Erstanläufe von Schiffen bewirken manchmal ein größeres öffentliches Interesse - etwa wenn es sich um ein Kreuzfahrtschiff wie die "Queen Mary 2" oder ein Containerschiff handelt, das gerade den neuen Containerstellplatz-Rekord aufgestellt hat. Eine Art Tankschiff, genauer gesagt eine sogenannte schwimmende Speicher- und Wiederverdampfungseinheit, gehörte nicht zu dieser Kategorie – bislang. Denn die "Höegh Esperanza", die an diesem Donnerstag Wilhelmshaven erreichte, steht, wie es ihr spanischer Name nicht besser ausdrücken könnte, für ein Stück Hoffnung in Zeiten des Energieengpasses. Der in wenigen Monaten verwirklichte Bau des LNG-Terminals ist Teil der Bemühungen Deutschlands, unabhängig von Gaslieferungen aus Russland zu werden.
Das Spezialschiff dient am neuen Importterminal für verflüssigtes Erdgas (LNG) künftig als schwimmende Plattform, um von Tankern angeliefertes LNG anzulanden. Der Anleger befindet sich nahe dem Küstenort Hooksiel. Für Sonnabend ist die feierliche Inbetriebnahme der Anlage mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geplant, bevor nach Angaben des Terminal-Betreibers Uniper am 22. Dezember erstmals Gas ins deutsche Pipelinenetz eingespeist werden soll.
Die „Höegh Esperanza“ wurde in Spanien mit rund 165 000 Kubikmetern LNG beladen. Laut Uniper reicht diese Menge, um 50.000 bis 80.000 Haushalte in Deutschland für ein Jahr zu versorgen. Insgesamt soll das Terminal künftig fünf Milliarden Kubikmeter LNG pro Jahr regasifizieren und in das deutsche Gasnetz einspeisen. Das entspricht rund sechs Prozent des deutschen Gasbedarfs. Drei weitere Schiffe hat die Bundesregierung ebenfalls gechartert - sie sollen in Brunsbüttel, Stade und Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) stationiert werden.
Die sogenannten Schiffsspotter – Menschen, die Fotos von Schiffen machen und sammeln – werden es schwer gehabt haben, eine zufriedenstellende Aufnahme zu bekommen. Denn im Umkreis der Umschlaganlage Voslapper Groden des Terminalbetreibers Uniper waren mehrere Straßen für die Öffentlichkeit gesperrt, berichtete der NDR und bezog sich auf eine Mitteilung der Polizeidirektion Oldenburg. Grund für den Einsatz der Sicherheitskräfte waren aber nicht die Schiffsspotter - die Behörden schlossen den Bereich fürs Publikum, weil sie offenbar Störaktionen von Klimaaktivisten erwarteten. Die Sicherheitsmaßnahmen beinhalteten auch ein Drohnen-Flugverbot, das bis einschließlich Sonnabend gilt. Die "Höegh Esperanza" wurde zuvor bereits von der Wasserschutzpolizei ab der sogenannten Zwölf-Meilen-Grenze begleitet und zum Anleger gebracht.
Kritik am Terminal und am geplanten LNG-Ausbau insgesamt kommt unter anderem vom Umweltverband Nabu. „Der Betrieb des Terminals in Wilhelmshaven erfolgt mitten im Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer und damit in einem der wichtigsten und sensibelsten Ökosysteme der Welt, welches ohnehin schon starken Belastungen ausgesetzt ist", so Holger Buschmann, Landesvorsitzender des Nabu Niedersachsen. Dieser Eingriff in ein gesetzlich geschütztes Unterwasserbiotop zerstört den Lebensraum zahlreicher, teils bereits gefährdeter Tier- und Pflanzenarten. In diesem sensiblen Umfeld sollen über das Terminalschiff täglich bis zu 530.000 Kubikmeter mit Chlor- und Bromnebenprodukten belastete Abwässer in die Jade geleitet werden.
"Mit dem LNG-Gesetz und der Planung von zwölf neuen LNG-Terminals, die bis 2043 betrieben werden sollen, gehen die Bemühungen der Bundesregierung deutlich über eine eher kurzfristig zu bedienende Gasnachfrage hinaus", sagt Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Sogar innerhalb des Bundeswirtschaftsministeriums stoße das auf Zweifel. "Klimaschädliche, fossile Infrastruktur werde ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und mit sehr verkürzten Beteiligungsverfahren durchgewunken." Die offizielle Genehmigung für den Betrieb des neu gebauten LNG-Terminals soll zeitnah ergehen. Der Nabu kündigt an, unmittelbar nach der Genehmigung das Vorgehen gemeinsam mit anderen Verbänden auf dem Klagewege überprüfen zu lassen.