Marco Witzmann steht im Chaos. Der Schreibtisch? Voll mit Zetteln. Der Boden? Zugestellt mit Aktenordnern. Von der Wand ganz zu schweigen – sie ist zugekleistert mit Dutzenden Papieren. Witzmann will Ordnung in dieses heillose Durcheinander bringen. Er ist Mitgründer von Valispace, einem Bremer Start-up, das die Entwicklung von Satelliten und Raketen übersichtlicher machen will. Das Chaos, in dem er steht, ist gewollt und Teil seines Standes auf der Space Tech Expo. Es soll zeigen, wie die Arbeit ohne die Plattform ist, die Witzmann entwickelt hat – und auf das junge Bremer Unternehmen aufmerksam machen.
Denn so wie Valispace nutzen etliche andere Firmen aus der Raumfahrtbranche die Chance, sich bei der Messe zu präsentieren. Mehr als 400 Aussteller zeigen sich noch bis zu diesem Donnerstag dem Fachpublikum – zahlreiche auch aus Bremen. Neben großen und bekannten Unternehmen wie OHB, Airbus und der Ariane Group, sind ebenso viele kleine Zulieferer aus der Region darunter.
Einer von ihnen ist Robert Erichsen. Der Geschäftsführer von Statex ist mit einigen Kollegen vor Ort, hat einen Stand fast am Ende der Messehalle. Mit dem bisherigen Verlauf der Space Tech Expo ist er trotz Randlage zufrieden. Das Produkt, das das Bremer Familienunternehmen zum Weltmarktführer gemacht habe, spreche für sich: eine besondere Faser aus Polyamid und Silber. Sie ist flexibel, elektrisch leitfähig, antibakteriell sowie antistatisch und schirmt ab.
Besonders der letzte Punkt ist das, was die Besucher am Messestand von Statex interessiert. Erichsen und seine Kollegen haben hier ein großes Zelt mit Stehtisch in der Mitte aufgebaut. „Testen Sie ruhig“, fordert der Chef Besucher auf. Wer sich in den Verschlag begebe, den Reißverschluss des Zeltes schließe, der stelle beim Blick aufs Handy fest, dass er keinen Empfang mehr habe. Das sei so gewollt und besonders für Raumfahrtunternehmen interessant.
Das Zelt ohne Empfang
Denn bei ihnen liegt es in der Natur der Sache, dass ihre Produkte irgendwann im All sind und damit ganz weit weg vom menschlichen Einfluss. Etwas zu reparieren, ist dann nicht mehr möglich. Daher legen die Hersteller vorher großen Wert auf gründliche Tests. Hier kommt Statex ins Spiel: Da die Technik von Satelliten und Sonden durch die Strahlung anderer Geräte beeinflusst und Messergebnisse verfälscht werden können, sind die Zelte sinnvoll, um strahlungsfreie Räume zu schaffen. Ganz unkompliziert, sagt Erichsen. Seine Firma beliefere daher unter anderem die Nasa, aber auch große Elektronikhersteller und die Autoindustrie gehörten zu den Kunden.
Seit 41 Jahre gibt es das Unternehmen in Bremen. Erst vor Kurzem hat mit dem 30-jährigen Robert Erichsen die nächste Generation übernommen. Auch wenn es sich bei der Space Tech Expo um eine Raumfahrtmesse handle, das Geschäft mit Kunden aus dieser Branche mache nur einen kleinen Teil aus, etwa zehn Prozent. Die Silberfäden würden auch andernorts eingesetzt werden, sagt Erichsen, etwa in der Medizin, um Wundheilung zu beschleunigen, bei der Sitzheizung im Auto oder in sogenannten smarten Textilien, durch die sich beispielsweise Computer steuern ließen. Für einen großen Tablethersteller hat Statex an einer Tastatur gearbeitet, die sich zusammenknüllen lässt, sagt der Geschäftsführer. Möglich sei dies, weil die Fäden sehr flexibel seien – anders als starre Drähte und Kabel.
Wie Strom von A nach B kommt, darum geht es auch einige Meter weiter: Am Stand von EIS Electronics präsentiert sich ein weiterer Zulieferer aus der Region. Das Unternehmen mit Standorten in Bremen, Bremerhaven und Indien sorgt unter anderem dafür, dass Satelliten richtig verkabelt werden. Das sei schwieriger als es sich anhöre, sagt ein Mitarbeiter. Denn bei Missionen im Weltraum zähle jedes Gramm und auch der Platz sei begrenzt. Daher müsse die Kabelführung wohl durchdacht sein.
Ähnlich wie bei Statex zeigt sich auch bei EIS eine Vielfalt: Die Raumfahrt ist längst nicht der einzige Bereich, in dem die Produkte der Firma eingesetzt werden. Auch in der Luftfahrt und in der Verteidigungstechnik ist der Betrieb mit Hauptsitz in Bremerhaven aktiv. Am Markt ist er seit fast 40 Jahren.
Noch länger dabei ist das Unternehmen Arthur Behrens. Es feiert in diesem Jahr seinen 120. Geburtstag. Als es 1899 an den Markt ging, war von Raumfahrt noch nicht die Rede. Stattdessen ging es darum, andere Gefilde zu erkunden und zu nutzen: das Meer. Firmengründer Arthur Behrens startete mit dem gleichnamigen Unternehmen als Vertretung für Fischereimaschinen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Bremer Firma dahin entwickelt, wo sie heute ist. Das ist, so nennt es Geschäftsführerin Verena Grewe, „klassische Distribution“.
Nach der Messe geht es erst richtig los
Im Raumfahrtgeschäft von Arthur Behrens dreht sich viel um Kondensatoren, Bauteile, die elektrische Ladung schnell speichern und schnell wieder abgeben können. „In dieser Branche müssen sie speziellen Anforderungen standhalten“, sagt Grewe, starke Vibrationen etwa, Temperaturschwankungen oder Strahlung.
Auch wenn die Messe bald endet, Marco Witzmann von Valispace weiß, dass damit nur die halbe Arbeit geschafft ist: „Das eigentliche Messegeschäft beginnt nach der Messe.“ Vor einem Monat sei Valispace mit einem Stand auf dem International Astronautical Congress in Washington gewesen. Die Kontakte, die man da geknüpft habe, müssten nun verfestigt werden. Das steht nun erneut an.