Als Johann Jacobs 1895 am Domshof in Bremen seinen ersten Kaffeeladen eröffnete, boomte das Geschäft mit der Bohne. Überall in Deutschland machten neue Röstbetriebe auf, die Zahl der Beschäftigten verzwölffachte sich binnen weniger Jahre. Dampfschiffe sorgten für immer schnellere Lieferungen von den Plantagen zu Händlern in Europa, moderne Röstmaschinen machten Massenproduktion möglich. Der globale Kaffeemarkt war geboren.
Im Jahr des Jacobs-Jubiläums macht sich in der Branche offenbar einmal mehr Goldgräberstimmung breit. Das erfolgreiche Börsendebüt des Kaffeekonzerns JDE Peet's am Freitag in Amsterdam hat es gezeigt: Frisch Aufgebrühtes beflügelt die Phantasie von Investoren. So sehr rissen sich die Anleger um die ausgegeben Aktien, dass die Erstemission vorgezogen wurde. Dieser größte europäische Börsengang des Jahres ist nicht nur ein neues Lebenszeichen der globalen Ökonomie mitten in der Corona-Rezession. Zugleich ist es der vorläufige Höhepunkt eines erstaunlichen Familien-Coups.
Die Familie heißt heute Reimann. Seit fast zehn Jahren arbeitet dieser Milliardärsclan aus dem Südwesten Deutschlands daran, um Jacobs und andere Traditionsmarken herum wieder einen spezialisierten Kaffeekonzern zu schaffen, der zu den ganz Großen der Branche gehört. Schon der Patriarch Klaus J. Jacobs hatte in den 1980er-Jahren das einstige Bremer Handelshaus zu einem internationalen Großkonzern entwickelt. Doch aus seinem Plan, einen der weltgrößten Süßwarenanbieter zu beherrschen, wurde letztlich nichts. 1990 verkaufte er die damalige Jacobs Suchard AG an den amerikanischen Konzern Philip Morris.
Ein neuer Großkonzern
Viele weitere Jahre verbrachte Jacobs Kaffee danach unter dem Dach breiter aufgestellter Konsumgüter-Konzerne, zuletzt des US-Unternehmens Mondelez. Es waren die Reimanns, ursprünglich zu Reichtum gekommen durch das Geschäft mit Wasch- und Reinigungsmitteln (Calgon, Sagrotan), die über ihre Familienholding schließlich einen neuen Kaffee-Giganten formten. Erst kauften sie 2012 die US-Kaffeehauskette Peet's, kurz danach das niederländische Unternehmen D.E. Master Blenders, schufen dann mit Mondelez zusammen einen neuen Großkonzern, der inzwischen JDE Peet's heißt.
Dieses Unternehmen ist heute weltweite Nummer zwei der Branche, ein globales Imperium, das in mehr als 100 Ländern zuletzt rund sieben Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet hat – mit über 50 Marken, zu denen neben Jacobs auch L’Or, Senseo oder Tassimo gehören. Mit den Milliarden aus dem Börsengang will der Konzern Schulden abbauen und sich zugleich wappnen für eine Fortsetzung seiner Einkaufstour. Es ist eine Kampfansage an Konzerne wie Nestlé, dem Marktführer, aber auch Starbucks.
Anleger suchen das krisenfeste Geschäft, gerade in Zeiten der Pandemie. „Wegen Corona sitzen die Leute nun zu Hause, langweilen sich und trinken Kaffee“, sagte Peter Harf, Chairman der Reimann-Holding JAB, dem „Handelsblatt“. Langfristig hoffen die Investoren darauf, dass der Kaffee-Boom weiter anhält: vor allem in Ländern wie China, wo der durchschnittliche Konsum pro Kopf bislang erst bei fünf Tassen im Jahr liegt. Dazu kommt der Trend, dass Verbraucher in vielen Ländern zunehmend bereit sind, mehr Geld für Kaffee auszugeben – etwa für Kapseln.
Deswegen hat sich nicht nur der Multimilliardär George Soros in großem Stil mit den neuen Kaffeeaktien eingedeckt. Auch Stiftungen und Pensionsfonds dürften bei dem Börsengang Kasse machen, manche künftige Rentner also mit ihrer privaten Altersvorsorge davon profitieren. Auf dem Markt für das globalisierte Konsumgut Kaffee indes dürfte die Konzentration weiter zunehmen: Die ganz großen Player werden noch stärker den Ton angeben. Das mag man als Verbraucher nicht sympathisch finden, seinen Kaffee vielleicht bewusst in der Kleinrösterei kaufen. Es kann aber auch helfen, Jobs zu sichern – nicht zuletzt in Bremen, wo der Konzern ein Werk für Instant-Kaffee unterhält. Ein anderes wickelte er ab. Die traditionsreiche Kaffee-Hag-Fabrik schloss vor wenigen Jahren für immer.