Die nächsten Jahre werden nicht einfach – weder für Unternehmen noch für Arbeitnehmer. Die Digitalisierung verändert die Arbeit; manche Jobs kommen neu hinzu, andere fallen hingegen komplett weg. Gewerkschaften und Arbeitgebervertreter sind sich daher einig: Es muss etwas passieren. Hoffnungen setzen sie in das Qualifizierungschancengesetz, das vor einem halben Jahr verabschiedet wurde: Es soll Beschäftigte fit für die Zukunft machen.
„Das Qualifizierungschancengesetz ist die Antwort des Gesetzgebers auf die Digitalisierung und die Umbrüche auf dem Arbeitsmarkt“, sagt Joachim Ossmann, Chef der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven. Damit soll die Weiterbildung sowohl für Mitarbeiter als auch Arbeitgeber vereinfacht werden. Ein Kernpunkt ist vor allem die Finanzierung. Je kleiner ein Betrieb ist, desto höher ist der Zuschuss der Arbeitsagentur. Sie übernimmt nicht nur die Kosten für den Lehrgang, sondern zahlt auch noch einen Lohnausgleich an das Unternehmen für die Zeit, in der sich der Mitarbeiter fortbildet.
„Weiterbildung findet im Unternehmen statt“, sagt Cornelius Neumann-Redlin, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände im Lande Bremen. Sie wüssten am besten, welche Qualifikationen gebraucht werden – vor allem in der Zukunft. Denn das neue Gesetz ziele nicht nur darauf ab, Mitarbeitern die Qualifikation zu geben, die sie jetzt bräuchten. Es gehe auch darum, zu schauen, was in der Zukunft benötigt werde.
Dafür müssten sich aber auch die Unternehmen genau überlegen, wie sie der digitale Strukturwandel treffen wird und was sie dagegen tun könnten, sagt Annette Düring, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes in der Region Bremen-Elbe-Weser. So habe eine Untersuchung der IG Metall beispielsweise festgestellt, dass nur wenige der Befragten überhaupt wüssten, wohin sich ihr Unternehmen in den nächsten Jahren entwickeln werde.
Eine komplett neue Richtung
Dass sich in etlichen Branchen etwas ändern wird, davon sind alle drei überzeugt. Vor allem einfachere Tätigkeiten könnten durch die Digitalisierung wegfallen. Das kann die Supermarktkasse sein, an der der Kunde seine Waren künftig selbst einscannt, oder der Roboter, der beim Kommissionieren von Ware hilft. Vor allem bei kleinen und mittelständischen Unternehmen sieht Neumann-Redlin den größten Bedarf.
„Sie müssen sich fragen: Wo droht in den nächsten Jahren die Entwertung von Qualifikationen?“ Und wie könnten die entsprechenden Mitarbeiter weitergebildet werden, dass sie an anderer Stelle im Unternehmen eingesetzt werden können. Zwar hätten die Unternehmen vergangenes Jahr 33 Milliarden Euro in Weiterbildungsangebote investiert, sagt Neumann-Redlin. Das Qualifizierungschancengesetz sei trotzdem wichtig, weil die Weiterbildung in eine komplett neue Richtung gehen müsse.
Dass Interesse bei den Arbeitnehmern besteht, das leitet Agenturchef Ossmann aus dem Erfolg eines Bremer Pilotprojekts ab. Seit 2015 führen die Agenturen Bremen-Bremerhaven und Oldenburg-Wilhelmshaven offene Weiterbildungsberatungen durch. Jeder, der sich für seinen Beruf weiterbilden will oder in einen ganz anderen Job wechseln möchte, kann sich bei speziell geschulten Weiterbildungsberatern unverbindlich und kostenlos informieren. Das Interesse daran sei bislang groß gewesen, sagt Ossmann. Ähnliches hofft er nun auch für das neue Gesetz.