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Zwei Jahre nach der Insolvenz Neuer Unmut nach der Bremer Greensill-Bankenpleite

Während die Bremer Staatsanwaltschaft gegen den Ex-Vorstand der früheren Bremer Greensill Bank ermittelt, hilft der dem Insolvenzverwalter bei der Aufarbeitung. Das erzeugt Unmut.
16.03.2023, 05:00 Uhr
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Neuer Unmut nach der Bremer Greensill-Bankenpleite
Von Florian Schwiegershausen

Die Bremer Greensill Bank bot in Zeiten von Minuszinsen mehr Sparzinsen als andere Geldinstitute – bis zum Insolvenzantrag am 16. März 2021. Das Geldhaus diente dem Australier Lex Greensill zur Finanzierung seiner Geschäfte. Gut 50 Kommunen verloren ihre angelegten 138 Millionen Euro. Denn während die Privatkunden ihr Geld über den Einlagensicherungsfonds zurückerhielten, war das Geld der Städte und Gemeinden nicht abgesichert. Hier in der Region war es die Stadt Nordenham, die 13,5 Millionen Euro investierte.

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Die Bafin als deutsche Bankenaufsicht hatte Greensill Anfang März 2021 geschlossen und Anzeige wegen Bilanzfälschung gestellt. Die Aufarbeitung wird für Insolvenzverwalter Michael Frege noch Jahre dauern, ebenso die Ermittlungen der Bremer Staatsanwaltschaft. Für Unmut sorgt derweil, dass der ehemalige Vorstandsvorsitzende, gegen den sich unter anderem die Anzeige der Bafin richtet, mittlerweile für den Insolvenzverwalter tätig ist. „Aus Sicht der Staatsanwaltschaft Bremen kann nur nochmals betont werden, dass die Beschäftigung des beschuldigten Vorstandsvorsitzenden in den Reihen der Insolvenzverwaltung sehr kritisch gesehen wird“, sagt Oberstaatsanwalt Frank Passade. Eine Möglichkeit, dies zu unterbinden, habe die Staatsanwaltschaft nicht. „Hier sind allein die Gläubiger beziehungsweise deren Rechtsvertreter gefragt.“

"Brexit macht das Verfahren nicht einfacher"

Zu den Rechtsvertretern gehört unter anderem die Kanzlei Nieding und Barth in Frankfurt am Main. Sie vertritt eine Reihe von Kommunen vor allem aus dem süddeutschen Raum. "Bei dieser Entscheidung hätte man sich von Herrn Frege mehr Fingerspitzengefühl gewünscht", sagt Anwalt Andreas Lang. Frege stellt dazu fest: "Alles ist mit den Gläubigern abgesprochen." Das Verfahren sei so komplex, dass es Personen brauche, die Kenntnis von den Abläufen hätten. Ein Großteil dieses Verfahrens spiele sich im Ausland ab. „Der Brexit macht das Verfahren nicht einfacher, wenn es um die Kooperation mit den englischen Behörden geht“, sagt Frege weiter.

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Während er als Insolvenzverwalter weiter im Sinne der Gläubiger Werte sichert, kümmern sich Passade und seine Kollegen um den strafrechtlichen Teil. Die umfangreichen Zeugenvernehmungen seien noch nicht abgeschlossen. "Diese finden aktuell auch in England statt", sagt Passade. Die Staatsanwaltschaft stehe hier in einem engen Austausch mit den englischen Ermittlungsbehörden. Dort erfolgten im Wege der Rechtshilfe Vernehmungen von Zeugen für das hiesige Verfahren.

Die Rolle des Ex-Aufsichtsrats

Inzwischen stellt sich auch die Frage, welche Rolle der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der Greensill Bank, Maurice Thompson, gespielt haben könnte. Er soll gleichzeitig Aufsichtsratsmitglied und Investor bei der Berliner Ratingagentur Scope gewesen hat, wie der Frankfurter Finanzexperte Oliver Everling in seinem Blog "Den Nutzen von Ratings erschließen" schreibt. Scope war es, die der Greensill Bank im September 2019 ein "A-"-Rating gab. "Dabei handelt es sich um ein Rating gleichauf mit dem der besten deutschen Banken", schreibt Everling. Ein Jahr später wurde das Rating auf "BBB+" herabgestuft. In Bezug auf Thompson stellt Everling fest: "Die Kombination beider Ämter ermöglichte ihm besondere Einblicke nicht nur bei der Greensill Bank, sondern auch bei der Ratingagentur."

Der Experte berichtet ebenso, dass der Prüfungsverband deutscher Banken (PdB) seit April 2019 routinemäßig die Einlagensicherung bei der Greensill Bank überprüft habe. Anfang März 2020, also ein Jahr vor Schließung des Geldinstituts, habe der PdB die Bafin und die Deutsche Bundesbank informiert. Laut dem Blog wies der PdB auf ein hohes Konzentrationsrisiko bei der Greensill Bank hin in Bezug auf den indischen Stahlunternehmer Sanjeev Gupta. Mit der Feststellung eines erhöhten Risikos "hätte das auch Folgen für das Rating von Scope haben müssen", stellt Everling fest. Die Herabstufung erfolgte ein halbes Jahr später.

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Einige der Kämmerer beschwerten sich später über die Bafin als Finanzaufsicht. Sie waren der Ansicht, die Behörde hätte die Kommunen eher warnen müssen. Im September 2020 gab die Bafin einen Sonderprüfbericht bei den Wirtschaftsprüfern von KPMG zu den Bilanzen der Greensill Bank in Auftrag. Das Ergebnis lag kurz vor Weihnachten 2020 vor. Spätestens dann hätte die Bafin das Bremer Geldinstitut schließen müssen, war Nordenhams Bürgermeister Nils Siemen (parteilos) Ende 2021 der Ansicht. Das sieht die Bafin anders, wie Sprecherin Jacqueline Juknat, mitteilt: "Zum 22. Dezember 2020 lagen aus der Sonderprüfung noch keine hinreichenden Erkenntnisse vor, aufgrund derer eine Schließung der Bank rechtlich zulässig gewesen wäre." Es habe sich um den ersten Teil des Prüfberichts gehandelt. Der zweite und finale Teilprüfungsbericht habe die Bafin erst am 6. April 2021 erreicht – da war die Greensill Bank längst insolvent.

Mögliche Klage gegen Wirtschaftsprüfer

Seit 2021 versuchen die geprellten Kommunen nun auf unterschiedliche Weise in Form von Zivilprozessen an Teile ihres Geldes zu kommen. Ein Prozess gegen einen Anlagenvermittler ging im vergangenen September zugunsten der Gemeinde Vaterstetten in Bayern aus. Sie soll eine Million Euro erhalten. Ob es zu einer Berufung kommt, steht noch aus. Eine Klage könnte es ebenso gegen einen der Wirtschaftsprüfer geben. "Da sind wir für unsere Klienten momentan noch in Verhandlungen bezüglich eines Vergleichs", sagte Anwalt Andreas Lang.

Immer mehr Kommunen wollen nicht mehr auf das Ende des Insolvenzverfahrens warten. Sie haben ihre Forderungen an sogenannte Factoring-Unternehmen verkauft und erhalten meist etwa 30 Prozent der ursprünglichen Schadenssumme. Nordenham gehört bisher nicht dazu und will den Finanzvermittler verklagen, der zum Investment bei der Greensill Bank geraten hatte.

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