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Preissteigerungen Hersteller spüren Mehrkosten – So trifft die Inflation die Bio-Branche

Bleiben Bio-Produkte aktuell im Regal, weil niemand mehr bereit ist, dafür zu zahlen? Nein, zeigen die Verkaufszahlen. Für die Branche ist die Krise sogar eine Bestätigung ihrer Produktionsgrundsätze.
13.07.2022, 05:00 Uhr
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Hersteller spüren Mehrkosten – So trifft die Inflation die Bio-Branche
Von Katia Backhaus

Preise vergleichen, auf Sonderangebote achten, das wird für viele Bundesbürger wegen der hohen Teuerungsrate zur Gewohnheit. Das bekamen beispielsweise Spargelbauern zu spüren, deren Ware bei einer Inflation von über sieben Prozent seltener gekauft wurde. Wie trifft diese Entwicklung die Biobranche, deren Produkte oft teurer sind als konventionelle?

2020 stieg der Umsatz um gut 22 Prozent, 2021 um knapp sechs Prozent, meldet der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Marktforschung und Umfragen zeigen, dass Bio-Produkte weiterhin im Trend liegen, aber der Preis eine wichtigere Rolle spielt. Die Umsätze im Lebensmitteleinzelhandel gingen insgesamt zurück, bei Bio jedoch weniger als bei konventionellen Waren, sagt Peter Röhrig, geschäftsführender Vorstand des BÖLW. Aber: Günstigere Bio-Produkte würden vor Markenartikeln bevorzugt.

Besonders in den Naturkostfachgeschäften sei der Umsatzrückgang zu spüren, sagt Röhrig. Das erlebt auch Nicole Kahla, die seit 2009 den Bioladen „Flotte Karotte“ in Findorff führt. „Es gibt krasse Preissteigerungen, auch regelmäßig“, sagt sie. Dank eines Mitgliedschaftsprinzips können Leute, die einen festen monatlichen Beitrag zahlen, zwar günstiger einkaufen. Doch als sie die neuen Preislisten für Milch- und Molkereiprodukte gesehen habe, habe sie die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Inzwischen macht Kahla sich deswegen große Sorgen – trotz treuer Stammkundschaft. „Wenn es so bleibt, ist es schwierig, den Laden zu halten.“

Bei Oecotop in der Neustadt sieht Thilo Bunte die Situation deutlich gelassener. Der Mitgliederanteil liege bei etwa 80 Prozent, und es seien in jüngster Zeit mehr Menschen eingetreten als üblich, berichtet er. „Ich glaube nicht, dass jetzt primär gesagt wird: Wir müssen an den Lebensmitteln sparen.“ Zumindest für seine Kundschaft, die grundsätzlich Bioprodukte wertschätze und seit Langem auf möglichst wenig Verschwendung setze, könne er das nicht beobachten.

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Die Marktsituation sei im Moment für alle Landwirtschaftsbetriebe, ob konventionell oder ökologisch geführt, unsicher, sagt Yuki Henselek, Geschäftsführerin des Bioland-Verbands Niedersachsen/Bremen. Bei vielen Produkten sei eine Preisangleichung zu beobachten, weil für die konventionelle Ware sehr hohe Preise verlangt würden. Das habe vor allem mit den steigenden Kosten für Energie, Dünger und Futtermittel zu tun. Allerdings lasse sich aus dem, was die Verbraucher zahlten, nicht ableiten, was die Erzeuger erhielten. Bio-Milch sei aktuell etwa überproportional teurer geworden im Vergleich zu dem, was die Milchbetriebe bekämen. Die seien eigentlich auf höhere Erlöse angewiesen.

Auf den Biohöfen schlage sich die Krise weniger stark nieder, weil sie Futter regional einkauften oder selbst produzierten und keinen chemisch-synthetischen Dünger verwendeten. „Die Situation zeigt, dass der Gedanke von Dezentralität und Kreislaufwirtschaft der sicherste ist“, meint Henselek. Es sei nicht zu beobachten, dass Landwirte den Mut verlören: „Die, die jetzt Bio machen, machen Bio weiter.“

Allerdings gebe es nicht viele, die jetzt eine Umstellung auf ökologische Landwirtschaft in Angriff nehmen – dafür sei die allgemeine Verunsicherung wohl zu groß. "Wenn es mal eine Delle in der Kurve gibt, schreckt uns das nicht", sagt Röhrig vom BÖLW. In den vergangenen Jahren seien etwa 50 Prozent Bio-Höfe dazugekommen. Wichtig sei, auch jetzt die Klima-, Wasser- und Artenvielfaltskrise im Blick zu behalten und zu lösen. "Und genau hier braucht es mehr Bio."

Bio-Betriebe beziehen ihr Futter aus der Region oder bauen es selber an. Die Situation zeigt, dass der Gedanke von Dezentralität und Kreislaufwirtschaft der sicherste ist.
Yuki Henselek, Geschäftsführerin des Bioland-Verbands Niedersachsen/Bremen

Eike Mehlhop, Geschäftsführer der Allos Hof-Manufaktur mit Verwaltungssitz in Bremen, sieht in dem aktuellen Umsatzrückgang nur einen kurzfristigen Trend und mittelfristig keine Abkehr von Bio-Produkten. "Dazu sind Themen wie Klimawandel und Fokus auf Nachhaltigkeit zu wichtig und mittlerweile mitten in der Gesellschaft angekommen."

Die Allos Hof-Manufaktur, die unter dem Label Allos in Drebber (Landkreis Diepholz) Müsli, Aufstriche und fertige Mahlzeiten herstellt und zudem weitere Marken vertreibt, bemerke keine deutlichen Unterschiede in der Nachfrage von höher- und niedrigpreisigen Produkten. Die Herstellungskosten seien durch Klimawandel, Lieferkettenprobleme und den Krieg in der Ukraine spürbar gestiegen. Dies gelte für Rohwaren, Energie und Packstoffe. Dass die Ukraine und Russland als Herkunftsmärkte zunehmend wegfielen, habe die Marktsituation verschärft. Mehlhop erläutert: „Selbst wenn man ursprünglich gar keine Rohstoffe aus diesen Ländern bezieht, steigen die Kosten für uns als Hersteller um mehr als zehn Prozent.“

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