Andreas Meyer: Das ist wirklich schon einige Male passiert. Aber als Handwerkskammer sind wir ja selbstverständlich zur Neutralität verpflichtet. Ich kann da nur den allgemeinen Tipp geben: Man sollte sich einen Stamm von Handwerkern für die verschiedenen Gewerke suchen. Denn als Stammkunde bekommt man bei seinem Handwerker in der Regel eher einen Termin.
In den vergangenen Monaten haben Sie in der Stadt Präsenz gezeigt. Wenn Sie dabei noch zusätzliche Jugendliche gefunden haben, die eine Ausbildung im Handwerk machen wollen, umso besser.Jugendliche für das Handwerk zu begeistern, ist das größte unserer vier Schwerpunktthemen. Viele Handwerksbetriebe berichten mir, dass sie gerne weitere Jugendliche ausbilden würden, um ihren Fachkräftebedarf abzudecken. Viele Jugendliche haben eine Ausbildung im Handwerk aber nicht auf dem Schirm, da ihnen die Vielfältigkeit, die Chancen und Perspektiven, die sich hier bieten, nicht bekannt sind. Um dem entgegenzuwirken, haben wir uns das Ziel gesetzt, Handwerk wieder stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken. Hier stehen für uns die jungen Menschen, die Lehrkräfte, aber genauso auch die Eltern im Fokus. Denn die sind die wichtigsten Berufsberater.
Damit auf alle Fälle nicht. Wir sind dazu auf allen Ebenen aktiv und versuchen dabei auch, Netzwerke aufzubauen. Dazu gehören zum Beispiel unsere vielfältigen Aktivitäten zur Berufsorientierung der Schülerinnen und Schüler, sei es durch Betriebsinhaber, die in die Schulen gehen oder die Teilnahme an der sogenannten Werkstattphase der bremischen Oberschulen in unserem handwerklichen Bildungsstätte, der Handwerk gGmbH in der Schongauer Straße.
In den vergangenen Monaten haben Sie auch immer wieder das Thema „Nachfolge“ erwähnt.26 Prozent unserer Betriebsinhaber sind über 55 Jahre alt und acht Prozent über 65. Auch wenn diese noch Spaß daran haben, ihren Betrieb zu führen, haben sie vielleicht noch niemanden gefunden, der das Unternehmen fortführen möchte. Da wollen wir die Betriebe – zusammen mit Partnern aus der bremischen Handwerksorganisation – stärker begleiten. Das müssen Sie aber auch wieder in einem Zusammenhang sehen.
In welchem?Wir brauchen auch Menschen, die in einem zeitlichen Abstand nach der Ausbildung gewillt und in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen und Spaß daran haben, ein Unternehmen zu führen. Deshalb ist es auch wichtig, dass das Handwerk an Gymnasien präsent ist und sich auch Abiturienten für Handwerksberufe entscheiden. Diese Perspektiven und Chancen sind vielen jungen Menschen in der Tiefe oft gar nicht so präsent. Das Potenzial, später einen Betrieb zu übernehmen, ist auf alle Fälle riesengroß.
Wie sieht es dabei denn mit den finanziellen Perspektiven aus?Wenn wir mit Betriebsinhabern sprechen, hören wir, dass viele von ihnen seit Jahren gute Umsätze mit entsprechenden Margen erzielen. Das zeigt auch unsere aktuelle Konjunkturumfrage. Aber Geld ist ja natürlich nur ein Aspekt. Sich selbst zu verwirklichen, sein eigener Chef zu sein, ist dabei natürlich genauso wichtig.
Es gibt bundesweit die Online-Börse „Nexxt Change“, das Thema Nachfolge ist aber oft nicht so rational zu sehen. Hier spielen viele Aspekte eine Rolle, zum Beispiel auch die Frage, wie sich aktuell die technische Ausstattung des Betriebes darstellt. Ein Betrieb der seine Prozesse bereits vollständig digital abbildet, hat hier größere Chancen einen jüngeren Nachfolger zu finden, der auch bereit ist, einen adäquaten Preis an den abgebenden Betriebsinhaber für dessen Lebenswerk zu zahlen. Die Betriebe dabei zu unterstützen, sich den digitalen Herausforderungen zu stellen, ist für uns daher ebenfalls ein weiteres Schwerpunktthema. Unser Digitallotse steht den Handwerksbetrieben hier beratend zur Seite. Darüber hinaus haben wir vorgesehen, uns in nächster Zeit mit einem Innovationsberater zu verstärken.
