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Zweifelhafte Mieterhöhung Vonovia: Fast 40 Prozent mehr Miete nach Sanierung

Um 40 Prozent will Vonovia die Miete in einer Wohnung am Peterswerder erhöhen. Ob das rechtens ist, entscheidet an diesem Donnerstag in zweiter Instanz das Bremer Landgericht.
21.03.2018, 19:01 Uhr
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Vonovia: Fast 40 Prozent mehr Miete nach Sanierung
Von Florian Schwiegershausen

Wenn der Besitzer eines Hauses etwas saniert, kann das für die Betroffenen einerseits Lärm und Dreck bedeuten – auf der anderen Seite aber auch die Vorzüge einer modernisierten Wohnung. Geht es um eine sogenannte energetische Sanierung, kann der Vermieter anschließend elf Prozent der Modernisierungskosten zeitlich unbefristet auf die Jahresmiete aufschlagen. Das kann die Mieten in die Höhe treiben. Das Wohnungsbauunternehmen Vonovia mit Hauptsitz in Bochum hat die Miete nach der Sanierung aber gleich mal um knapp 40 Prozent erhöht.

Im Januar 2015 erhielt Mieter Peter V. Post, damals noch von der Beamten-Baugesellschaft Bremen (BBG). Die wurde im Laufe des gleichen Jahres Teil der bundesweit aktiven Vonovia. Unter anderem sollten im Haus in der Poelzigstraße auf dem Peterswerder, wo er wohnt, die Außenwände und die Kellerdecken eine Wärmedämmung erhalten. Dies sollte eine energetische Modernisierung sein. Zwecks Instandhaltung sollten unter anderem die Balkone und die Dachrinnen neu gemacht werden. Ein gutes halbes Jahr wurde dafür veranschlagt. Bauende sollte im Oktober 2015 sein. Im März 2016 erhielt Peter V. dann Post von der Vonovia. Zum 1. Juni 2016, hieß es in dem Schreiben, sollte er plötzlich statt bisher 309 Euro Grundmiete in Zukunft 431,48 zahlen – also knapp 40 Prozent mehr.

Dieser Mieterhöhung widersprach Peter V., nahm sich einen Rechtsanwalt und zog vor Gericht. Mit Erfolg: Am 27. April 2017 verkündete das Bremer Amtsgericht, dass Vonovia kein Anspruch auf die Mieterhöhung zusteht. Der zuständige Richter begründete in seinem Urteil, dass die Gesellschaft nicht ausreichend differenzierte zwischen den Modernisierungskosten speziell für die Wohnung und solchen für das Haus. Der Richter bemängelte außerdem den Verteilerschlüssel für die Energieabrechnung aller im Haus befindlichen Wohnungen. Zusätzlich stellte der Richter in seiner Urteilsbegründung fest, dass Vonovia höchstens elf Prozent der Kosten für die energetische Modernisierung auf die Jahresmiete hätte umlegen dürfen.

"Das gleiche Problem kann locker 1500 Mieter in Bremen betreffen"

Doch damit hatte Peter V. keine Ruhe. Denn Vonovia ging in Berufung. Diese Entscheidung soll an diesem Donnerstag verkündet werden. Ob sich das Bremer Landgericht dem Vorum des Amtsgerichts anschließt oder nicht – Peter V. ist kein Einzelfall, wie sein Fachanwalt für Mietrecht, Valentin Weiß, sagt: "Mir liegen mehrere Fälle vor, in denen Vonovia bei energetischen Modernisierungen die Kosteneinsparungen pro Quadratmeter beziffert. Das reicht aber nicht. Schließlich gibt es ja Menschen, denen womöglich sogar 16 Grad Zimmertemperatur reichen. Stattdessen sollte Vonovia lieber den Wärmedurchgangskoeffizienten vor und nach der Sanierung benennen."

