Über die Aussicht kann Hendrik Todte schon mal nicht klagen: Aus dem sechsten Stock des Kaffeequartiers in Überseestadt liegt ihm die Stadt gewissermaßen zu Füßen. Das Start-up-Flair zieht sich denn auch durch die Geschäftsräume von Movingdots: Ein zentrales Großraumbüro, etwas futuristisch anmutende Leuchtstäbe, die als Raumtrenner von der Decke hängen, Glastüren lassen in die Konferenzräume blicken. Die Firma ist 2019 erst in die Überseestadt gezogen – pandemiebedingt blieben die Räume bisher weitgehend ungenutzt. "Man könnte fast meinen, hier arbeitet keiner", sagt Geschäftsführer Todte, "aber das Gegenteil ist der Fall." Er selbst ist erst vor wenigen Monaten nach Bremen gezogen, aus München kam er im Frühjahr in die Hansestadt, doch dazu später mehr.
Zunächst einmal zu der Frage, an was in den Büroräumen – so sie denn besetzt sind – überhaupt gearbeitet wird. Auf der Homepage von Movingdots ist von Mobilitätslösungen die Rede, von Sicherheit auf den Straßen, von Versicherungsanalytik und Telematik. Das hört sich erst mal recht abstrakt an. Daher die Nachfrage bei Geschäftsführer Todte, der in Hoodie und Jeans zum Gespräch empfängt.
Da wären zum einen die Daten, die Movingdots sammelt. Versicherer werben etwa damit, ihren Kunden bei besonders gutem Autofahrverhalten Nachlass auf den Versicherungspreis zu geben. Um das Fahrverhalten zu überprüfen, können Autofahrer sich die von Movingdots entwickelte App "Coloride" herunterladen. Die App trackt etwa, wie vorausschauend oder umsichtig jemand fährt. Am Ende berechnet sie eine Gesamtwertung, die wiederum zurück an den Versicherer vermittelt wird. "Das wird in Deutschland allerdings noch etwas verhalten aufgenommen", sagt Todte. In Italien oder England sei das schon wesentlich stärker verbreitet, die Kunden seien dort pragmatischer. "Der Deutsche ist, historisch bedingt, etwas zurückhaltender, was das Datensammeln angeht." Todte betont aber, dass die Versicherer selbst die Daten nicht bekommen würden. 2020 konnte "Coloride" sogar in den chinesischen Markt einsteigen.
Wie ökologisch sind Dienstwagen?
Der zweite Geschäftsbereich: Das Überprüfen von Fahrassistenz-Systemen. "Neue Autos haben immer mehr Assistenzsysteme", sagt Todte, "weil die Hersteller versuchen, den Kunden mehr Komfort zu bieten und irgendwann das autonome Fahren ermöglichen wollen." So gebe es etwa Spurhaltewarnungen oder automatische Notbrems-Assistenten. Versicherungen würden sich erst mit zeitlicher Verzögerung dafür interessieren, nämlich dann, wenn solche Systeme wirklich erprobt seien. "Wir haben deshalb Modelle entwickelt, mit denen wir analysieren und testen können: Ist das Auto durch solche Assistenten wirklich sicherer?", erklärt Todte. Wenn ja, könne der Kunde vonseiten der Versicherer schon mal pauschal einen Rabatt bekommen.
Drittes Thema von Movingdots: Nachhaltigkeit. "Es kommen immer mehr Anforderungen auf die Unternehmen zu, was den ökologischen Fußabdruck angeht", sagt Todte. Movingdots wolle daher aufzeigen, wo Unternehmen im Bereich Mobilität ökologischer werden können. "Wir merken, dass das ein großes Thema wird. Es reicht nicht mehr, grob zu sagen, wir wollen irgendwie nachhaltiger werden. Man muss den realen CO2-Ausstoß von Dienstwagen messen, aber die sind noch immer des Deutschen liebstes Kind." Ein Problem sei etwa, wenn festgestellt werde, dass jemand häufig mit weit über 130 über die Autobahn düst oder mit dem Auto nur kurze Strecken in der Stadt zurücklegt. "Unter Umständen würde dann ein Elektro-Auto oder ein E-Bike mehr Sinn machen", meint Todte. Die erhobenen Daten würden aber anonymisiert, sodass kein Mitarbeiter angeschwärzt wird.
Das Geschäftsfeld von Movingdots hat sich im Laufe der Zeit immer weiter entwickelt. Das Unternehmen wurde 1999 im niedersächsischen Berne gegründet, damals noch unter dem Namen akquinet SLS und mit dem Schwerpunkt auf Logistik. 2012 hat das Unternehmen Rettungs- und Krankenwagen der Oldenburger Leitstelle mit Telematik- und Navigationssystemen ausgestattet. In Hessen wurden Baumstämme mit dem Forst-Tracker – kleine batteriebetriebene Ortungsboxen – versehen, um dem Holzdiebstahl entgegenzuwirken. 2018 entstand schließlich die Movingdots GmbH.
Lokal stärker vernetzen
Mittlerweile ist Movingdots eine hundertprozentige Tochter des Schweizer Rückversicherers Swiss Re, es gibt Teams in Zürich, Mailand und Peking. Der Schwerpunkt in Bremen liegt auf der Entwicklung von App-Lösungen. Daher sei auch das Arbeiten von Zuhause aus kein Problem mehr. "Da musste ich aber auch erst dazu lernen", gesteht Todte. Wenn es um Brainstorming geht, würden sie aber doch wieder die gute, alte Flipchart rausholen. Er hat sich auch auf die Fahnen geschrieben, sich lokal stärker zu vernetzen. "Warum vernetzen sich die IT-Firmen in Bremen nicht noch mehr, um Bremen als Standort noch attraktiver zu machen?", fragt er sich etwa. Er plädiert für ein selbstbewussteres und mutigeres Auftreten Bremens. Als er von München nach Bremen gegangen sei, hätten einige in seinem Umfeld zunächst ungläubig reagiert. "Aber das Thema Nachhaltigkeit beispielsweise ist eigentlich seit Langem schon in der Bremer DNA hinterlegt", meint Todte.