An diesem Dienstag beginnt in Bremen die dreitägige Raumfahrtmesse Space Tech Expo. Ist es für den Standort eine Auszeichnung, wenn eine solche Messe in die Stadt kommt?
Auf jeden Fall. Sie hätte auch in London oder anderen großen europäischen Städten stattfinden können. Aber Bremen hat ja schon gezeigt, dass es große Branchentreffen wie den IAC, den International Astronautical Congress, ausrichten kann und mit seiner Mischung aus Wissenschaft und Industrie ein geeigneter Standort für eine solche Messe ist.
Welche Rolle spielt Bremen in der internationalen Raumfahrtszene?
Bremen nennt sich ja auch "City of Space", und ich denke zurecht. Seit 60 Jahren gibt es hier Raumfahrt, und die großen internationalen Programme, die man kennt, sind zum großen Teil mit Bremen verknüpft: Das sind die Ariane-Raketen, die Internationale Raumstation ISS, das Satellitennavigations-Projekt Galileo, das Erdbeobachtungsprogramm Copernicus und andere. An all diesen Programmen sind die Unternehmen und Forschungsinstitute aus Bremen mit ihren Tausenden von Mitarbeitern beteiligt – das bleibt der Welt natürlich nicht verborgen.
Können Sie genauer beziffern, wie viele Menschen in Bremen in dieser Branche arbeiten?
In der gesamten Luft- und Raumfahrtbranche sind es 12000. Ich würde schätzen, dass davon rund 3500 in der Raumfahrt arbeiten.
Wie gut ist Bremen auf diese Rolle vorbereitet? Bekommen Sie genug Unterstützung aus der Politik?
Bremen ist nicht so groß wie Bayern oder Baden-Württemberg, die beiden anderen Bundesländer mit einer großen Luft- und Raumfahrtindustrie. Deshalb muss Bremen smart sein, und ich glaube, das sind wir auch. Die Politik hat das von Anfang an unterstützt. Und die großen Unternehmen – Airbus, Ariane, OHB – haben hier sehr moderne Fertigungsstätten aufgebaut – da kann man nur den Hut vor ziehen.
Was hat die Bremer Raumfahrtszene außer den drei großen Unternehmen, die Sie genannt haben, noch zu bieten?
Es gibt zum Beispiel das ESA BIC Northern Germany – das Business Incubation Center der Europäischen Raumfahrtbehörde für Norddeutschland. Dort werden Start-ups betreut, also kleine, neu gegründete Unternehmen, die versuchen, auf dem Markt Fuß zu fassen. Es ist eine tolle Auszeichnung für den Standort, dass die ESA entschieden hat, ihr Gründerzentrum für Norddeutschland in Bremen anzusiedeln.
Es gibt allerdings noch nicht sehr viele Firmen, die sich unter diesem Dach aufgestellt haben.
Ich würde mir wünschen, dass mehr Unternehmen diese Chance nutzen. Vielleicht müssen wir noch mehr auf die jungen Menschen zugehen, sie ermuntern, besser informieren.
Wie groß ist das Umfeld von Zulieferern für die großen Unternehmen?
Mir bekannt sind zwischen 20 und 30 Unternehmen in diesem Bereich, viele im Technologiepark an der Uni. Die bauen Elektronik, Speicher, Satellitenteile – sind häufig nicht so bekannt, aber sehr wichtig für den Standort.
In der Diskussion über die Zukunft der Raumfahrt ist ja viel von "New Space" die Rede - also von kleinen, agilen Unternehmen, mit privatem Kapital finanziert, die neue Ideen in eine Branche bringen, die traditionell von staatlichen Großaufträgen lebt. Diese Szene ist in Bremen also noch nicht so lebendig?
Es gibt durchaus Beispiele dafür. Unternehmen, die Satellitendaten nutzen zur Navigation im Polareis, die Ingenieuren helfen, bessere Produkte zu entwickeln. Aber ich würde mir wünschen, dass es noch mehr werden. Bremen hat eine große maritime Wirtschaft, Häfen, Logistik, Küstenschutz, Umwelttechnologie - es wäre schön, wenn es mehr Unternehmen gäbe, die sich in diesen Bereichen etwa des Themas Nutzung von Satellitendaten annähmen, auch auf kommerzieller Basis.

Siegfried Monser ist seit Anfang des Jahres Raumfahrtkoordinator des Landes Bremen.
Bräuchte man dafür mehr Raumfahrtbegeisterung in Deutschland?
Ich glaube, es gibt eine Raumfahrtbegeisterung in Deutschland – man hat das jetzt gerade wieder beim Start von Matthias Maurer zur ISS gesehen.
Aber bräuchte man nicht einen deutschen Elon Musk, der einfach mal entscheidet, eine Rakete zu entwickeln und in den Weltraum zu schießen?
Ich glaube nicht, dass wir das brauchen. Was wir brauchen, ist Kapital – Risikokapital, das in solche Bereiche reingeht. Das gibt es in Deutschland und Europa einfach zu wenig.
Die Branche lebt vom Staat.
Ja, zu einem großen Teil ist die europäische Raumfahrt immer noch institutionell, also mit öffentlichem Geld gefördert. Kommerzielles Geschäft haben wir im Bereich Telekommunikationssatelliten oder der Nutzung von Satellitendaten, etwa in der Erdbeobachtung. Da gibt es eine ganze Reihe von interessanten Ausgründungen, allerdings mehr in Süddeutschland als bei uns. Aber so etwas kann gelingen.
Sind die amerikanischen Privatunternehmer für die Europäer eine Gefahr? Etwa indem sie Satellitenstarts günstiger anbieten als Ariane das kann?
Sie nehmen den europäischen Unternehmen Marktanteile ab, das ist richtig, vielleicht nicht immer zu ganz fairen Bedingungen. Ich glaube, die Europäer wissen aber genau, welche Bedeutung ein unabhängiger Zugang zum Weltraum hat. Es wird also immer einen europäischen Weltraumtransport geben – ob er auch auf dem Weltmarkt erfolgreich ist, hängt von anderen Faktoren ab.
Wo sehen Sie die Zukunft der Raumfahrt? Welchen Nutzen kann sie der Menschheit noch bringen?
Zunächst einmal muss man sagen, dass schon unser heutiges Leben ohne Raumfahrt kaum vorstellbar wäre. Früher hat man immer die Teflon-Pfanne bemüht und irgendwann dann die Fernsehübertragungen per Satellit – heute geht das viel weiter. Präzise Navigation ist unerlässlich geworden für alle Verkehrsträger, ebenso die sehr genauen Wettervorhersagen. Selbst Geldüberweisungen finden nicht mehr ohne Satellitentechnologie statt; die Gewinnung von Umweltdaten, das Monitoring von Katastrophen, Brandrodungen, Ölverschmutzungen - all das funktioniert mit Hilfe von Erdbeobachtungssatelliten. Der ganze Green Deal, den die EU-Kommission verkündet hat, wird ohne Raumfahrttechnologie nicht gelingen. Oder das vernetzte Fahren, die Optimierung von Logistikketten und so weiter.
Ist die Bremer Raumfahrtbranche darauf vorbereitet?
Wir sind da mit OHB, Airbus und Ariane sehr breit vertreten, dazu die Forschungsinstitute und Zulieferfirmen – das passt schon. Die Unterstützung der Politik ist wichtig, nicht nur der Bremer, sondern auch der zukünftigen Bundesregierung, die hoffentlich der Raumfahrt denselben Stellenwert beimessen wird wie bisher auch.
Das Gespräch führte Christoph Barth.