"Heimat des Schiffsrecyclings der Zukunft" – so verkündet es noch immer die Internetseite der Leviathan GmbH. "Erster emissionsarmer Schiffsrecyclingbetrieb der Welt" wollten die Bremer werden: Statt alten Schiffen an ölverschmutzten Stränden in Südostasien mit dem Schneidbrenner zu Leibe zu rücken, sollte das Altmetall auf deutschen Werften von Robotern mit einem Hochdruck-Wasserstrahl zerlegt werden – aus der Drecksarbeit sollte eine saubere Sache werden. Doch der Plan ist nicht aufgegangen: Die Bremer Schiffsrecycler sind insolvent, bevor sie ihr erstes Schiff entsorgen konnten.
Im August hat das Amtsgericht Bremen das Insolvenzverfahren eröffnet. Viel zu verteilen gibt es nicht: Das Unternehmen bestand im Wesentlichen aus seinen beiden Eigentümern Karsten Schumacher und Simeon Hiertz, einer Büroadresse in der Überseestadt und vielen Plänen. "Es bleibt uns nichts anderes übrig als den Betrieb einzustellen und das Unternehmen zu liquidieren", kündigt Insolvenzverwalter Tim Beyer an.
Die Idee hinter Leviathan war größer als der bescheidene Geschäftsauftritt vermuten lässt: Schiffsrecycling – jahrzehntelang eine Domäne von Abwrackbetrieben in Südostasien – sollte sich dank Automatisierung auch in Deutschland lohnen. "Die Weltschiffsflotte ist überaltert", sagt Leviathan-Mitgründer Karsten Schumacher, der von der Geschäftsidee nach wie vor überzeugt ist. Tausende von Schiffen müssten in den kommenden Jahren abgewrackt werden. Der anfallende Stahlschrott werde in Europa gebraucht, vor allem in der Stahlindustrie, wenn diese auf die Produktion von klimaneutralem "grünem Stahl" umrüste.
Scharfer Wasserstrahl zerschneidet Stahl
Dazu kommt: Konnten die Betreiber der "Schiffsfriedhöfe" in Indien, Pakistan und Bangladesch jahrelang Umweltschutz und Arbeitssicherheit getrost vernachlässigen, sollen die Bestimmungen der mittlerweile in Kraft getretenen Hongkong-Konvention künftig auf diesem Gebiet weltweite Mindeststandards setzen – was das Ausschlachten der Schiffe auch in Südostasien verteuern würde, so die Kalkulation der Leviathan-Gründer.
Vor diesem Hintergrund machten sich die beiden Schiffbauingenieure 2021 mit ihrer Idee selbstständig. Sie entwickelten einen Roboter, der mit einem scharfen Wasserstrahl und 2500 Bar Druck meterdicken Schiffsstahl zerschneiden kann. Auf der Suche nach einem Standort für ihre erste Recyclinganlage wurden die Unternehmensgründer in Stralsund auf dem Gelände der insolventen MV Werften fündig. Auch in Brake eröffneten sie im vergangenen Jahr eine kleine Niederlassung. Ein in Hamburg ansässiger Investmentfonds sagte zu, einen mittleren sechsstelligen Betrag in das Start-up zu investieren.
Doch die Dinge entwickelten sich langsamer, als die Unternehmensgründer gehofft hatten. Das Abwracken eines Schiffes bedarf einer Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, das unter anderem Luftverunreinigungen und Geräuschbelästigungen durch Gewerbebetriebe regelt. Und die Behörden taten sich schwer damit, Regularien für das in Deutschland bislang unübliche Zerlegen eines Schiffes zu entwickeln. "Wir sind an Bürokratismus und Bedenkenträgerei gescheitert", beklagt Schumacher.
Projekt kommt nicht von der Stelle
So kam das Stralsund-Projekt nicht von der Stelle. Auch am Firmensitz in Bremen vermissten die Leviathan-Gründer die erhoffte Unterstützung für einen Betrieb in den Industriehäfen. Nur für Brake konnten sie eine Abwrackgenehmigung und ein kleines Fahrtgastschiff als erstes Demonstrationsobjekt für ihre Technologie ergattern.
Am Ende ging den Unternehmensgründern das Geld aus. Der Investor hielt die vereinbarte Kapitalspritze zurück. Zu den Einzelheiten will Schumacher sich nicht äußern – die Sache ist ein juristisches Streitthema, in das sich auch der Insolvenzverwalter eingeschaltet hat. "Ich werde versuchen, das Geld beizutreiben", kündigt Rechtsanwalt Beyer an. Doch selbst wenn der Investmentfonds am Ende zahlen muss, wird das Geld allenfalls dazu dienen, die Schulden abzutragen – retten wird es Leviathan nicht. "Die Geschäftsidee ist interessant, und wir haben nach dem Insolvenzantrag versucht, weitere Investoren zu finden", versichert der Sanierungsexperte. "Aber man muss auch sagen, dass das Unternehmen noch ein ganzes Stück davon entfernt ist, gewinnbringend zu arbeiten."
In Emden dagegen hat mittlerweile das neu gegründete Recyclingunternehmen EWD Benli eine Genehmigung zum fachgerechten Zerlegen von Schiffen erhalten – allerdings mit herkömmlichen Schneidbrennern. Raimund Bleischwitz, Direktor des Bremer Leibniz-Instituts für Marine Tropenforschung (ZMT) und Experte für Schiffrecycling, sieht angesichts der anstehenden Verschrottungswelle von alter Schiffstonnage nach wie vor großes Interesse an dem Thema. "Der Markthochlauf beginnt", versichert er. Für Leviathan allerdings käme die Wende zu spät.