Alle Jahre wieder läuteten in Bremen Weihnachtsmänner den Weg für die Straßenbahnen frei. Im Getümmel vorm Rathaus sorgten die Mitarbeiter der BSAG für Sicherheit, wenn besonders viele Menschen den Weihnachtsmarkt und die Geschäfte besuchten. Doch in diesem Jahr gibt es keine Büdchen mit Feuerzangenbowle oder Reibekuchen. Menschenmassen werden nicht erwartet. Die Glocken werden schweigen.
Überhaupt ist der Bummel zum Fest anders. Die Geschäfte müssen weiter die Hygieneregeln umsetzen. Um die Kunden zu zählen, setzt Nanu-Nana wie viele Läden auf das Korbsystem. Am Eingang weist ein Mitarbeiter die Kunden freundlich darauf hin – auch kleinere Besucher. Bevor es zu den Kugeln und Kerzen geht, ist das Körbchen nötig. Dafür hat nicht jeder Verständnis. Körbe sind hier schon geworfen worden, erzählt Saskia Holsten, die zur Filialleitung gehört. Der Großteil halte sich aber an die Regeln.
In diesem Moment stöbern einige Kunden im Laden. „Jetzt geht es doch los“, sagt Holsten zum Weihnachtsgeschäft. Im Hintergrund läuft „Wonderful Christmastime“ von Paul McCartney. Am Ständer baumeln kunterbunte Weihnachtskugeln: Burger, Brezel und Roboter für die Tanne. Fast alles wie sonst, wenn nicht die Masken und Markierungen auf dem Boden wären.
Der Dekospezialist Depot in der Obernstraße setzt ebenfalls auf Körbchen. Genau 42 Menschen dürfen in das Geschäft. Die stellvertretende Filialleiterin bestätigt, dass die Regeln Kraft kosten. Jeden Tag gibt es Diskussionen mit den Kunden, sagt Michelle Butschkowski, manche werden laut. Das sei schon ein kleiner Kampf. Für die meisten sei die Sache aber unkompliziert.

Viele Geschäfte, wie auch Nanu-Nana, zählen die Kunden weiter mit Körben.
Für Kosmetikeinkäufe fehlen die Anlässe
Butschkowski sieht einen deutlichen Unterschied: „Wir sind weit von dem entfernt, was normalerweise so los ist“, sagt sie. Die Stadt sei teils leer. Sonst sei der Laden im Weihnachtsgeschäft vor Menschen kaum noch zu sehen gewesen – unvorstellbar in Zeiten der Pandemie.
Für den Handel ergibt sich laut Stefan Brockmann, Vorsitzender des Einzelhandelsausschusses der Handelskammer und Vorstand der Bremer City-Initiative, ein gemischtes Bild. Viele Geschäftsleute hätten angesichts der massiven Umsatzrückgänge tiefe Sorgenfalten, die Passantenfrequenz habe sich faktisch halbiert. Der Lebensmittelhandel erlebe derweil eine gute Nachfrage. Für sein Möbelgeschäft Boconcept sagt Brockmann: „Wir können uns nicht beklagen.“ Gerade für Kosmetik- oder Textileinkäufe aber fehlten die Anlässe. „In den Videokonferenzen trägt selten jemand Anzug.“
Trotz der Erschwernisse blickt Filialleiterin Petra Kischkat von Thalia in der Obernstraße positiv auf das Weihnachtsgeschäft. Die Kunden seien willkommen, doch müssten eben Verständnis für mögliche Wartezeiten haben. Denn klar sei: „Das wird ein vollkommen anderes Weihnachtsgeschäft als wir es kennen.“ Kuschkat appelliert an die Kunden, gesunden Respekt zu haben, aber nicht zu viel Angst. Alle Geschäfte in der Stadt hätten Hygienekonzepte. In der Buchhandlung tragen alle Mitarbeiter Maske.
