeit machten die beiden Unternehmen zum ersten Mal im Dezember 2017 öffentlich.

Für das gemeinsame Tochterunternehmen gab die Bundesnetzagentur bereits im August 2018 ihr Okay. Doch auch das Bundeskartellamt musste prüfen, inwieweit es hier zu einer marktbeherrschenden Situation kommt. Mehrmals verschob die Behörde ihre Entscheidung. Aus Sommer 2019 wurde schließlich Dezember 2019. Nach dem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf kann der Fall nun vor dem Bundesgerichtshof landen.

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