Wie steht es um die Digitalisierung?Wir arbeiten daran, die Klischees – die viele Menschen vom Handwerksberufen vor Augen haben – aufzubrechen. In vielen Berufen sind nicht mehr nur Muskeln gefordert. Umfangreiche computergesteuerte Maschinenunterstützung ist in vielen Jobs nicht mehr wegzudenken und erleichtert die körperliche Arbeit. Der Pflasterer beispielsweise legt nicht mehr jeden Stein hin. Das wird per Bedienelement inzwischen palettenweise auf die Straße gelegt. Und der Dachdecker guckt sich das Dach per Kameradrohne an, um danach sein Angebot zu machen. Da gibt es nahezu für alle Gewerke Beispiele. Dafür brauchen wir auch Menschen, die an so etwas Spaß haben.
Und das vierte Thema?Das vierte Thema ist der Klimawandel, bei dem wir die Handwerksbetriebe noch stärker begleiten wollen. Bei der Fridays-for-Future-Bewegung wird vieles angestoßen, was teils bereits zu einer verstärkten Wahrnehmung für dieses Thema in der Bevölkerung geführt hat. Was allerdings die Umsetzung angeht, so sind die Handwerksbetriebe die eigentlichen Klimaschützer. Dieses Bewusstsein müssen wir der Bevölkerung stärker verdeutlichen.
Wir freuen uns natürlich, dass die Bundesregierung hier aktuell steuerliche Anreize plant, um die energetische Gebäudesanierung voran zu treiben. Vor dem Hintergrund, dass bereits jetzt viele Handwerksbetriebe vollständig ausgelastet sind und die Auftragsbücher voll sind, wird auch hier deutlich, dass weitere Fachkräfte erforderlich sind. Neben den geschäftlichen Chancen, die der Klimawandel für viele Gewerke bietet, besteht natürlich auch die Herausforderung darin, den eigenen Betrieb so aufzustellen, dass er klimaschonend agiert.
Wie ist denn die Kammer für diese Themen aufgestellt?Die Handwerkskammer bietet bereits heute eine Vielzahl von Beratungsangeboten, die von den Betrieben genutzt werden. Daneben sind wir derzeit dabei, Netzwerke aufzubauen beziehungsweise Partnerschaften einzugehen, um unsere Unterstützungsleistungen für die Betriebe noch weiter zu optimieren. Wir sehen uns auf alle Fälle nicht nur als die hoheitliche Stelle, die die Lehrlings- und Handwerksrolle führt. Wir wollen noch stärker als kundenorientierten Dienstleister für unsere Betriebe agieren, der einen entsprechenden Mehrwert bietet. Zu diesen Partnerschaften zählen natürlich bei dem Thema „Nachwuchsfindung beziehungsweise Fachkräftesicherung“ auch die Zusammenarbeit mit der Bremer Bildungsbehörde sowie dem Wirtschaftsressort. So stehen die ersten Gespräche zur Neuauflage der „Bremer Vereinbarung“ in den nächsten Tagen an.
Bisher stand immer eine konkrete Zahl von Ausbildungsplätzen im Mittelpunkt. Das ist aus unserer Sicht aber nicht zielführend. Hier sollten unseres Erachtens vielmehr konkrete Maßnahmen im Mittelpunkt stehen, die insbesondere die Berufsorientierung noch weiter verbessern und letztlich sicherstellen, dass der Übergang von der Schule in die duale Ausbildung optimiert wird. Da gibt es aus unserem Hause schon eine Reihe von Ideen, die wir hier gerne einbringen.
