Die deutschen Autohersteller investieren momentan weltweit am meisten in die Elektromobilität – allen voran Daimler. Der Stuttgarter Konzern hat allein in den vergangenen vier Jahren etwa 4,7 Milliarden Euro dafür ausgegeben. Dahinter kommen BMW und Volkswagen.
Zu diesem Ergebnis kommt die Unternehmensberatung E&Y in einer neuen Studie. Dazu hat sie Geschäftsberichte, Investorenpräsentationen und Pressemitteilungen der Unternehmen ausgewertet. Dabei geht es allerdings nur um Investitionen, die ortsgebunden sind, also etwa der Neu- oder Ausbau von Fabriken. Kosten für die Forschung und Entwicklung von E-Autos wurden nicht erfasst.
Geld geht nach China
Insgesamt hat E&Y die 16 größten Autokonzerne der Welt untersucht. Neben Daimler, Volkswagen und BMW gehören dazu unter anderem Unternehmen aus den Vereinigten Staaten, Japan und Frankreich wie Ford, General Motors, Toyota oder Renault.
Ein genauer Blick in die Zahlen zeigt, dass die Autohersteller zu unterschiedlichen Zeiten in die Elektromobilität investiert haben. So hat laut der Studie Volkswagen im vergangenen Jahr gerade einmal zehn Millionen Euro in die alternative Antriebsart gesteckt. Zwischen 2015 und 2017 waren es hingegen fast drei Milliarden Euro. Genau andersherum sieht es bei BMW aus: 2018 flossen mehr als 3,2 Milliarden Euro in den Ausbau der Elektromobilität, in den Jahren zuvor investierten die Münchner nur 200 Millionen.
Bei Daimler hält es sich hingegen die Waage: Vergangenes Jahr beliefen sich die Investitionen auf 2,2 Milliarden Euro, zwischen 2015 und 2017 waren es 2,5 Milliarden. Das meiste Geld floss dabei nach China: Allein BMW hat vergangenes Jahr angekündigt, drei Milliarden Euro in die Werke in der nordostchinesischen Stadt Shenyang zu stecken. Das Geld soll vor allem in den Bau elektrischer Fahrzeuge fließen. Auch Daimler hat laut E&Y 2018 bekannt gegeben, 1,5 Milliarden Euro in seinen chinesischen Standort zu investieren.
Mit den Mitteln soll die bereits bestehende Produktion in Peking ausgebaut werden. Weitere 880 Millionen Euro sind für den Aufbau einer Batterieproduktion in Tuscaloosa, USA, gedacht. 2017 hatte Volkswagen angekündigt, dass das Werk in Zwickau zu einer reinen E-Auto-Fertigung werden soll. Das kostet den Konzern etwa eine Milliarde Euro. Die Elektromobilität, das lässt sich aus diesen Zahlen ableiten, ist den Autokonzernen enorm wichtig.
Gerhard Schwartz von E&Y formuliert es noch drastischer: „Viele Hersteller setzen gerade alles auf eine Karte.“ Und: „Sie nehmen Milliardensummen für die Entwicklung und den Ausbau der Produktion von Elektroautos in die Hand und sparen massiv an anderer Stelle.
Die Unternehmen gehen mit dieser Strategie eine durchaus mutige und teure Wette auf die Zukunft ein.“ Sie setzten auf einen baldigen und starken Anstieg der Verkaufszahlen von Elektroautos.
Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research an der Universität Duisburg relativiert diese Darstellung. Er sagt: „Die Hersteller haben gar keine andere Alternative.“ Sie müssten nun massiv in die Elektromobilität investieren, um die strengen Vorgaben der EU in den nächsten Jahren zu erreichen. Denn die Europäische Union verlangt, dass Autohersteller den CO2-Ausstoß ihrer Flotten drastisch verringern.
Die hohen Investitionen zu diesem Zeitpunkt seien immer noch besser als die drohenden Strafzahlungen, wenn die Unternehmen den CO2-Grenzwert nicht einhielten. Nachdem die deutschen Konzerne den Diesel selbst vernichtet hätten, bleibe nur noch der E-Antrieb, um dieses Ziel zu erreichen, sagt Dudenhöffer. Alternativen wie Fahrzeuge mit Brennstoffzelle seien längst nicht ausgereift.
„Magere Jahre“
Anders als es die hohen Investitionen aber vermuten ließen, seien die deutschen Hersteller nicht führend auf dem Gebiet der Elektromobilität, sondern gerade mal im Mittelfeld. Tesla, Hyundai-Kia und Renault-Nissan lägen vor VW, Mercedes und BMW. Laut Dudenhöffer haben manche Hersteller das Thema aber komplett verschlafen. Dazu zählt er Toyota, Honda oder Ford.
Trotz aller Mühen: Der kommerzielle Erfolg könnte auf sich warten lassen, glaubt Schwartz: „Die Autoindustrie muss sich auf magere Jahre einstellen.“ Denn die Hersteller stünden vor einigen Problemen. Die Ladeinfrastruktur sei mangelhaft, der Verkaufspreis sehr hoch und die Marge sehr niedrig.
„Die aktuell angekündigten Sparmaßnahmen vieler Autokonzerne sind nur ein Vorgeschmack auf das, was in den kommenden Jahren noch auf die Unternehmen und ihre Belegschaften zukommen wird“, sagt Schwartz. So wolle GM etwa mehrere Werke schließen, auch VW habe ein Sparprogramm angekündigt. „Wir werden erhebliche Umstrukturierungen und Kostensenkungsmaßnahmen sehen.“