Thalia fällt mit 2300 Quadratmetern Verkaufsfläche ab Dezember unter die neue strengere Regel. Pro Kunde muss es dann 20 Quadratmeter Platz geben. Um Schlangen an den Kassen zu vermeiden, hat sich Thalia etwas überlegt: Die Kunden können per App mit "Scan & Go" das Bezahlen allein erledigen. Was sich daneben bewährt habe, sagt Kischkat, sei die Bestellung und Bezahlung im Netz, die Abholung in der Filiale. Damit der Einkauf möglichst zügig erledigt wird, verzichtet die Buchhandlung auf das Verpacken der Bücher, Kalender, Spielzeuge oder Deko. Nur wenn wenig los ist, sei das möglich, sagt die Filialleiterin. Alternativ gibt es Verpackungsmaterial to go.
In der Innenstadt hat sich die Kulisse für den Weihnachtseinkauf verändert. Es gibt Tannenbäume mit Schleifen und Lichterketten, doch die Stimmung ist anders. Und plötzlich fehlt fast, was sonst stört: Glühweintrunkenheit, Gedränge, Weihnachtshektik.
Zutrittserlaubnis nach dem Ampelprinzip
Märkte von Media Markt und Saturn treffen die strengeren Regeln ebenfalls. Für deren Einhaltung setzt man – nicht verwunderlich – auch auf Technik. Digitale Einlasskontrollen regeln die Kundenströme. „Ein Display am Markteingang zeigt an, wie viele Kunden den Markt noch betreten dürfen und steuert die Zutrittserlaubnis mit selbsterklärenden, farblichen Anzeigen nach dem Ampelprinzip“, so eine Sprecherin. Das Geschäft im Advent ist wichtig: Technikprodukte zählten zu den beliebtesten Weihnachtsgeschenken. Darum rechne man auch jetzt mit großem Interesse.
Das Fest ist für Kosmetikanbieter The Body Shop ebenfalls von Bedeutung. Im Moment dürfen maximal fünf Kunden ins Geschäft in der Bremer City. „Das ist eben einfach so“, sagt Shopmanagerin Nicole Kleinwechter. Manchmal müssen Kunden draußen warten. „Das ist die Problematik, dass nicht jeder Lust darauf hat – gerade, wenn es kalt und nass ist.“ Adventskalender und Geschenke zu Nikolaus sind hier derzeit gefragt. Wer nicht in der Schlange anstehen wolle, der könne auch online bestellen.
Und wenn Kunden sowieso seltener raus möchten? Das Designermöbelhaus Boconcept von Stefan Brockmann hat sich für dieses Szenario etwas einfallen lassen. Das Geschäft in der Knochenhauerstraße kann seit Kurzem virtuell besucht werden. Die Idee zur Aufnahme mit der 360-Grad-Kamera kam der Kette im Frühjahr während des Lockdowns. „Die Resonanz ist sehr positiv“, sagt Brockmann. In den vergangenen Monaten gab es hier auch Beratung per Video.
Selbst wenn die Auswirkungen der Pandemie die Adventszeit erschweren, ist von allen im Handel zu vernehmen: Es gilt, das Beste daraus zu machen. Über dem Bremer Marktplatz schwebt keine Duftwolke aus gebrannten Mandeln und Räucherstäbchen. Dafür sind die Lichtinstallationen an den historischen Gemäuern ein Hingucker. Alles anders eben.
Appelrath-Cüpper nimmt Hürde
Der Insolvenzplan der in Schwierigkeiten geratenen Damenmodekette Appelrath-Cüpper ist bestätigt worden. Das teilte ein Sprecher des Amtsgerichts Köln dem WESER-KURIER auf Anfrage mit. Gegen den Beschluss können zwei Wochen lang Rechtsmittel eingesetzt werden. Das Fachmagazin „Textilwirtschaft“ berichtet, dass der österreichische Unternehmer Peter Graf das Traditionshaus übernehmen will. Das sei Teil des Insolvenzplans. In der Bremer Innenstadt gibt es ebenfalls einen Standort von Appelrath-Cüpper.