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Offshore-Windkraft Nach Rekordjahr kriselt es bei der Offshore-Windkraft

Trotz Rekord-Stromlieferung im vergangenen Jahr kriselt es in der Offshore-Windbranche. Sie fordert deshalb von der Bundesregierung, die Ausbauziele wieder zu erhöhen.
08.05.2018, 17:59 Uhr
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Nach Rekordjahr kriselt es bei der Offshore-Windkraft
Von Peter Hanuschke

Das vergangene Jahr war das erfolgreichste in der Geschichte der Offshore-Industrie: 2017 erzeugten die Windparks auf See 18,3 Terawattstunden Strom und damit fast 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Mehr als 1000 Windkraftanlagen in Nord- und Ostsee produzierten an 363 Tagen des Jahres Energie. Dennoch ist die Branche enorm unter Druck: Die Bundesregierung reduzierte die Ausbauziele, wieder einmal veränderten sich die Rahmenbedingungen, und das eine oder andere Unternehmen musste bereits Insolvenz anmelden.

Trotzdem herrscht so etwas wie Zuversicht in der Branche, die sich am 15. und 16. Mai zum 14. Mal auf der Windforce-Konferenz in Bremerhaven trifft. Die Zuversicht lässt sich auch als Zweckoptimismus mit der Hoffnung beschreiben, dass die Bundesregierung der Offshore-Industrie einmal über einen langfristigen Zeitraum Rahmenbedingungen setzt, damit die Energiewende gelingt.

"Um das Ziel von 65 Prozent erneuerbarer Energien im Stromsektor zu erreichen, ist eine deutliche Erhöhung des Ausbauvolumens Offshore notwendig", sagte Bremens Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) bei der Pressekonferenz zur Windforce. Die Branche habe im vergangenen Jahr bei der Installation von Windparks nur von Altaufträgen gelebt, die vor sechs Jahren auf den Weg gebracht worden seien.

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Die Zickzack-Politik in Sachen Offshore-Rahmenbedingungen sei ein Widerspruch zu dem, was sinnvoll sei. Die Regierung hatte unter anderem die Ausbauziele 2014 im Rahmen des novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wegen der zunächst hohen Kosten von 25 auf 15 Gigawatt (GW) bis zum Jahr 2030 herabgesetzt. Die Branche und auch die fünf Küstenländer wollen 20 GW bis 2030 und 30 GW bis 2035 durchsetzen.

Was die hohen Kosten der ersten Windparks angeht, hat seit dem vergangenen Jahr ein wahrer Wandel stattgefunden: Bis dahin war Strom aus Offshore-Windkraftwerken noch sehr teuer und musste von den Kunden über die Stromrechnung mitfinanziert werden. Offshore-Windparks, die im vergangenen Jahr und vorher ans Netz gegangen sind, erhalten 15,4 Cent (für zwölf Jahre) oder 19,4 Cent (für acht Jahre) Einspeisevergütung je Kilowattstunde.

Das ist mehr als der Marktpreis. Verbraucher müssen im Gegenzug pro Kilowattstunde eine Ökostrom-Umlage von 6,88 Cent zahlen. Dieses Fördermodell wurde im vergangenen Jahr durch ein Ausschreibungsmodell abgelöst und ist ein Ergebnis der vorerst letzten Änderung des EEG gewesen: Diejenigen bekommen die Zuschläge, die mit der geringsten Förderung auskommen.

Es ergab sich eine Auftragsdelle

Und dabei gab es ganz überraschende Ergebnisse: So sind unter anderem bei der ersten öffentlichen Ausschreibung neuer Offshore-Windparks Zuschläge an Projekte der Energiekonzerne EnBW und Dong gegangen, die gar keine öffentliche Förderung mehr benötigen. Problem dieser Windparks, die den Zuschlag erhalten haben: Sie werden alle erst nach 2021 ans Netz gehen.

Daraus ergebe sich natürlich eine Auftragsdelle, die die Branche jetzt schon spüre, sagte Andreas Wellbrock, Geschäftsführer der Windagentur WAB, die mehr als 300 Mitgliedsunternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette hat und die Windforce organisiert. Es finde eine Konsolidierung im Markt statt, der vor allem sehr von mittelständischen Unternehmen geprägt sei, die als Pioniere und aus Überzeugung heraus Offshore in Deutschland überhaupt erst möglich gemacht hätten.

Einige Unternehmen fusionierten, andere suchten sich neue Geschäftsfelder und ein paar müssten schließen. "Wir beraten unser Mitgliedsunternehmen auch und vermitteln Geschäftskontakte ins Ausland – dort finden inzwischen immer mehr Offshore-Aktivitäten statt. Und unser Know-how ist gefragt."

Diese Entwicklung findet sich an manchen Standorten auch deutlich bei den Beschäftigungszahlen wieder: So gab es in Bremerhaven zu Hochzeiten etwa 4000 Beschäftigte, inzwischen sind es nur noch etwa 1500. Bundesweit liegt die Anzahl der direkt und indirekt Beschäftigten in der Windbranche inklusive dem Bereich Onshore aber immer noch bei über 130 000. "Ich bin überzeugt davon, dass die Zahlen auch in Bremerhaven wieder hochgehen", sagte Lohse.

Der Standort werde auch vom Siemens-Produktionswerk in Cuxhaven profitieren. Alle Sachargumente sprächen für einen Ausbau der Offshore-Windenergie. Jetzt müsse nur noch auf allen Ebenen mehr Druck auf die Bundesregierung ausgeübt werden, um einen Gegenpart der Befürworter fossiler Energieträger aufzubauen, die bekanntlich sehr gut mit der Bundesregierung verdrahtet seien. "Ich erwarte eine Verstetigung der erneuerbaren Energien – da sehe ich die Bundesregierung eindeutig in der Verantwortung."

Leuchtturm in Sachen Energiewende

Weltweit nehme das Thema erneuerbare Energien zu, insbesondere werde immer mehr das große Potenzial gesehen, das in der Offshore-Windenergie liege, sagte Wellbrock. "Wir erwarten zur Windforce über 230 Teilnehmer aus zehn Nationen. Die kommen, weil uns nach wie vor zu Recht der Ruf vorauseilt, Leuchtturm in Sachen Energiewende zu sein." Doch ändere sich nichts an der Position der Bundesregierung, werde Deutschland künftig von anderen Nationen überholt.

"Wir stehen weltweit vor einem epochalen energiewirtschaftlichen Transformationsprozess." Und der werde unausweichlich kommen. Die Bundesregierung könne jetzt die Weichen stellen, damit Deutschland in diesem Prozess als industrieller Taktgeber mitwirke. Die Energiewende müsse nachhaltig entwickelt werden und über einen Zeitraum von ein, zwei und mehr Legislaturperioden gesehen werden, sagte Jens Assheuer, stellvertretender WAB-Vorsitzender.

Bei Offshore-Wind bedeute das etwa, dass es nicht nur um die Stromerzeugung gehe oder darum, wie der Strom von Nord nach Süd transportiert werde. Es gehe vielmehr darum, wie man insgesamt diese Energie intelligent verwende – etwa durch moderne Speichermethoden oder Sektorenkopplung, also Windstrom für Wärme und Mo­bilität nutzt.

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