Der irische Schriftsteller Oscar Wilde hat einmal gesagt: „Nachahmung ist die höchste Form der Anerkennung.“ Dieses Lob könnte auch auf die Wagenfeld-Leuchte mit ihrem zeitlosen Design zutreffen. Der Bremer Industriedesigner und Bauhaus-Schüler Wilhelm Wagenfeld schuf sie im Jahre 1924. Da war er selbst gerade mal 24 Jahre alt. Heutzutage ist es das Bremer Unternehmen Tecnolumen in Hastedt, das weltweit exklusiv die Lizenz hat, das Original zu bauen. Wagenfeld hatte dazu in den 1970er-Jahren eine Vereinbarung mit dem Unternehmen getroffen.
Seitdem hat der Bremer Leuchtenhersteller in zwei Bereichen zu tun: Auf der einen Seite werden die Lampen wie vor 40 Jahren von Hand zusammengebaut, auf der anderen Seite kämpft das Unternehmen weltweit gegen billige Kopien an. Die Beliebtheit lässt sich durchaus als Lob auffassen, Tecnolumen geht dadurch aber wichtiger Umsatz verloren. Dass diese Plagiate nicht unbedingt aus Asien kommen müssen, zeigt das aktuelle Beispiel. Wie Tecnolumen berichtet, ist es dem Hersteller zum ersten Mal in Großbritannien gelungen, dass das Urheberrecht der Wagenfeld-Leuchte faktisch anerkannt wird.
So konnten die Bremer vor Gericht erfolgreich gegen Swivel UK Limited vorgehen. „Das Unternehmen ist sowohl im stationären als auch im Online-Handel aktiv und vertreibt dort die Wagenfeld-Leuchte als Plagiat“, sagte Tecnolumen-Sprecher Frank Meierdiercks. Der oberste englische Gerichtshof, der High Court of Justice, hat mit einer sogenannten Tomlin Order zugunsten der Bremer entschieden. Für das Unternehmen Swivel bedeutet das: Es muss kurzfristig alle Kopien übergeben und darf in Zukunft Nachbildungen weder verkaufen noch ins Land einführen.
Zusätzlich muss Swivel zeitnah in der englischen „Times“ und in der Augustausgabe des auflagenstarken englischen Designmagazins „Elle Decoration“ eine Anzeige veröffentlichen, in der es die Rechte von Tecnolumen anerkennt und die eigenen Leuchten als Repliken bezeichnen muss. Damit ist ein jahrelanger Rechtsstreit beendet. Geführt hat ihn für Tecnolumen die auf Patentrecht spezialisierte Bremer Kanzlei Eisenführ Speiser. Anwalt Rainer Böhm, der auf gewerblichen Rechtsschutz spezialisiert ist, sagte: „Großbritannien ist nun nicht mehr sicher für Plagiateure.“ Als nächsten Schritt wolle die Kanzlei nun ihre Bemühungen auf Irland ausweiten, wie Böhm ergänzte: „Mit dem Rückenwind dieses juristischen Erfolges sind weitere 40 bis 50 Nachahmer in unseren Fokus gerückt und werden kurzfristig juristisch angegangen.“
Der Tecnolumen-Geschäftsführer Carsten Hotzan sagte: „Wir haben das Ziel, den Markt von Rechtsverletzern frei zu machen.“ Nach seiner Einschätzung ist die Wagenfeld-Leuchte eine der am häufigsten kopierten Designobjekte. „Der Kampf gegen die Kopisten war bisher ein Kampf gegen Windmühlen“, ergänzte Hotzan. Er hofft, dass die Entscheidung des englischen Gerichtshofs ebenso anderen Designmarken hilft, ihre Urheberrechte durchzusetzen. Tecnolumen hat in letzter Zeit ebenso bei anderen Designleuchten mit Kopien zu kämpfen – sowohl bei den Modellen der Bauhaus-Schülerin Marianne Brandt als auch bei den verschiedenen Leuchten im Art-déco-Stil.
Deutschen Originalherstellern sei in den vergangenen Jahren durch Plagiate ein Schaden von knapp 55 Milliarden Euro entstanden, wie aus einem Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln vom vergangenen Jahr hervorgeht. Hotzan führt weiter aus: „Wir wissen genau, wo welche Leuchten kopiert und angeboten werden. Dementsprechend werden wir auch weiterhin gegen Plagiateure juristisch vorgehen.“ Den Unterschied zwischen seinen Lampen und den Kopien beschreibt der Geschäftsführer so: Die Leuchten von Tecnolumen würden vererbt, die Plagiate hätten dagegen eine wesentlich geringere Lebensdauer, seien von minderer Qualität und es bestünden auch Sicherheitsmängel.
Die Original-Leuchten haben unter der Fußplatte eine Nummerierung mit einem Logo von Tecnolumen, der Lampenschirm ist aus mundgeblasenem Opalglas und die Zuleitung besteht aus einem schwarzen Textilkabel. In dieser Form sei die Leuchte derzeit sehr beliebt, wie vom Hersteller zu hören ist. Durch das Bauhaus-Jubiläum im vergangenen Jahr hatte Tecnolumen schon mit einer höheren Nachfrage gerechnet. Dazu war die Bremer Leuchten-Manufaktur im vergangenen Jahr auch extra mit einem Stand in Köln auf der Internationalen Möbelmesse vertreten.
„Dass die Nachfrage aber so groß ausgefallen ist, das freut uns natürlich sehr“, sagte Sprecher Frank Meyerdiercks. Eine ganze Reihe der Bestellungen kamen aus Asien und den USA. Für die 20 Mitarbeiter, von denen etwa die Hälfte in der Werkstatt die Leuchten montiert, bedeuteten die letzten Monate also, Aufträge abzuarbeiten. Diese Nachfrage bestehe aber ebenso für die Leuchten der Bauhaus-Schülerin Marianne Brandt. Vor dem Bauhaus-Jubiläum waren die wichtigen Märkte für die Bremer neben Deutschland auch die Schweiz, Italien und die Niederlande.
Fälschungen gegen Originale
Doch 2019 gab es auch noch zusätzliche Anfragen aus einer Ecke, mit der Tecnolumen nicht gerechnet hatte. „Bei uns haben sich auch Schulbuchverlage gemeldet, weil sie mehr Informationen zu den Leuchten und zum Thema Bauhaus haben wollten“, erinnerte sich Meyerdiercks. Denn in mehreren Bundesländern steht die Geschichte vom Bauhaus-Design auf dem Lehrplan des Kunstunterrichts in der Oberstufe. So sollen sich auch die Jugendlichen mit dem besonderen Bauhaus-Design-Motto „Die Form folgt der Funktion“ auseinandersetzen.
Im Kampf gegen die Plagiate wählte Tecnolumen vor acht Jahren einen ungewöhnlichen Weg. Da bot das Unternehmen mit der Kampagne „No Fake“ einen Tausch an: Fälschungen gegen Originale. Laut Geschäftsführer Hotzan war die Aktion ein großer Erfolg. Er geht davon aus, dass der deutsche Markt nahezu frei von Fälschungen sei. Seit 2002 verkaufen die Bremer mit ihrem Schwesterunternehmen Tecnoline auch Schalter sowie Tür- und Fensterbeschläge, die ebenfalls von Wilhelm Wagenfeld entworfen wurden, von Walter Gropius und von anderen Bauhaus-Designern. Es wäre nicht verwunderlich, wenn auch hier die Fälscher längst aktiv sind.