Immer mehr Senioren haben finanzielle Probleme. Das geht aus dem Schuldneratlas der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervor, der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Vor allem bei Menschen im Alter über 70 Jahren habe sich die Überschuldung im vergangenen Jahr deutlich verschärft. Sie ist laut Bericht um 44,9 Prozent auf rund 380 000 Betroffene gestiegen. Auch in anderen Altersgruppen hat die Überschuldung zugenommen. Bei den 60- bis 69-Jährigen sind 640 000 Menschen nicht mehr in der Lage, ihre Ausgaben aus ihrem Einkommen zu bestreiten – ein Plus von 15,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
„Diese Entwicklung ist bedenklich“, sagt Verena Dahlke, geschäftsführende Gesellschafterin von Creditreform in Bremen. Sie sieht mehrere Gründe für den extremen Anstieg: Vielerorts habe sich die Miete deutlich erhöht, die Rente allerdings nicht. Auch die Kosten für Energie seien gestiegen.
Daten aus der amtlichen Sozialberichterstattung zeigen, dass Altersarmut auch in Bremen ein Problem ist. 2018 lag die Armutsgefährdungsquote bei 14,3 Prozent für Menschen ab 65. Ein Jahr zuvor waren es 13,8; 2005 neun Prozent. Diesen Trend beobachtet auch Anke Teebken vom Verband Der Paritätische. „Das Problem wächst“, sagt sie – und das sogar stadtteilweise. In den 1960er-Jahren seien etwa viele junge Menschen in die Vahr gezogen und dort geblieben. Jetzt, rund 60 Jahre später, würden viele Rentner dort leben. „Nicht umsonst hat dort erst kürzlich die Tafel einen Standort eröffnet“, sagt Teebken.
Sie geht davon aus, dass sich das Problem weiter verschärfen wird. Wer jetzt gerade einmal den Mindestlohn verdiene, könne nicht noch für später vorsorgen. Problematisch werde es auch für Menschen mit Mini-Jobs oder brüchigen Erwerbsbiografien – zum Beispiel, wenn das Arbeitsleben länger für die Kindererziehung oder die Pflege eines Angehörigen unterbrochen werden musste.
Senioren können ihre finanzielle Situation kaum verbessern
Laut Creditreform ist Altersarmut besonders schwerwiegend: Anders als bei jungen Menschen könnten Senioren mit Eintritt in den Ruhestand ihre finanzielle Situation kaum verbessern. Verschärft werde das Problem dadurch, dass die Betroffenen ihnen zustehende Sozialleistungen oft nicht in Anspruch nähmen. „Viele ältere Menschen schämen sich dafür, dass sie mit ihrer Rente nicht auskommen“, sagt Dahlke.
Es sind aber nicht nur ältere Menschen, die massive finanzielle Sorgen haben. Für die Stadt Bremen geht der Schuldneratlas von 60 000 überschuldeten Erwachsenen aus, das entspricht einer Quote von 12,5 Prozent. In Bremerhaven liegt sie bei 21,7 Prozent. Die Stadt ist damit die Gemeinde mit der größten Überschuldungsquote in Deutschland. Rund 20.000 Menschen können dort ihren Zahlungsverpflichtungen in absehbarer Zeit nicht nachkommen.
Innerhalb der beiden Städte gibt es allerdings große Unterschiede. So ist in Neu-Schwachhausen, Oberneuland und Arsten die Überschuldung am geringsten, in der Bahnhofsvorstadt, Gröpelingen und Oslebshausen am höchsten. In Bremerhaven-Lehe liegt der Anteil der überschuldeten Erwachsenen teils bei 40 Prozent. Im Umland ergibt sich ein gemischtes Bild: Vergleichsweise hoch ist die Überschuldung etwa in Delmenhorst und Osterholz-Scharmbeck, niedrig hingegen in Schwanewede, Stuhr und Achim. Hannover kommt auf eine Quote von 12,6 Prozent.
Dass Menschen sich überhaupt zu hoch verschulden, hat laut Dahlke verschiedene Gründe. So habe etwa zugenommen, was sie als „irrationales Kaufverhalten“ bezeichnet: Menschen kauften ein, ohne überhaupt zu wissen, ob sie genug Geld für die erworbenen Waren hätten. Grund für Schulden seien auch Erkrankungen oder Sucht. Die größten Probleme bereite aber Arbeitslosigkeit.
Zwar ist die Überschuldungsquote in Deutschland minimal auf zehn Prozent gesunken – das, sagt Verena Dahlke, habe aber vor allem mit der guten Konjunktur zu tun. Es sei jedoch zu befürchten, dass dieser Trend nur von kurzer Dauer sein werde, da sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zuletzt wieder deutlich verschlechtert hätten.
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