An den Eurogate-Containerterminals in Bremerhaven, Wilhelmshaven und Hamburg ist die Abfertigung durch den 24-stündigen Warnstreik der Hafenarbeiter größtenteils zum Erliegen gekommen: "In Bremerhaven wurde in der Frühschicht zumindest landseitig etwas gearbeitet", sagte Steffen Leuthold, Sprecher des Bremer Terminalbetreibers. Der Warnstreik, zu dem die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi am Mittwoch aufgerufen hatte, macht sich auch an anderer Stelle bemerkbar: "Es sind einige Container-Trucker mit Ware unterwegs, die nicht abgeladen werden kann - auf den Kosten bleiben die Fuhrunternehmen sitzen", so Olaf Mittelmann, Geschäftsführer vom Landesverband Verkehrsgewerbe Bremen (LVB).
Wie viele Containerschiffe durch den Warnstreik nicht abgefertigt werden können, sei nicht wirklich zu beziffern, so Leuthold. "Wir haben unsere Kunden umgehend informiert, als wir vom Warnstreik am Mittwochmorgen erfahren hatten - und die haben natürlich reagiert und umgeplant." In den Häfen gebe es zumindest einen Notdienst. "Der ist zwingend notwendig wegen der Gefahrgutcontainer."
Beim ersten nur viereinhalb Stunden dauernden Warnstreik vor drei Wochen war das Be- und Entladen der Schiffe weitgehend zum Erliegen gekommen und hatte die ohnehin schon angespannte Lage mit zahlreichen Verspätungen weiter verschärft. Nach Angaben des Kieler Instituts für Weltwirtschaft stecken coronabedingt in der Nordsee inzwischen mehr als zwei Prozent der globalen Frachtkapazität im Stau. Allein in der Deutschen Bucht warteten nach jüngsten Daten vom Dienstag 15 Containerschiffe auf ihre Abfertigung in Hamburg oder Bremerhaven. Für Deutschland und die EU bedeute dies vor allem Beeinträchtigungen im Überseehandel, speziell mit Asien, von wo etwa Unterhaltungselektronik, Möbel oder Textilien geliefert würden.
„Emden, Bremen, Bremerhaven, Brake, Wilhelmshaven und Hamburg, überall stehen die Kräne und die Anlagen heute still“, sagte Verdi-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth am Donnerstag auf einer Kundgebung von mehreren Tausend Hafenarbeitern in Hamburg. Die Beschäftigten hatten die Arbeit mit der Frühschicht für 24 Stunden niedergelegt und wollten so im Tarifstreit um die Entlohnung der Hafenarbeiter Druck auf die Arbeitgeber erhöhen. „Wir brauchen einen kräftigen Schluck aus der Pulle, wir brauchen eine kräftige Lohnerhöhung“, sagte Schwiegershausen-Güth vor nach Gewerkschaftsangaben mehr als 4000 Demonstranten.
Trotz vier Verhandlungsrunden haben Verdi und der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) bislang keine Einigung erzielen können. Wie verhärtet die Fronten inzwischen sind, zeigte sich unter anderem dadurch, dass auf der Hamburger Demonstration für solche Veranstaltungen völlig unüblich vereinzelt Rauchtöpfe und Böller zum Einsatz kamen. Zuvor war bereits nach der erfolglosen vierten Verhandlungsrunde am Dienstag das Bürogebäude der BLG Logistics Group AG & Co KG in Bremen beschädigt worden.
Die Gewerkschaft fordert für die rund 12 000 Beschäftigten in den 58 tarifgebundenen Betrieben in Hamburg, Niedersachsen und Bremen bei einer Tariflaufzeit von zwölf Monaten eine Erhöhung der Stundenlöhne um 1,20 Euro sowie in Vollcontainerbetrieben eine Erhöhung der jährlichen Zulage um 1200 Euro. Darüber hinaus verlangt Verdi einen nicht näher bezifferten „tatsächlichen Inflationsausgleich“. Bei Löhnen von aktuell knapp unter 15 Euro bis gut 28 Euro pro Stunde bedeuten die Verdi-Forderungen eine Gehaltssteigerung um bis zu 14 Prozent.
Der ZDS bietet in seinem nach eigenen Angaben „finalen“ Angebot bei einer Tariflaufzeit von 18 Monaten eine Anhebung der Stundenlöhne um 1,20 Euro - im Autoumschlag um 90 Cent - an und ist mit der Anhebung der Zulage um 1200 Euro einverstanden. Als Inflationsausgleich soll es in Vollcontainer-Betrieben eine Einmalzahlung in Höhe von 1000 Euro und in konventionellen in Höhe von 500 Euro geben. „Wir haben ein sofort wirksames Volumen von bis zu elf Prozent, davon eine dauerhafte Erhöhung der Löhne um bis zu 7,2 Prozent, angeboten“, hatte ZDS-Verhandlungsführerin Ulrike Riedel zuletzt gesagt. Das gehe über eine echte Reallohnsicherung hinaus und liege deutlich über vergleichbaren Tarifabschlüssen.
Die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd zeigte sich wenig erfreut über den Warnstreik der Hafenarbeiter und sprach von erheblichen Schäden. „Jeder Tag, den ein Schiff steht, kostet uns natürlich Geld, verärgert Kunden, Konsumenten, Seeleute und auch unser Landpersonal“, sagte ein Sprecher. Die Streiks trügen zur ohnehin extrem angespannten Situation der Branche massiv bei.
"An so einem Streiktag können wir nicht einfach sagen, wir fahren mal eben eine andere Tour und lassen den Hafen links liegen", so LVB-Geschäftsführer Mittelmann. Die Waren seien unterwegs, "wir haben vertragliche Verpflichtungen." Und einfach den Container abstellen, gehe auch nicht - vor allem wenn es sich um Gefahrgut handle. Die Fahrer und die Lkw hängen also fest, wenn es mit der Abfertigung der Schiffe nicht funktioniere. "Die Fuhrunternehmen bleiben letztlich auf den zusätzlichen Kosten sitzen." Und es werde für die Fahrer sicherlich nicht einfach sein, einen geeigneten Platz zu finden, weil die Stellflächen auch schon vor dem Warnstreik sehr voll gewesen seien.
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