Der Bagger bockte und bäumte sich auf wie ein Wildpferd, als die Senatorin etwas forsch mit der Hydraulik hantierte und die Schaufel in den Ackerboden rammte. Doch bei der dritten Fuhre hatte Kristina Vogt den Bogen raus und kratzte behutsam an der Krume. Es war der symbolische Beginn der Bauarbeiten zur Erweiterung eines der größten Bremer Gewerbegebiete: des Gewerbeparks Hansalinie, direkt an der Autobahn 1 gelegen. Besonders im Bremer Mercedes-Werk wartet man bereits sehnsüchtig auf die neuen Flächen.
"Der Vorlauf hat etwas länger gedauert, aber wir sind ,just in time'", hatte Wirtschaftssenatorin Vogt gesagt, bevor sie den Bagger schwungvoll in Bewegung setzte. Bis 2028 will die Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) als dritte Baustufe des Gewerbegebiets Hansalinie 128 Hektar Bauland für Lagerhallen und Produktionsbetriebe erschließen, eine Fläche von der Größe des Bürgerparks. Die Hälfte davon steht zur Ansiedlung neuer Unternehmen zur Verfügung, die andere Hälfte ist für Straßen, Gräben, und Grünflächen vorgesehen – sogar ein kleiner See wird am Ende zwischen den Hallen und Werkstätten Platz finden.
Um die genaue Auslegung des Gewerbegebiets war jahrelang verhandelt und gestritten worden. Umweltschützer und Anwohner beklagten den Verlust von Grünflächen, auf denen sich Feldlerchen und Goldammern tummelten. Die Grünen konnten am Ende durchsetzen, dass ein kleines Wäldchen am Rande des Gewerbegebiets stehenbleibt. Naturnah gestaltete Gräben sollen das Gebiet entwässern; die angesiedelten Betriebe werden verpflichtet, ihre Hallendächer mit Solaranlagen auszustatten.
Stadt braucht die Gewerbesteuer
Dass das Grünland der Ansiedlung von Gewerbebetrieben weichen muss, steht für Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt von den Linken außer Frage: "Bremen wächst, und wir brauchen die wirtschaftliche Entwicklung, um unsere Kindergärten und Schulen zu finanzieren", stellt sie fest. Über die Hälfte der städtischen Steuereinnahmen stammten aus der Gewerbesteuer, also sei die Erschließung weiterer Flächen für das Gewerbe entscheidend.
So sieht man das auch im Bremer Mercedes-Werk – wenn auch aus etwas anderen Gründen. Das Gewerbegebiet Hansalinie gilt als Erweiterung des eigenen Werksgeländes in Sebaldsbrück, das zwischen Wohngebieten, Kleingärten und einem Friedhof eingekeilt ist. "Unser Platz ist begrenzt", stellt Werkschef Michael Frieß fest. Da der Bau von Autos ein "Mannschaftssport" sei, brauche man jedoch Platz für die Zulieferer, die Karosserieteile, Autositze oder Batterien für die zehn verschiedenen, in Bremen gebauten Mercedes-Modelle liefern. Vom Gewerbegebiet Hansalinie sind es durch den Hemelinger Tunel nur wenige Minuten Fahrtzeit ins Autowerk – das erleichtert die genau getaktete Lieferung der benötigten Teile ans Fließband.
Mit rund 17.000 Beschäftigten sind das Mercedes-Werk und seine Zulieferer der größte Industriekomplex in Bremen. Um das System am Laufen zu halten, benötige man eine gewisse Flexibilität, erklärt Frieß: "Die Einführung eines neuen Modells bedeutet immer auch neue Technik, für die wir wiederum neue Zulieferer brauchen." Die Flächen an der Hansalinie sollen dazu dienen, diese neuen Zulieferer ansiedeln zu können: Ein Drittel des neuen Bauabschnitts ist für Mercedes-Zulieferer reserviert. Von der Krise der Automobilindustrie ist das Bremer Werk bislang einigermaßen verschont geblieben: 325.000 Fahrzeuge wurden dort 2024 gebaut, fast 50.000 mehr als im Vorjahr.
Automobilindustrie im Umbruch
"Natürlich befindet sich die Automobilindustrie im Umbruch", räumt Anke Werner ein, die für Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) die neuen Gewerbeflächen vermarkten soll. Doch für zwei Drittel der Grundstücke gebe es bereits Interessenten und Reservierungen. "Und wir wollen ja nicht nur die Automobilindustrie hier ansiedeln", sagt sie. Auf ihrem Plan sind auch Flächen für Kleinbetriebe und Handwerker vorgesehen, die sich erweitern wollen.
Bis die ersten Gewerbehallen hochgezogen werden können, muss noch viel Sand und Erde bewegt werden. Zurzeit tragen Bagger, Planierraupen und Dumper den Ackerboden ab und verteilen ihn um – ein Festessen für Möwen und Störche, die sich scharenweise hinter den Großmaschinen niederlassen: Nach Mäusen und anderem Beutegetier müssen sie im aufgewühlten Boden nicht lange suchen. Ab Oktober soll ein großer Spülbagger im Nordwesten des Geländes einen See ausheben, um Sand zu gewinnen – eine Million Kubikmeter fester Baugrund. Ab Ende 2026 sollen Straßen und Abwasserkanäle gebaut werden. Wenn alles klappt, können 2027 die ersten Grundstücke vergeben werden.

Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt und der Bremer Mercedes-Chef Michael Frieß halten die Erschließung des neuen Gewerbegebiets für unumgänglich.