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"Dann müssen wir eben kämpfen" Absage an grünen Stahl: Das sagen die Arcelor-Mitarbeiter

Einen Tag nach der Absage zur Umrüstung auf grünen Stahl zeigten sich die Beschäftigten von Arcelor verärgert und enttäuscht. Auch die Sorge um Arbeitsplätze wächst. Wie steht es um eine grüne Zukunft?
20.06.2025, 19:08 Uhr
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Absage an grünen Stahl: Das sagen die Arcelor-Mitarbeiter
Von Florian Schwiegershausen

Freitagmittag gegen 13.30 Uhr vor Tor 2 des Bremer Stahlwerks. Es ist Schichtwechsel. Die Mehrheit der Beschäftigten spricht von Enttäuschung über die Entscheidung von Arcelor-Mittal, auf den Umbau zum grünen Stahl vorerst zu verzichten. So sagt es auch Marcel Brand-Sassen. Der Bauingenieur hat mit dieser Perspektive hier im vergangenen September in der Bauabteilung angefangen, weil es für ihn kein alltägliches Großprojekt war: "Davon erzählt man später mal seinen Kindern und Enkelkindern." Er findet die Entscheidung "schade" – gleichzeitig hat der 35-Jährige weiterhin Hoffnung: "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Es muss ja irgendwann etwas werden, wenn wir eine grüne Zukunft haben wollen." Und er möchte daran mitarbeiten, Bremens CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Ein älterer Mitarbeiter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hat sein ganzes Leben in der Hütte gearbeitet. Er sagt: "Dann müssen wir eben wieder auf die Straße gehen und kämpfen wie damals in den 1990er-Jahren." Er meint die Zeit, in der die Klöckner Werke in Konkurs gingen, im Ruhrgebiet ein Stahlwerk nach dem anderen schloss, die Bremer Hütte aber überlebte. Die Entscheidung von Arcelor-Mittal kann er jedoch nachvollziehen: "Die können doch nicht gleichzeitig alle Stahlwerke in Europa auf grünen Stahl umstellen. Da werden wohl erst andere an der Reihe sein, Bremen kommt dann später."

"Die Frustration ist groß"

Während er das sagt, verteilen die IG-Metaller im Betrieb, die sogenannten "Vertrauenskörper", an der Schranke von Tor 2 Flugblätter, um auf die Kundgebung am Dienstag hinzuweisen. Der Stahlbauschlosser Murat Develioglu sagt: "Die Frustration ist sehr groß. Wir haben hier seit fünf Jahren für ein Zukunftsbild gekämpft und wurden über fünf Jahre hingehalten. Wir wollen jetzt eine ganz klare Perspektive, damit wir wissen, ob wir in zehn Jahren noch hier arbeiten können." Die Perspektive sieht so aus, dass es bald einen Elektrolichtbogenofen brauche. So sieht es auch seine Kollegin Maren Wolter: "Die ganze Zeit ackern wir hier, damit das was wird mit dem grünen Stahl, denn das ist richtig mit Blick auf die Zukunft und die Kinder, also die nächste Generation." Viel Freizeit haben sie und die anderen da hineingesteckt, um an einem Plan für die Zukunft mitzuarbeiten.

Hasan Basi Alma kommt gerade von der Frühschicht und sagt: "Ich mache mir schon Sorgen um meinen Arbeitsplatz und frage mich, ob das alles hier sicher ist. Ich glaube, das wird verlagert werden, was ich nicht hoffe. Das ist schon eine beklemmende Situation." Die Jüngeren unter seinen Kollegen wüssten nicht genau weiter. Er mutmaßt, dass vieles langfristig nach Indien verlagert werde, hofft aber, dass es nicht so kommt. Beim Blick auf die Fördergelder sagt er: "Eine Milliarde Euro ist zwar sehr viel Geld, aber dennoch rechnet sich die Produktion wohl nicht. Ein Mitarbeiter, der seinen Namen ebenso nicht in der Zeitung lesen möchte, sagte: "Das war doch klar. Eine Woche, nachdem Habeck den Förderbescheid überreicht hatte, ging das doch alles schon in die Richtung."

"Schlag ins Kontor"

Bereits am Freitagvormittag auf der Zukunftskonferenz der IG Metall Küste im Atlantic-Hotel an der Uni zum Wandel der Arbeit äußerte sich Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte dazu: "Bis letzte Woche wurde noch mit dem Bundeswirtschaftsministerium darüber gesprochen, die Frist bis Jahresende zu verlängern. Diese sechs Monate nicht zu nutzen, war ein Schlag ins Kontor." Gleichzeitig wies er darauf hin, dass es ja um eine Förderung in Zukunft gehe: "Da ist bisher kein einziger Cent geflossen." Der IG-Metall-Küste Chef Daniel Friedrich sagte: "Wir erleben an vielen Stellen, dass die Unternehmen versuchen, aus dieser Transformation auszusteigen oder diese zu verlangsamen." Wenn man da den Fehler mache, nur kurzfristig zu denken, hole das Arcelor-Mittal in fünf Jahren wieder ein und andere Unternehmen spätestens in zehn Jahren."

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