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"Enttäuschung, Wut und Ängste" Nach der Signa-Insolvenz: Was die Bremer Karstadt-Angestellten denken

Der Bremer Verdi-Sekretär Tobias Uelschen spricht im Interview über die Beschäftigten von Karstadt und Sport-Scheck und lobt deren Herzblut für die Arbeit trotz der über Jahre schlechten Galeria-Nachrichten.
01.12.2023, 05:00 Uhr
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Nach der Signa-Insolvenz: Was die Bremer Karstadt-Angestellten denken
Von Florian Schwiegershausen

Was hören Sie in diesen Tagen von den Karstadt-Beschäftigten?

Tobias Heimberg-Uelschen: Viel Enttäuschung und Wut, aber auch Ängste um die Zukunft. „Wie kann es sein, das wir uns für unsere Filiale extra ein kund*innenorientiertes und buntes Weihnachtsprogramm überlegen und dann passiert so etwas?“ sagte kürzlich eine Kollegin zu uns. Es ist wie in fast jedem Jahr, pünktlich zur Weihnachtszeit hat das Unternehmen eine neue schlechte Überraschung im Gepäck.

All diese Nachrichten mitten in der Vorweihnachtszeit – inwiefern befürchten Sie dadurch negative Auswirkungen für das Weihnachtsgeschäft?

Für diese Fragen ist ganz klar die Unternehmensleitung inklusive der Filialgeschäftsführung vor Ort zuständig. Die Beschäftigten sind die letzten, die nicht für ein gut funktionierendes Weihnachtsgeschäft sorgen. Ohne Beschäftigte im Handel keine Geschenke, das darf nicht vergessen werden. Allerdings mache ich mir Sorgen über den Umgang mit all diesen Menschen. Eine spannende Frage an die Unternehmensleitung wäre: Was passiert nach dem Weihnachtsgeschäft? Wie geht es dann mit jeder einzelnen Person weiter? Oder möchte man nun das Weihnachtsgeschäft noch unbedingt mitnehmen, damit Geld in die Kassen kommt und nach mir die Sintflut?

Rechnet man bei Ihnen in der Gewerkschaft für die kommenden Wochen erneut mit unruhigen Zeiten für die Galeria-Beschäftigten?

Bei Galeria gibt es gefühlt seit fast 20 Jahren unruhige Zeiten, fragen Sie mal die Beschäftigten, wann es für sie eher ruhiger war.

Wie bereitet sich Verdi darauf vor, sollte es in den kommenden Wochen zu einem Verkauf oder einer erneuten Insolvenz kommen?

Die Mitglieder sind bei uns durch rechtliche Beratung bestens begleitet und wissen zum Teil, an welche Stelle sie sich wann wenden müssen.

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Wie standhaft muss man eigentlich sein, wenn man als Karstadt-Beschäftigter über Jahre hört, dass man ein Kostenfaktor sei und all diese Insolvenzen mit durchmacht – und trotzdem geht man jeden Tag zur Arbeit?

Die Kolleginnen und Kollegen sind durch ihre teils langfristige Beschäftigung und die Mehrzahl an Insolvenzen, Hiobsbotschaften, Gehaltsverzichte und Veränderungen schon so viel gewohnt. Galeria hat als Unternehmen eigentlich jedes Recht verspielt, solche tollen, engagierten und mit Herzblut herangehenden Beschäftigten in den eigenen Reihen zu haben. Wenn es Menschen auf dem Arbeitsmarkt gibt, die sehr viel erlebt haben, dann Menschen bei Galeria. Auf der anderen Seite zeugt diese Zugehörigkeit aber auch von der Loyalität einem Unternehmen gegenüber, das nur durch seine Beschäftigten so groß werden konnte und diese nun am Ende die Leidtragenden der ganzen Geschichte sind. Bremen ohne Karstadt/Galeria und Sport-Scheck – undenkbar auch für Gewerkschafter und deshalb volle Solidarität von zwei Millionen Verdi-Mitgliedern an die Kolleginnen und Kollegen.

Was können Sie da als zuständiger Gewerkschaftssekretär den Beschäftigten sagen?

Unser Job sind keine Nebelkerzen oder Spekulationen, daran beteiligen wir uns nicht. Wir sind für Klarheit und einen fairen und offenen Umgang mit den Beschäftigten. Wir vertreten die gewerkschaftlich organisierten Mitglieder in den Unternehmensteilen Galeria, Galeria Markthalle, aber auch Sport-Scheck, und diesen steht bei uns Rechtsberatung und Unterstützung zu. Weiter werden sie, was klare und verlässliche Infos angeht, auf dem Laufenden gehalten. Die Solidarität, die sie nun mal wieder benötigen, erfahren sie sowieso von allen in der Gewerkschaft – egal aus welchem Bereich und welcher Branche, denn jedes Gewerkschaftsmitglied ist auch an der anderen Stelle Kunde oder Kundin bei Galeria.

Das Gespräch führte Florian Schwiegershausen.

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Zur Person

Tobias Heimberg-Uelschen (39)

ist gelernter Kaufmann im Einzelhandel mit insgesamt zwölf Jahren Berufserfahrung im Warenhausbereich. Seit 2012 ist er hauptamtlich bei Verdi und seit 2020 für den Fachbereich Handel in Bremen zuständig.

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