Oft ist eine Schnapsidee nicht mehr als das. Ein plötzlicher Einfall setzt sich fest, man schmiedet man große Pläne, traut sich zu, die Welt zu erobern oder wenigstens mal wieder joggen zu gehen. Wenig später ist der Tatendrang verflogen, die Euphorie abgeebbt. Manchmal ist eine Schnapsidee aber auch der Ausgangspunkt für etwas Großes. So zumindest war es bei Dennis Dietz. Seine Schnapsidee hat den 37-Jährigen bis nach Mallorca gebracht.
Dietz ist Ingenieur und arbeitet in der Windbranche. Erneuerbare Energien. Zukunft. Als er seinen Arbeitgeber wechselte und seinen Dienstwagen abgeben musste, war klar: Das neue Auto muss elektrisch sein. „Etwas anderes kam gar nicht infrage“, sagt er heute. Zwar kann Dietz häufig von zu Hause aus arbeiten, wenn er aber mal ins Büro muss, fährt er 170 Kilometer – pro Strecke.
Ein Tesla für 60.000 Euro
Er hat viel darüber nachgedacht: Welches Elektroauto soll es sein? Welches kann er sich überhaupt leisten? In seinem letzten Urlaub hatte er einen i3 von BMW als Mietwagen. Auch die Autos anderer Hersteller findet er interessant. Am Ende, sagt er, hat er keine Wahl. Dietz bestellt sich einen Tesla. „Alle anderen waren nicht verfügbar“, sagt er. Er nimmt das preiswerteste Modell, ein Model 3, weiß, Vollausstattung mit großer Batterie: 60.000 Euro. Das sei nicht gerade günstig, sagt Dietz. Aber geil. Und es passe zu seiner Überzeugung.
Sein neues Auto holt er Ende März ab. Im Sommer kommt die Schnapsidee auf. „Warum fahren wir nicht nach Mallorca?“, fragt er seine Freundin. Also geht es los, Ende September, für gut zwei Wochen. Der 37-Jährige sieht die Reise als Experiment: Wie sind die rund 2000 Kilometer in einem E-Auto? Schafft er die Strecke überhaupt? Gibt es genug Ladesäulen? Gibt es sie dann, wenn er sie braucht?
Dietz’ Sorgen scheinen nicht unbegründet. Das erste Problem kommt auf, als er noch nicht mal losgefahren ist. Am Abend vor der Abfahrt will er sein Model 3 an der Ladesäule um die Ecke aufladen, doch die ist blockiert – von einem Auto mit Verbrennungsmotor. Es ist eine Lektion, die er als E-Autofahrer schnell lernt: Allzu häufig stehen Autos an Ladepunkten, die dort nichts zu suchen haben. „Ich würde mir wünschen, dass die Stadt solche Autos abschleppt“, sagt Dietz. Andere Städte täten dies, Bremen nicht.
Lektion Nummer zwei folgt in der Schweiz. Die Batterie seines Autos wird immer leerer; Dietz sucht eine Ladestation. Und sucht und sucht. Denn die, die er sich zuvor auf einer App ausgeguckt hatte, ist nicht zu finden. Die nächste, die er anfährt, außer Betrieb. Dann – kurz vor Stillstand – findet er doch noch eine. „Danach habe ich mir gesagt: keine Experimente mehr.“ Bis zu diesem Erlebnis wollte Dietz wissen, wie es als normaler E-Auto-Fahrer ist. Die Supercharger, Teslas eigene Schnellladesäulen, habe er bewusst nicht angefahren. Auch, weil er so sparen kann. Als SWB-Kunde hat er für viele Säulen eine Flatrate für gerade mal 25 Euro im Monat. „Auf dem Weg durch Deutschland haben wir mehr für Toilettenpausen bezahlt als fürs Laden“, sagt er.
Längere Pausen an den Ladestationen
Keine Experimente, das heißt: Jetzt geht’s auch an die Supercharger. „Da ist mir bewusst geworden, warum Tesla so erfolgreich ist“, sagt Dietz. Denn nach 20 bis 30 Minuten ist die Batterie wieder zu etwa 80 Prozent voll. Das habe Auswirkungen auf das Pausenverhalten. Denn anders als bei der Tankpause – die eher ein aktiver Prozess sei – sei man bei der Ladepause zum Verschnaufen gezwungen. „Wir haben dann einfach Cappuccino getrunken oder ein paar Mails beantwortet“, sagt Dietz. Früher sei er häufiger mit seinen Eltern nach Ungarn in den Urlaub gefahren. Sein Roadtrip jetzt? Kein Vergleich.
Dietz spricht häufig vom Paradigmenwechsel, davon, dass sich etwas ändern muss. Für ihn ist klar, dass die Zahl der E-Autos auf deutschen Straßen wachsen wird. Früher habe es Dampfloks gegeben, dann Elektrolokomotiven; früher hätten Menschen mit einen großen Nokia-Handy telefoniert, nun mit dem iPhone. „Wie werden wir wohl in zehn Jahren über jetzt denken?“
Vor der Fahrt hat Dietz ausgerechnet, wie viel CO₂ er wohl verbrauchen wird. Er überschlägt, kommt auf etwa 22 Kilogramm, wenn er nur Säulen mit Ökostrom anfährt. Wären seine Freundin und er geflogen, stünden mehr als 2700 Kilo in ihrer CO₂-Bilanz für Hin- und Rückweg. Forscher haben berechnet, dass jedem Menschen rund 2300 Kilo CO₂ pro Jahr zustehen, um die Auswirkungen des Klimawandels in verträglichen Grenzen zu halten. Wobei, sagt er, die Fährüberfahrt eigentlich alle Einsparungen gleich wieder zunichte gemacht hat.
Dietz glaubt an den Wandel. Dass Volkswagen nun in großem Stil in die Elektromobilität investiere, lässt ihn hoffen. Die größten Hemmnisse von E-Autos seien aber immer noch der Preis und die Reichweite. Dass der Kreis der E-Autofahrer trotzdem größer wird, merkt er auch in anderer Hinsicht: Zusammen mit einem ehemaligen Arbeitskollegen betreibt er einen Onlineshop und verkauft Zubehör für Elektroautos, Ladekabel, Wandboxen, Adapter. Als er Ende vergangenen Jahres an den Start ging, habe es vielleicht fünf oder sechs Konkurrenten gegeben; jetzt sei der Markt deutlich größer. Ein Zeichen, dass das Interesse wachse.
Als Dennis Dietz Mitte Oktober nach rund 4000 Kilometern wieder in Bremen ankommt, ist das Experiment vorbei – und aus seinen Augen geglückt. Würde er es nochmal machen? Ja, sagt er. Wobei: Ganz so weit müsse es dann nicht sein. Eine lange Autofahrt bleibe eben immer noch eine lange Autofahrt.