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Hester Somsen Niederländische Botschafterin über Kooperation der Häfen

Zwei Tage lang besuchte die neue niederländische Botschafterin Hester Somsen in dieser Woche Bremen. Im Interview spricht sie über die Konkurrenz der Häfen, holländische Pipelines und ihre Jugend mit dem ZDF.
19.06.2025, 05:00 Uhr
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Niederländische Botschafterin über Kooperation der Häfen
Von Christoph Barth

Zur Person

Hester Somsen
ist seit Oktober 2024 Botschafterin der Niederlande in Berlin. Zuvor war sie unter anderem Botschafterin im Libanon, Leiterin der Direktion Sicherheitspolitik im niederländischen Außenministerium sowie stellvertretende Nationale Koordinatorin für Terrorismusbekämpfung und Sicherheit.

Beginnen wir mit den diplomatischen Formalien: Nach der offiziellen Sprachregelung des Auswärtigen Amtes darf ich Sie mit „Exzellenz“ oder „Frau Botschafterin“ ansprechen. Welche Anrede bevorzugen Sie?

Mir wäre Hester am liebsten. „Frau Botschafterin“ ist auch in Ordnung. „Exzellenz“ war im Libanon üblich, wo ich auch schon als Botschafterin im Einsatz war. Natürlich hat das Protokoll eine Funktion, aber für mich geht es in der Diplomatie darum, dass man einander kennenlernt. Wenn mein Deutsch übrigens nicht klar genug ist…

Das ist ganz wunderbar. Haben Sie das in der Schule gelernt?

Ja, sechs Jahre lang, und ich habe es sehr geliebt. Ich komme aus dem Osten der Niederlande – da, wo man damals mit WDR und ZDF aufgewachsen ist. Bis jetzt konnte ich das in meinem Beruf noch gar nicht richtig anwenden.

Aber jetzt: Seit Oktober vergangenen Jahres sind Sie Botschafterin Seiner Majestät des Königs der Niederlande in Berlin – und diese Woche zu Ihrem Antrittsbesuch in Bremen. Welche Eindrücke nehmen Sie nach zwei Tagen aus der Stadt mit?

Sehr positive. Es gab einen sehr guten Austausch mit dem Bürgermeister, der Bürgerschaftspräsidentin, dem Innensenator, der Handelskammer. Ich habe Bremen als die „City of Space“ kennengelernt mit sehr spannenden Raumfahrtprojekten – da sehe ich viele Möglichkeiten der Kooperation. Und ich war auf der „Windforce“-Konferenz in Bremerhaven.

Wo die Niederlande in diesem Jahr Gastland sind. Mehr als 300 Bremer Unternehmen unterhalten Geschäftsbeziehungen mit Ihrem Land – Sie sind der sechstgrößte Handelspartner für die Stadt.

Darüber war ich ein bisschen enttäuscht, als ich das hörte: Für ganz Deutschland sind wir auf Platz drei.

Da ist also noch Luft nach oben. Bei den Häfen gibt es aber auch starke Konkurrenz: Rotterdam hat den deutschen Häfen in den vergangenen Jahren beständig Marktanteile abgenommen. Gibt es trotzdem Bereiche, in denen die Häfen kooperieren können und sollten?

Wir sind Wettbewerber auf der Ebene der Hafenbetriebe, aber wir müssen natürlich auch zusammenarbeiten. Wenn man sich die Weltkarte anschaut, wäre es ja etwas komisch, wenn wir in unserem kleinen Bereich – Belgien mit dem Hafen Antwerpen, wir mit Rotterdam und Deutschland mit Bremen/Bremerhaven und Hamburg – dazu nicht in der Lage wären. Hier geht es zum Beispiel um Fragen der Sicherheit: In der gegenwärtigen geopolitischen Lage müssen wir auch Angriffe auf NATO-Gebiet in Betracht ziehen – wie gehen unsere Häfen damit um? Und zum anderen arbeiten wir an einer gemeinsamen EU Port Strategy.

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Also der neuen Hafenstrategie der EU, die unter anderem ausländische Beteiligungen an den Häfen begrenzen will, speziell mit Blick auf China. In Rotterdam gibt es Containerterminals, die von chinesischen Unternehmen betrieben werden – Hutchison und Cosco. Muss man solche Beteiligungen überdenken?