Mit Hilfe dieses Werts lässt sich darstellen, wieviel Wärme beispielsweise durch eine Wand entgleitet. Weiß kritisiert außerdem aus anderen Mandaten, die er vertritt, dass Vonovia zu viel von den Instandhaltungskosten in die Modernisierungskosten mit einpreise. Instandhaltungskosten sind allerdings notwendige Kosten zur Erhaltung des Mietobjekts und können deshalb nicht so auf die Miete aufgeschlagen werden. Anwalt Weiß ergänzt: "Was mir besonders auffällt, ist, dass die Sanierung und anschließende Mieterhöhung vor allem in den interessanten Objekten im und rund ums Viertel stattfindet, die eben früher der BBG gehörten." Der Anwalt mutmaßt: "Das gleiche Problem kann locker 1500 Bremer Mieter betreffen, die in den letzten zwei Jahren eine Mieterhöhung erhalten haben."

"Wir trennen ganz klar zwischen Modernisierung und Instandhaltung"

Zum konkreten Fall will sich Vonovia erst am Donnerstag nach Urteilsverkündung äußern. Grundsätzlich sagte Vonovia-Sprecherin Bettina Benner dem WESER-KURIER: "Wir trennen selbstverständlich, wie gesetzlich vorgeschrieben, ganz klar zwischen Modernisierung und Instandhaltung und können eben eine Mieterhöhung nur für die Gewerke abrechnen, die komplett abgeschlossen sind." Und sie ergänzt: "Die konkrete Mieterhöhung steht erst am Ende fest – wir legen nur die Kosten um, die wir umlegen dürfen. Erst, wenn alle Maßnahmen abgeschlossen und abgerechnet sind, können wir die abschließende Mieterhöhung festlegen." Die jeweilige Erhöhung sei stark von individuellen Faktoren abhängig wie der Ausgangsmiete, der Dauer des Mietverhältnisses und der jeweiligen Wohnung.

Andere Vonovia-Mieter in Bremen schildern in Internetforen Fälle von unzureichender Sanierung – wenn überhaupt in ihren Wohnungen modernisiert wird. Bereits vor zwei Wochen berichtete der WESER-KURIER über zweifelhafte Heizkostenabrechnungen für die Jahre 2015 und 2016 in der Lüssumer Heide in Bremen-Nord. Eine Bewohnerin sollte nach nur einem Monat Mietzeit in einer Wohnung statt 100 Euro plötzlich 450 Euro zahlen. In einem anderen Fall forderte Vonovia eine Nachzahlung für Heiz- und Betriebskosten von rund 4000 Euro. Nach weiteren Berichten in unserer Zeitung hat die Energiekartellbehörde Vorermittlungen gegen den Fernwärmebetreiber zur Höhe aufgenommen, der die Wärme für die Vonovia-Objekte liefert. Bei einigen Mietern konnte auch nicht genau gesagt werden, ob er auch wirklich die richtige Rechnung für seine Wohnung erhalten hatte.

Allein in Bremen besitzt Vonovia laut Geschäftsbericht 11 905 Wohnungen, bundesweit sind es 346 644 Wohneinheiten. So ist das geschilderte Problem auch in anderen Städten bekannt. Dazu sagt Ulrich Ropertz, Geschäftsführer vom Deutschen Mieterbund in Berlin: "Die Mieterbund-Vereine aus mehreren Städten Deutschlands beraten sich inzwischen, um eine gemeinsame Strategie gegen Vonovia zu entwickeln."

Vonovia ist 2015 aus dem Zusammenschluss der Deutschen Annington und der Gagfah hervorgegangen. Die Aktie ist innerhalb des Jahres 2017 um knapp 34 Prozent gestiegen. Die Dividende soll in diesem Jahr um 18 Prozent anstatt zehn Prozent wie in den vergangenen Jahren. Zudem will das Unternehmen für 2018 bundesweit eine Milliarde Euro in den Bestand investieren.

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