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Betriebe suchen für dieses Jahr noch In letzter Sekunde zum Ausbildungsplatz

Der August geht los und damit das neue Ausbildungsjahr. Doch Bremens Betriebe haben noch so viele freie Ausbildungsplätze, die sie gern noch besetzen möchten. Erklärungen dafür hat so mancher Betrieb selbst.
29.07.2021, 18:01 Uhr
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Von Stefan Lakeband Florian Schwiegershausen

Eigentlich beginnt am Montag das neue Ausbildungsjahr. Und vielleicht findet der Bremer Energieversorger SWB noch auf den letzten Drücker einen jungen Menschen, der Anlagenmechaniker werden möchte. Denn aktuell laufen die Gespräche mit Bewerbern, wie Julia Claassen von der SWB sagt. Vor drei Wochen sah es jedoch noch danach aus, dass sich überhaupt keiner mehr melden würde. Claassen wirbt daher schon jetzt für die Ausbildung im nächsten Jahr.

Ähnlich ist die Situation beim Bremer Bühnenbau. Neben Tischen und Stühlen stellt der Betrieb viel für Radio Bremen und andere Film- und Fernsehproduktionen her, aber auch für Museen. Es geht also um nicht ganz alltägliche Werkstücke. Doch Chef Peter Räsch hat erst vergangene Woche jemanden gefunden, der an diesem Montag eine Ausbildung zum Tischler beginnt.

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Räsch selbst hat Verständnis: „Die Jugendlichen sind durch die Corona-Situation verunsichert. Und wenn Sie ins Gespräch kommen, dann merken Sie auch, dass die jungen Menschen auch mit Depressionen infolge der Pandemie zu kämpfen haben.“ Das ist eine Entwicklung, die er feststellt: „Die Auswirkungen werden wir wahrscheinlich erst noch in den kommenden Jahren merken.“ Dann sieht er einen anderen Trend bei den jungen Menschen: Immer weniger hätten einen Führerschein – der sei aber häufig für die Arbeit von Vorteil.

Einen weiteren Punkt sieht Räsch selbst im Betrieb: „Durch die Pandemie waren so gut wie keine Praktika möglich.“ Über diesen Weg finden Azubi und Unternehmen oft zueinander, und der sei eben ausgefallen. Daher habe sich das alles mit dem Bewerbungsmodus nach hinten verschoben. In Bremen sagen die Handwerkskammer und die Handelskammer, dass auch in den kommenden Wochen noch viel Bewerbung auf dem Ausbildungsmarkt sei. Der Beginn müsse nicht zwingend zum 1. August oder 1. September sein und könne auch später sein. Zu spät allerdings auch nicht, weil es für die Spätanfänger nicht einfacher werde, in der Berufsschule mitzukommen.

Dass sich die Jugendlichen genau Gedanken machen, welchen Beruf sie ergreifen wollen und sich durch die Pandemie damit mehr Zeit lassen, diese Erfahrung machen auch Michael Zeimet und sein Team. Der Geschäftsführer Ausbildung bei der Handelskammer Bremen sagt: "Wir haben hier insgesamt für Bremen und Bremerhaven 4370 gemeldete Ausbildungsplätze. Das sind knapp acht Prozent mehr als im Vorjahr. Davon sind momentan 1680 Stellen unbesetzt." 2400 Ausbildungsverträge seien bei der Kammer derzeit eingetragen. Laut Zeimet ist das in etwa auf Vorjahresniveau. Er gibt zu bedenken, dass die Sommerferien in diesem Jahr spät seien und geht daher davon aus, dass wohl noch 800 Verträge hinzukommen werden.

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Bei der Handwerkskammer Bremen sind für das Bundesland bisher 676 Ausbildungsverträge zur Eintragung verzeichnet. Damit übertrifft die Kammer das Vorjahr, allerdings nicht die Zahlen von 2018 und 2019. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Oliver Kriebel animiert die Jugendlichen dazu, nochmals in der Lehrstellenradar-App zu schauen: "Bei Interesse können sie also auch hier noch fündig werden."

Oliver Steffens hätte am liebsten ab August jemanden eingestellt, der eine Ausbildung zum Fahrradmechatroniker machen möchte. Der Geschäftsführer des Fahrradverleihers WK-Bike, an dem der WESER-KURIER beteiligt ist, sagt: "Wir möchten vor allem jemanden ausbilden, um ihn anschließend zu übernehmen." Steffens erinnert sich an frühere Zeiten, als er in seinem Fahrradgeschäft gearbeitet hat und bei einer unbesetzten Lehrstelle zum Fahrradmechaniker zahlreiche Bewerbungen bekam. Er bleibt optimistisch, dass er doch noch jemanden findet.

Auch andere Firmen geben die Hoffnung nicht auf: So sucht beispielsweise das Kosmetikstudio Hautquartier, das gerade erst in die Theodor-Heuss-Allee nahe dem Hauptbahnhof gezogen ist, zwei Azubis, die Kosmetikerin oder Kosmetiker werden wollen. Ebenso sucht die Union-Brauerei in Bremen-Walle noch jemanden, der an einer Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann oder zur Veranstaltungskauffrau interessiert ist. Wer durch die Lehrstellenbörsen im Internet schaut, kann feststellen, dass unter den freien Plätzen Ausbildungsberufe sind, bei denen die Betriebe früher bereits ein Jahr im Voraus ihre neuen Azubis gefunden hätten.

Der Chef der Bremer Arbeitsagentur, Joachim Ossmann, appellierte am Donnerstag an die Jugendlichen, sich auch noch nach dem offiziellen Ausbildungsstart um eine Lehrstelle zu bemühen: „Die Arbeitsagentur macht keine Ferien.“ Ohne Ausbildung in das Berufsleben zu starten sei der denkbar schlechteste Weg. „Wir haben schon genug Geringqualifizierte in Bremen und brauchen keine mehr.“ Bei der Agentur sind unter anderem noch 184 freie Ausbildungsplätze für Verkäufer, 141 für Kaufleute, 71 für Lagerlogistiker und rund 70 in der Gastronomie im System verzeichnet. Und auch die Arbeitsagentur selbst sucht in Bremen noch zwei Azubis. Aus eigener Erfahrung könne Ossmann sagen, dass das „kein schlechter Arbeitgeber“ sei.

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Per App zur Lehrstelle

Da sich in den vergangenen Jahren für die Betriebe die Situation immer schwieriger gestaltet hat, Auszubildende zu finden, versuchen die Unternehmen nun verstärkt, die Jugendlichen dort abzuholen, wo sie unterwegs sind. So haben die Handwerkskammern die App "Lehrstellenradar" ins Leben gerufen. Dort sind für viele Städte die Ausbildungsplätze aufgelistet. Auf dem Stadtplan können die Interessierten sogar sehen, wo sich der Betrieb befindet - das kann dabei helfen, wenn jemand nicht so weit entfernt von seiner Wohnung arbeiten möchte. Hier sind momentan 159 freie Lehrstellen eingetragen und eine ganze Reihe an Praktikumsplätzen.

Für die kaufmännischen Berufe haben die Industrie- und Handelskammern die App "Lehrstellenbörse" zum Download auf das Smartphone für das iPhone und das Android-Gerät. Hier sind für Bremen und umzu noch 172 Lehrstellen verzeichnet. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass einige Betriebe gerade erst ihren Azubi gefunden haben und die Stelle aus der App noch nicht ausgetragen haben. Auf der anderen Seite sind einige Plätze doppelt eingetragen - sowohl in der Lehrstellenbörse als auch im Lehrstellenradar.

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