Aufgrund der aktuellen Unsicherheit bei der Gasversorgung sind die Bürgerinnen und Bürger des Landes zum Energiesparen aufgerufen. In Bremen und Niedersachsen stellen Energieversorger erste Rückgänge beim Verbrauch fest. „Wir beobachten im Vergleich zum Vorjahr eine ganz leichte rückläufige Tendenz beim Erdgasverbrauch“, sagt die Sprecherin des Bremer Energieversorgers SWB Angela Dittmer. Allerdings sei die Entwicklung nicht eindeutig auf bewusstes Energiesparen wegen des Appells zurückzuführen.
Viele Faktoren beeinflussen den Energieverbrauch von Haushalten und Unternehmen, sodass es gewöhnlich zu Schwankungen kommt – besonders außerhalb der Heizperiode. Gas wird vorwiegend für Wärme eingesetzt, so spielt natürlich die Witterung eine Rolle. Einen „echten Trend“ könne man aus Sicht der SWB zwar noch nicht ableiten, weil die Rückgänge dafür nicht deutlich genug seien. Dennoch wertet Dittmer die Entwicklung als Signal: „Da wir die Veränderungen bereits über mehrere Monate sehen, wagen wir zu behaupten, dass offensichtlich ein Anfang gemacht ist“: Die Bremerinnen und Bremer hätten mit dem Sparen angefangen.
Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bestätigen, dass der Gasverbrauch in Deutschland mit 460 Milliarden Kilowattstunden in den ersten fünf Monaten des Jahres rund 14 Prozent niedriger ausfiel als im Vorjahreszeitraum. Ein „maßgeblicher Grund“ dafür sei die deutlich mildere Witterung. Dennoch ist eine Abnahme selbst dann erkennbar, wenn man den Wettereinfluss ausklammert – zum Beispiel im Monat Mai mit einer besonders großen Gasersparnis: „Bereinigt um Temperatureffekte beträgt das Minus 10,8 Prozent.“ Über den Anteil der Haushalte liegen dem BDEW keine Daten vor.
Kunden der Oldenburger EWE haben ebenfalls Gas gespart. „Von Mai bis Juli dieses Jahres haben die Haushalts- und Kleingewerbekunden etwa zehn Prozent weniger Gas verbraucht als im selben Zeitraum 2021 und 2020“, so Unternehmenssprecher Alexander Jewtuschenko.
Ein anderes Bild ergibt sich bei der EWE mit Blick auf Großunternehmen ab einem jährlichen Gasverbrauch von 1,5 Millionen Kilowattstunden. Von Mai bis Juli dieses Jahres hätten die Industriekunden im Schnitt etwa zwei bis drei Prozent mehr Strom und Gas verbraucht als in den beiden Vorjahren. Unlängst hatte der Vorstandschef des Konzerns Stefan Dohler auf eine mögliche Ursache hingewiesen: Ein Teil der Geschäftskunden profitiere wegen längerfristiger Verträge noch von sehr günstigen Gaspreisen – in diesen Firmen werde in Vorahnung der Teuerungen teils „produziert, bis der Arzt kommt“.
Firmen nutzen günstige Verträge
Was die Energieunternehmen in der Region noch beobachten: Mehr Kunden erwägen einen Wechsel zu Energiealternativen. So hat sich die Anzahl der Anträge für Solaranlagen bei der EWE laut Sprecher Jewtuschenko von Januar bis Juli dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdoppelt. Aktuell liegen bereits rund 10.000 Anträge vor.
Die Mitarbeiter des SWB-Kundencenters Domshof berichten laut Angela Dittmer ebenfalls, „dass seit Beginn des Krieges in der Ukraine die Nachfragen zur Nutzung regenerativer Energien richtig stark angestiegen sind“. Jeden Tag gebe es etwa drei bis fünf Anfragen zur Solarenergie. „Dabei geht es je zur Hälfte um Anlagen für die Installation auf dem Dach als auch die steckerfertigen Solaranlagen für Balkone.“ Wärmepumpen sind ebenfalls häufiger ein Thema.
Die SWB stützt die Aussagen zum Energieverbrauch auf Beobachtungen des Netzbetreibers. Wie viel Privathaushalte und Gewerbe konkret verbrauchen, erfährt der Versorger über die jährlich erfassten Zählerstände. Bis auf die Hochsommermonate Juli und August werden Verbrauchsabrechnungen das ganze Jahr über erstellt. Es gibt damit keinen Stichtag, an dem alle Kunden die Zählerstände ablesen.
Viele Bürger geben in aktuellen Umfragen an, dass sie seit dem Krieg in der Ukraine ihren Energieverbrauch reduziert haben. In einer Erhebung von Yougov traf das auf fast 40 Prozent der Teilnehmer zu. Einer Untersuchung des BDEW zufolge gaben mehr als drei Viertel der Befragten an, dass sie in den vergangenen Monaten ihr Verhalten geändert hätten und versuchten, beim Heizen oder beim Warmwasserverbrauch Energie einzusparen. Hauptmotiv seien die gestiegenen Kosten. Ein Fünftel spare aus Gründen des Umweltschutzes.