Im Bremer Güterverkehrszentrum lässt sich die Zukunft des Warentransports greifen. Auf den ersten Blick ist das nicht gleich erkennbar. Das Logistikzentrum sieht von außen recht unspektakulär aus. Tatsächlich soll hier aber vieles anders funktionieren. Im Sinne der Nachhaltigkeit.
Auf dem Hallendach gibt es also nicht nur einen besonderen Ausblick über die Stadt. Dort oben entsteht auf stolzen 80.000 Quadratmetern Fläche eine Solaranlage – und damit Deutschlands größte Solaranlage auf einer Industrieimmobilie.
Worum es hier geht? Im Prinzip bringt BLG im Logistikzentrum namens C3 für Mercedes Autos auf den Weg – nur sind die Fahrzeuge noch nicht zusammengebaut, sondern in ihre Einzelteile zerlegt für den Transport. "Completely Knocked Down" heißt das Verfahren. Schon seit vielen Jahren übernimmt BLG die Aufgabe für Mercedes. Jetzt soll es allerdings wesentlich "grüner" passieren.
Im Jahr sollen hier 8,4 Millionen Kilowattstunden Solarstrom produziert werden können. Das entspricht dem Bedarf von mehr als 2400 Haushalten. Das Logistikzentrum braucht davon nur einen Teil. Die Solaranlage soll weitere Standorte mit Energie versorgen.
Zur Einweihung spielt das Wetter allerdings nicht ganz mit. Am Himmel verbergen Wolken die Sonnenkraft. Die Freude der Gäste übers Projekt ist trotzdem da – ganz klar.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist zum Termin gekommen und hebt das Engagement der BLG hervor. Die Logistikketten müssten künftig klimaneutral sein. Deren Ausbau sei zudem wichtig: "Wir rechnen damit, dass die Menge der zu transportierenden Waren und Güter sich in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln wird."
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) stimmt ins Lob ein. Das Projekt der BLG verbinde Wirtschaft und Klimaschutz und schaffe zugleich gute Arbeitsplätze. C3? Da denkt Bovenschulte direkt an eine Figur aus der Welt von "Star Wars".
Im Logistikzentrum ist jedoch kein C-3PO – so der Name des Leinwandhelden – im Einsatz. Roboter mit dem Spitznamen Dolly helfen stattdessen, sausen durch die Hallen und bringen selbstständig Autoteile auf den Weg, wie ein auf dem Boden schwebendes Tablett.

Roboter bringen die Autoteile von allein auf den Weg. Ihr Spitzname: Dolly.
Roboterarme von Kuka bringen zudem Paletten und Pakete zusammen. Die Sendungen für sämtliche Fahrzeugmodelle gehen raus ins Ausland zu den Werken des Autoherstellers – vor allem auch über den Seeweg. An fünf Tagen läuft der Drei-Schicht-Betrieb.
Beschäftigte gibt es trotz der Roboter einige, wenngleich mancher Hallenabschnitt einsam scheint: Derzeit arbeiten hier rund 500 Menschen. Sabrina Schröder gehört dazu. Das Packen der Ware ist ihre Aufgabe. An das Zusammenspiel unter anderem mit den Dollys müsse man sich erst gewöhnen. "Das ist sehr viel Technik", sagt Schröder. Die Arbeit im Neubau gefällt ihr jedoch. Das sei schön.
Die BLG will vor Ort attraktive Arbeitsplätze schaffen. C3 steht für Customer, Climate und Comfort – also Kunde, Klima und eben auch Komfort. Auf dem Gelände entsteht eine Dünenlandschaft für die Pausen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In den Räumen außerhalb der Hallen ist viel Grünes zu finden: Mooskugeln hängen von der Decke.

Sabrina Schröder ist eine von derzeit rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Riesenlogistikzentrum.
Vorstandschef Frank Dreeke sieht das C3 als "Leuchtturmprojekt" für die BLG und für Bremen. Seit gut zweieinhalb Jahren laufe die Arbeit am Gesamtprojekt. "Der Einklang von Ökonomie und Ökologie ist für uns hier ganz wichtig." Das zeige unter anderem die Solaranlage auf dem Dach. Sein Unternehmen will bis 2030 klimaneutral sein.
Diese Selbstverpflichtung der BLG nannte Habeck angesichts der Herausforderungen "ein ganz starkes Zeichen". Der Sektor sei nicht leicht zu dekarbonisieren. Die Nutzung der Dachflächen im Riesenformat sei naheliegend und dann doch besonders – ein Pionierwerk. "Die meisten Logistikzentren haben das noch nicht."
Das gilt auch für BLG. Allein im GVZ geht es an vielen Hallen des Bremer Logistikspezialisten vorbei. Solaranlagen gibt es auf diesen Gebäuden bisher noch keine in der Art. "Es gibt Immobilien, die gerade in der Prüfung sind", sagt Dreeke. Das C3 soll ein Vorbild sein. Bremens Klimaschutzsenatorin Maike Schaefer (Grüne) betont in ihrer Rede dann auch: "Wir müssen das Solarpotenzial viel mehr nutzen als wir es in der Vergangenheit getan haben."
Am Ausbau von Windkraft- und Solarenergie arbeitet Mercedes ebenfalls mit eigenen Anlagen. Das berichtet der für die Produktion und die Logistikketten zuständige Vorstand Jörg Burzer bei der Einweihung. Emissionen wolle man natürlich auch bei der Logistik gemeinsam mit den Partnern einsparen. "Ein Faktor dafür sind kurze Wege." Das grüne Logistikzentrum C3 biete eine "perfekte Infrastruktur für Autoteile", um sie für den Versand über die Häfen vorzubereiten.
Am Tag verlassen den Standort laut Projektleiter Matthias Klawitter bis zu 100 Container. Die Lage von C3 sei dabei günstig, um die Waren auf die Straße, die Schiene oder das Wasser zu bringen. Der Neustädter Hafen sei ganz in der Nähe. Viel gehe nach Bremerhaven. Daneben sei Hamburg "sehr prominent" vertreten, um die Waren in die Welt zu bringen.
Deren Vielfalt ist groß. "Von der kleinen Schraube über das Lenkrad bis zum großen Tank ist eigentlich alles dabei", sagt Klawitter. Die Teile landen in Kartons fertig für die Produktionslinie – wie ein Bausatz. Menschen sind bei diesem Schritt wichtig, um die Qualität zu prüfen: Gibt es Kratzer? Gibt es Macken? "Hier ist äußerste Sorgfalt angesagt", formuliert es Klawitter. Die Fahrzeuge der Kunden seien schließlich sehr hochpreisig.
Die BLG ist in der Immobilie Mieterin. Wie viel das Projekt den Entwickler gekostet hat, verrät das Unternehmen nicht. Einen Millionenbetrag steckte der Logistiker selbst hinein. Die Solaranlage ist noch nicht komplett. Von den 23.000 Modulen fehlen noch einige auf dem Dach.