Herr Bol, am Dienstag erlischt das Feuer im Kessel von Block 15 – das letzte Kohlekraftwerk in Bremen geht außer Betrieb. Was geht Ihnen durch den Kopf: Trauer, Stolz oder die Einsicht, dass es mit der Kohle halt vorbei ist?
Marcus Bol: Das Aus für Strom aus Kohle kündigt sich ja schon sehr lange an. Politisch gewollt und klimaschutztechnisch absolut notwendig, keine Frage. Der Umbau unserer Erzeugung in Bremen läuft seit vielen Jahren, weg vom Einsatz fossiler Energieträger. Trotzdem ist es emotional natürlich noch mal ein ganz anderes Ding, wenn der Tag X dann tatsächlich bevorsteht. Das heißt, wie es uns allen hier am 30.4. gehen wird, werden wir sehen. Da hat jeder Kollege und jede Kollegin eigene Gedanken. Und dazu gehört natürlich auch Trauer. Trauer darüber, dass wir uns vom Block 15 verabschieden müssen. Und das müssen wir verdauen. Auch wenn Kraftwerker gerne als „harte“ Jungs gelten, kommen da schon Gefühle hoch. Und so ein Block als Dreh- und Angelpunkt des Arbeitslebens wächst einem natürlich ans Herz.
Gibt es also trotz des schlechten Images, den die Kohle seit vielen Jahren hat, so etwas wie Stolz, in einem Kohlekraftwerk zu arbeiten?
In der Tat sind wir stolz darauf, was wir hier leisten: Revisionen, Umbauten, Abbauten, Neubauten, neue Grenzwerte, neue Technologien, neue politische Ausrichtungen, Weltpolitik, harte Winter, heiße Sommer – egal, wir haben zuverlässig die Strom- und Fernwärmelieferungen sicher aufrechterhalten. Jetzt beginnt etwas Neues, und auch darauf sind wir stolz – stolz, dabei zu sein, die neue Technik für die Erzeugung von Morgen mitaufzubauen. Jede Entwicklung ist eine Station, ein Übergang bis zur nächsten Neuerung.
Die Einsicht, dass es mit der Kohle nicht weitergeht, ist also auch bei einem stolzen Kraftwerker vorhanden?
Der Betrieb der oft als dreckig bezeichneten Kohlekraftwerke war unser Job, den wir engagiert und mit Feuereifer ausgeübt haben. Das Ansehen von Kohlekraftwerken und ihr Image verläuft ja in Wellenlinien. Bei seiner Gründung 1906 war der Kraftwerksstandort Hastedt Herz und Motor der modernen Zeit. Vollkommen klar, dass sich da über die Jahrzehnte was ändert, die Technik und die Erkenntnisse sich weiterentwickeln.
Ursprünglich sollte ja schon einmal Schluss sein, Ende 2022. Dann kamen der russische Überfall auf die Ukraine und die Energiekrise und Sie mussten weitermachen. Wie war das für Sie?
Wir waren alle vorbereitet und dann sind wir weitergelaufen, um dazu beizutragen, die Versorgungssicherheit in der Energiekrise aufrechtzuerhalten. Das Stichwort Klimaschutz trat vor dem Stichwort Versorgungssicherheit zurück. Inzwischen steht Klimaschutz wieder an erster Stelle, danach richtet sich alles aus. Und das ist gut. Es geht ja weiter, anders. Es gilt, das, was war, weiterzuentwickeln.
Alle Kollegen bekommen einen neuen Job bei der SWB – ist das bei all den gemischten Gefühlen an diesem Tag für Sie ein Grund zur Freude?
Tatsächlich haben alle Kolleginnen und Kollegen weiterhin eine Beschäftigung im SWB-Konzern. Das muss man erst mal hinkriegen – haben wir. Ein Wermutstropfen: Die Kolleginnen und Kollegen am Standort waren alle ein gleichwertiges Team, in dem jedes Mitglied an seiner Stelle wichtig war. Jede Hand gehörte zum Uhrwerk. Indem wir den Job hier zusammen gewuppt haben, sind wir zusammengewachsen. Das löst sich nun zwangsläufig auf.
Welche Erinnerungen bleiben an Block 15?
Der Spaß an Technik und Menschen, auch in der Nachbarschaft im Stadtteil. Die Empathie für den Job, ohne die du ihn nicht machen kannst. Wir alle hier haben mit dem Block gelebt. Mein persönliches Motto dabei ist bis heute: "Ich mach' die Arbeit so, dass ich zufrieden bin – und die Familie auch." Es macht einfach Spaß. Was uns keiner nehmen kann, ist das, was uns zusammengeschweißt hat. Ereignisse, gelöste Aufgaben, vor denen wir standen, das Hin und Her, wann der Block vom Netz gehen wird. Das hat uns wie in einer Familie gezeigt, dass es sich immer lohnt, sich mit etwas auseinanderzusetzen. Nur dann siehst Du auch die Chancen.