Zunächst muss man ein Bewusstsein dafür schaffen: Wo könnten Bedrohungen liegen? Spionage ist sicherlich das Erste, woran man denkt. Da muss man sich ein bisschen in den Kopf des anderen versetzen: Wie würde ich das machen? Und sich dann überlegen, welche Bereiche und Funktionen man lieber in der eigenen Hand behält.

Ist es denn denkbar, dass Hutchison und Cosco aus ihren Terminalbeteiligungen verdrängt werden?

Nein, im Moment nicht. Unsere Analyse hat ergeben, dass das Risiko an dieser Stelle nicht so hoch ist und dass es Möglichkeiten gibt, etwas dagegen zu tun. Wenn wir die Häfen schließen, ist die Sicherheit natürlich am höchsten – aber dann haben wir auch keine Wirtschaft mehr. Ich glaube, das Entscheidende an der EU Port Strategy ist: Zum ersten Mal sieht die Europäische Union ihre Häfen als strategische Einrichtungen. Es ist wie bei diesem Spiel, „Die Siedler von Catan“: Man braucht so schnell wie möglich einen Hafen – anders kann man nicht gewinnen.

Was viele Bremer nicht wissen: Es sind niederländische Staatsunternehmen, die die Stadt mit Strom und Gas versorgen. Die Firma Tennet betreibt die Hochspannungsleitungen rund um Bremen, will ihre Deutschland-Tochter aber verkaufen. Und Gasunie unterhält die Gaspipelines und will hier weiter investieren – in ein Wasserstoffnetz. Wozu soll das dienen?

Gasunie verfügt über große Erfahrung mit dem niederländischen und deutschen Gasnetz aus der Zeit, als bei uns noch viel Erdgas gefördert wurde. Und ein Teil dieses Rohrleitungsnetzes soll nun umgerüstet werden für den Transport von Wasserstoff. Die niederländische und die deutsche Regierung sehen im Wasserstoff eine wesentliche Komponente der Energiewende.

Zuletzt sind die Hoffnungen etwas gedämpft worden: Wasserstoff bleibt auf absehbare Zeit sehr knapp und teuer. Hält Gasunie trotzdem an den geplanten Investitionen in Deutschland fest?

Es ist ja so ein bisschen ein Henne-Ei-Problem: Was ist zuerst da – die Nachfrage oder das Angebot? Ich glaube, dass auch die Regierungen gefordert sind, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Als niederländische Regierung sind wir da weiterhin auf dem Weg, weil der Wasserstoff nach unserer Auffassung sehr viele Möglichkeiten bietet: um Energie zu speichern, für lange Fahrtstrecken mit dem Lkw, für die Stahlindustrie, in der Luftfahrt.

Sie haben bei Ihrem Besuch auch einen neuen Honorarkonsul der Niederlande in sein Amt eingeführt: Cornelius Neumann-Redlin, der in Bremen als Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände arbeitet. Warum war der Wechsel nötig?

Wir hatten hier 27 Jahre einen hervorragenden Honorarkonsul, Hylke Boerstra, der in Bremen sehr gut vernetzt ist und viel für die Niederlande getan hat. Aber Hylke hat uns vor zwei Jahren auch signalisiert, dass er mittelfristig das Amt abgeben wird. Er war uns dann sehr behilflich bei der Suche nach einem Nachfolger, der die Bremer Wirtschaft und Kultur ebenfalls sehr, sehr gut kennt. Ich freue mich, dass wir am Montag Cornelius Neumann-Redlin als Honorarkonsul vereidigen konnten. Berlin ist weit weg von hier, also ist es für uns ganz wichtig, jemanden hier zu haben, der die Augen offenhält und die Kontakte pflegt.

Und Ihre Vorstellungsreise durch Deutschland geht weiter?

Etwas mehr als die Hälfte der Bundesländer habe ich bereits geschafft. Das ist bei uns in den Niederlanden ja ganz anders: Wir sind ein zentralistischer Staat. Die Bundesländer spielen eine ganz andere Rolle als unsere Provinzen – deshalb ist es für mich wichtig, da überall Kontakte zu knüpfen.

Das Gespräch führte Christoph Barth.

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