In der Pflege werden neuen Mitarbeitern ja schon Antrittsprämien in Höhe von 10.000 Euro gezahlt.Es gibt viele Handwerksbetriebe quer durch alle Gewerke, die ihren Auszubildenden deutlich mehr zahlen, als es der Tarifvertrag vorsieht. Das können auch Sachprämien sein, indem der Auszubildende zum Beispiel einen Motorroller bekommt, damit er auch gut zur Arbeit kommen kann. Zu diesem Thema gehört natürlich auch, dass Aus- beziehungsweise Fortbildungserfolge positiv öffentlich herausgestellt werden. Hier gibt es zum Teil tolle Abschlüsse, auf die die Absolventen, auch die dahinterstehenden Betriebe stolz sein können. Wir ehren daher unsere besten Lehrlinge am 7. Februar im Rathaus. Und am 7. Oktober werden wir unsere erste große Meisterfeier in Bremen begehen für alle, die ihre Meister-Prüfung erfolgreich abgeschlossen haben.
Dass Handwerk und Ausbildung den gleichen Stellenwert haben sollen wie die akademische Ausbildung, hat ja bereits der ehemalige Handwerkskammer-Präses gefordert.Dazu nur ein Beispiel: Studierende haben ein Semesterticket, mit dem sie in der ganzen Region fahren können. Auszubildende haben diese Möglichkeit nicht. Hier setzen wie uns dafür ein, dass eine Gleichwertigkeit entsteht.
Gibt es solche Unterschiede auch in anderen Themenbereichen, die das Handwerk betreffen, etwa Unterschiede zwischen Bremen und Niedersachsen?Zum Teil müssen wir immer wieder feststellen, dass bei Unterstützung und Förderung des Handwerks Niedersachsen einen Schritt voraus ist. Zum Beispiel hat Niedersachen Mitte dieses Jahres eine Gründungsprämie für Handwerksbetriebe eingeführt. Insofern ist entscheidend, ob ich ein paar Meter über die Landesgrenze einen Betrieb eröffnen um immerhin 10.000 Euro Zuschuss zu erhalten. Wir sind derzeit in Gesprächen mit dem Wirtschaftsressort, um hier gleichzuziehen, damit uns letztlich kein Betrieb verloren geht.
Wenn Sie hier auf mein eigenes Alter anspielen: Wir, der Vorstand, die Geschäftsführung und die Mitarbeiter der Handwerkskammer, haben uns viel vorgenommen, einiges haben wir in den letzten Monaten bereits auf den Weg gebracht, aber vieles gilt es noch zu bewegen. Dafür brauchen wir natürlich Zeit, aber auch für mich gilt natürlich, sich rechtzeitig um die eigene Nachfolge zu kümmern.
Die Fragen stellte Florian Schwiegershausen.
Andreas Meyer (58) Seit August ist Andreas Meyer Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Bremen. Bis 2014 war er bereits Geschäftsführer der Bremer Kreishandwerkerschaft. Dann wechselte er in die Wirtschaft und übernahm leitende Aufgaben in der Gesundheitswirtschaft und im Factoring. Meyer kommt aus Bremen-Nord, er ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Handwerkskammer kooperiert mit Starthaus
Beim Thema Unternehmensgründung wollen die Handwerkskammer Bremen, die Kreishandwerkerschaften Bremen und Bremerhaven enger mit dem Starthaus zusammenarbeiten. Sie haben dazu mit Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) einen Kooperationsvertrag unterzeichnet. Kern der Zusammenarbeit ist die gegenseitige Unterstützung und Vernetzung bei Veranstaltungen und Marketing. So werden Starthaus und Handwerk künftig Veranstaltungen, Workshops, Sprechtage, Räume und Informationsveranstaltungen koordinieren, sich gegenseitig bei der Ausrichtung und Bekanntmachung von Gründungsaktivitäten unterstützen und ihre jeweiligen Kundinnen und Kunden auf Angebote aufmerksam machen.
„Wir wollen das Leistungsspektrum des Bremer Gründungsökosystems kontinuierlich weiter ausbauen. Die Handwerksorganisationen im Land Bremen sind dabei ein wichtiger Partner“, sagte Kristina Vogt bei der Unterzeichnung. Handwerkskammer-Präses Thomas Kurzke begrüßte dies und verwies auf den engen Draht zu den Handwerkern und Betrieben im Land: "So können wir unmittelbar auf Anregungen aus der Wirtschaft reagieren.“ Ralf Stapp, Geschäftsführer der Bremer Aufbau-Bank, die das Starthaus trägt, fügte an: "Zusammen mit der Kammer und den Kreishandwerkerschaften wollen wir Gründungswillige begleiten sowie bei Unternehmensnachfolgen und Betriebsübergaben unterstützen."
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