Bremen muss sich auf steigende Gaspreise einrichten. Das hat Torsten Köhne, Vorstandsvorsitzender des Energieversorgers SWB, am Donnerstagmittag bei einer improvisierten Pressekonferenz gesagt. "Der Preis für eine Kilowattstunde Gas liegt bei uns derzeit bei gut neun Cent. Aktuell kostet am Markt die Kilowattstunde aber zwölf Cent. Wenn ein Energieversorger für zwölf Cent einkauft und für neun Cent verkauft, wäre er schnell pleite", verdeutlichte Köhne die Situation. Um die Preisentwicklung ein wenig abzudämpfen, kaufe die SWB jeden Monat ein Vierundzwanzigstel ihrer benötigten Menge ein.
Zum 1. Juli hat der Bremer Energieversorger die Gaspreise bereits um 20 Prozent erhöht. Köhne mutmaßte, dass spätestens in Richtung Dezember die nächste Preiserhöhung anstehen könnte: "Wir wollen nicht alle paar Wochen die Preise erhöhen, sondern schon in etwas größeren Abständen." Köhne rief zusammen mit Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) und Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) zum Energiesparen auf. Denn jede Kilowattstunde Strom und Gas, die jetzt eingespart werde, helfe, dass die Gasspeicher bis Winter gefüllt sind. "Da ist jeder gefragt", betonte Bovenschulte, auch ihn betreffe das. Ob er ab jetzt nur noch kalt duscht oder nur am Sonnabend warm, wollte er allerdings nicht verraten.
Nicht zu viel Panik verbreiten
Zu viel Panik sei auch nicht angebracht, wie SWB-Chef Köhne verdeutlichte: "Momentan fließt mehr Gas durch die Pipelines nach Deutschland, als wir verbrauchen." Doch bis zum Winter sollten die deutschen Gasspeicher idealerweise zu 90 Prozent gefüllt sein. Angesichts der Situation werde die SWB den Block 6 im Kraftwerk Hafen nicht mehr reaktivieren. Das Kohlekraftwerk wurde im vergangenen Jahr abgeschaltet und auch schon zum Teil zurückgebaut. "Von der Technik her wäre es noch 50 Jahre gelaufen", stellte Köhne fest.
Der Grund für diese kurzfristig anberaumte Pressekonferenz war Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der die zweite Eskalationsstufe im Notfallplan Gas ausgerufen hatte. Vor Ort in Bremen haben Schaefer und Bovenschulte nun zur Solidarität aufgerufen. Dabei gehe es auch darum, wie man den Menschen mit geringerem Einkommen helfen könne, die die steigenden Energiekosten viel härter treffen.
Nicht nur Mercedes und Arcelor-Mittal sind gefragt
Was das Einsparen angeht, sei auch die Wirtschaft gefragt. Dabei dürfe man nicht nur auf die großen Arbeitgeber wie Mercedes oder Arcelor-Mittal schauen. "Der kleine Bäckerbetrieb ist davon ja ebenso betroffen", gab die Umweltsenatorin zu bedenken. Die SWB stehe nun erst recht in ständigem Kontakt mit den großen Unternehmen, die sie mit Energie versorgt. Wie von der SWB-Konzernmutter, dem Oldenburger Energieversorger EWE, zu hören ist, treten offenbar längst nicht alle Betriebe bei der Energie auf die Bremse.
Laut EWE-Vorstandschef Stefan Dohler profitiere ein Teil der Geschäftskunden derzeit aufgrund von längeren Verträgen noch von sehr günstigen Gaspreisen. In diesen Unternehmen werde in Vorahnung der anstehenden Teuerungen teils "produziert, bis der Arzt kommt", sagte Dohler in einem Gespräch mit Journalisten am Donnerstag. Die EWE will angesichts der ernsten Lage mit einer Kampagne zum Energiesparen aufrufen. "Das ist das Gebot der Stunde", äußerte sich der EWE-Chef zur Ausrufung der Alarmstufe. "Jetzt haben wir eine Eskalation." Die Versorgungssicherheit in Deutschland sei heute stärker gefährdet als noch vor einigen Wochen, der Schritt der Bundesregierung sei darum richtig. Niemand könne derzeit sicher sagen, wie lange und in welchem Umfang russische Gaslieferungen noch in Deutschland ankämen.
Ein paar Kunden ändern Verbrauch
Verhaltensveränderungen bei Privatkunden seien schon zu beobachten aber noch nicht signifikant. Im Moment ist der Gasverbrauch dank der Jahreszeit geringer. Der aktuelle Vorrat aber reicht noch nicht für den nächsten Winter. Die Gasspeicher in Deutschland sind im Schnitt zu 58,7 Prozent gefüllt, die Speicher der EWE sogar zu 73 Prozent. Ein Vorteil also? Nicht in einer Notlage. Sollte es einen Gasmangel geben, werden die Gasmengen im Land geteilt. "Da kann es sein, dass es heißt: Schickt Gas bitte von Jemgum nach Baden Württemberg", brachte Dohler ein Beispiel. Darum gebe es für das Versorgungsgebiet der EWE keine Entwarnung angesichts der vergleichsweise höheren Füllstände. Dohler forderte vor dem Hintergrund der Alarmstufe erneut einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien. Es seien Gesetze auf den Weg gebracht worden. "Die müssen nun aber wirksam werden", sagte der Chef des Energieversorgers. Es gebe einen Rückstau an Projekten.
Dohler hielt sich derweil mit Aussagen zur Preisentwicklung bei der EWE zurück. Preisanpassungen sollen "so fair und moderat das irgendwie geht" erfolgen. Die Politik müsse über weitere Instrumente nachdenken, um Entlastung bei den Menschen zu schaffen, wo es eng werde. Ganz klar sagte er: "Wir können den Leuten im Winter nicht den Gashahn zudrehen."