Bremens Senatorin für Arbeit, Wirtschaft und Europa, Kristina Vogt (Die Linke) hat mit einem Interview zum Thema Fachkräftemangel den Zorn der Gastronomiebranche auf sich gezogen. Vogt diskreditiere auf empörende und anmaßende Art und Weise eine gesamte Branche, heißt es in einem offenen Brief der Bremer-Gastro-Gemeinschaft (BGG) an die Senatorin.
Vogt hatte sich am vergangenen Wochenende gegenüber Radio Bremen zum aktuellen Fachkräftemangel geäußert. Und dabei als Ursache der Misere nicht allein Corona und die demografische Entwicklung ausgemacht, sondern in bestimmten Branchen auch hausgemachte Probleme. So komme der Personalmangel in der Gastronomie und im Luftverkehr nicht überraschend. Hier gebe es häufig nur Minijobs oder schlecht bezahlte Stellen. Da hätten sich die Menschen lieber Jobs mit besseren Arbeitsbedingungen gesucht. Wer weiterhin auf Minijobs setze, wie die Gastronomie, werde auf lange Sicht ein Problem haben.
In Reihen von Bremens Gastronomie sorgen diese Äußerungen für Empörung. Vogt offenbare mit ihren Aussagen ein antiquiertes Bild von der Lage auf dem Arbeitsmarkt. "Warum fällt es Ihnen so schwer, zur Kenntnis zu nehmen, was sich tatsächlich auf dem Gastronomiearbeitsmarkt abspielt?", heißt es in dem offenen Brief der gastronomischen Interessenvertretung BGG. Es habe keine "Einbahnstraßen-Abwanderung" von einer Branche in eine andere gegeben. Und keine Branche habe genügend Fachkräfte. "Wenn die Pandemie und die politisch diktierten Lockdowns branchenübergreifend eines bewirkt haben, dann die Tatsache, dass Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ihre Arbeitszeit reduziert haben." Damit stünden Deutschland insgesamt zig Millionen Arbeitsstunden weniger zur Verfügung als zu Beginn des Jahres 2020.
"Ganz schräg" sei es zudem, den Fachkräftemangel und Minijobs "zusammenzurühren". Niemand könne ernsthaft glauben, dass die Gastronomiebranche gelernten Hotel- und Restaurantfachkräften Minijobs anbietet. Fachkräfte seien sozialversicherungspflichtig beschäftigt, mittlerweile in der Mehrheit der Betriebe sogar mit übertariflicher Bezahlung. Es herrsche ein – auch finanziell geführter – Wettstreit um Fachkräfte. Nicht die Arbeitgeber diktierten die Bedingungen, sondern die Arbeitsuchenden entschieden, für wen sie wie lange und zu welchen Konditionen antreten. Und an dieser Stelle passe für manche dann auch ein Minijob. Für Schüler und Studierende zum Beispiel, oder für Menschen, die neben ihrer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung einen Nebenverdienst suchen. Minijobs seien auch nicht per se prekär, betont die BGG, ein Stundenlohn von 15 Euro nicht ausgeschlossen.
Selbstverständlich seien die Minijobs in manchen Situationen auch für die Arbeitgeber genau richtig. "500 zupackende Hände auf einem dreitägigen Festival, 700 Menschen, die alle 14 Tage bei einem Werder-Heimspiel Bier und Bratwurst ausgeben – weder könnten die Arbeitgeber dies über eine Festanstellung wirtschaftlich darstellen noch sind die Beschäftigten auf der Suche nach einer Festanstellung." Als Wirtschaftssenatorin einer ganzen Branche zu attestieren, dass sie "eigentlich schlechte Jobs" anbiete, "finden wir empörend und anmaßend".